«Hello Queen»

  13.09.2022 Reichenbach, Kiental

Mit ein bisschen Oberländer Durchtriebenheit kam Unternehmer Hanspeter Wyssen zu einem Gespräch mit der letzte Woche verstorbenen Queen. Der Reichenbacher erinnert sich mit einem Schmunzeln an die Episode aus dem Jahr 2000.

HANS RUDOLF SCHNEIDER
Die Reichenbacher Seilbahnfirma Wyssen erhielt in den Jahren 1999 / 2000 den Auftrag, mit ihren Seilwinden den Bau der Millennium Bridge – einer Stahlhängebrücke über die Themse für Fussgänger – zu unterstützen. Da es bei einem grossen Brückenprojekt in Dänemark gute Arbeit geleistet hatte, war London auf das einheimische Unternehmen aufmerksam geworden. 80 Tonnen Material und Werkzeuge wurden nach England spediert, neun Wyssen-Seilwinden kamen zum Einsatz. Verantwortlich für die Abwicklung des Auftrags war mit Hanspeter Wyssen einer der Söhne des Firmengründers. Für die Montagearbeiten engagierte er mit Karl Zingrich einen weiteren Kandertaler. Die Einweihung des Jahrhundertbauwerks – 325 Meter lang und 18,2 Millionen Pfund teuer – fand am 9. Mai 2000 statt.

An den «Bobbys» vorbeigeschlichen
Eingeladen war damals auch Hanspeter Wyssen als Vertreter der kleinen Kandertaler Firma. Ein gutes Hemd habe er angezogen, erzählt er und zeigt stolz zwei Bilder von sich und der Königin. Der Anlass hat einen enormen Eindruck bei ihm hinterlassen. «Zuerst ging es in die St.-Pauls-Kathedrale, wo die Einweihung startete. Die Kirche war schon fast voll. Ich ging immer weiter nach vorn und setzte mich schliesslich auf einen freien Stuhl gleich in die Reihe hinter Queen Elisabeth.»

Anschliessend wurde in einem benachbarten Gebäude zum Apéro und Buffet geladen. Hanspeter Wyssen hatte aber die falsche Eintrittskarte, wie ihm die zwei uniformierten Polizisten an der Türe klarmachten. Er war also nicht eingeladen. Leider konnte ihm die Organisatorin des Einweihungsevents auch nicht weiterhelfen, zu der er von den «Bobbys» geschickt wurde. Wyssen wartete einen Augenblick ab, in dem die Polizisten mit einem anderen Gast beschäftigt waren, ging rasch an ihnen vorbei und sagte nur: «It’s okay.» Und er war drin.

Via Philip zur Queen
«Ich kannte dort niemanden. Die vielleicht 40 bis 50 Personen waren aber offenbar untereinander gut bekannt. Was also sollte ich machen?» Er wandte sich an den abseits stehenden Prinz Philip, den Ehemann der Queen, stellte sich vor und erklärte, was seine Firma beigetragen habe. Und sagte, er würde sich gern bei der Queen für den Auftrag bedanken, aber die sei ja beschäftigt. Sie plauderten dann über Seilbahnen, die Philip von den königlichen Winterferien in der Schweiz bestens kannte und die ihn faszinierten.

Ein paar Minuten später – es wurde zum Buffet gerufen – tönte es plötzlich durch den grossen Saal: «Hey, Swiss guy.» Der Queen-Gemahl winkte ihn zu sich, und plötzlich stand der Reichenbacher vor der englischen Königin. «Ich verbeugte mich, schüttelte ihr die Hand und sagte: ‹Hello Queen!› Das war wohl nicht ganz nach Protokoll», erzählt Wyssen mit einem breiten Lachen. Er habe sich für den Auftrag bedankt und wieder über das Skifahren und die Schweiz mit ihr «dorfet». Sie habe sehr interessiert zugehört und Fragen gestellt. Dann war es Zeit für die geladenen Gäste, ans Buffet zu schreiten und er habe sich leise verabschiedet.

Es ist dem heute 82-jährigen Hanspeter Wyssen anzumerken, wie viel Eindruck ihm diese aussergewöhnliche Begegnung vor über zwanzig Jahren gemacht hat. Und mit der Meldung von Elisabeths Tod sei diese Begebenheit wieder sehr präsent geworden.


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