Hier entsteht ein Kraftwerk für 60 Millionen Franken

  11.09.2020 Aeschi, Aeschiried, Region, Wirtschaft

HONDRICH Seit Juni wird an der Kander intensiv gebaut: Die BKW und die Thun Energie AG erstellen ein neues Wasserkraftwerk. Der Bau bietet einige technische Knackpunkte, wie ein Baustellenbesuch zeigt – vor allem an der Bahnlinie.

HANS RUDOLF SCHNEIDER
Kaum jemand merkt, dass im Raum Stegweide unten an der Kander gerade 60 Millionen Franken verbaut werden. Die Zufahrt zur versteckten Baustelle führt über das Wimmiser Areal der Kiestag AG im Steinigand bis zur Wasserfassung des bestehenden BKW-Kraftwerkes Spiez. Nur wenige Meter oberhalb des Flusses sind schwere Baumaschinen am Werk. «Wir lockern hier den Boden aus festgepresstem Moränenmaterial auf, um anschliessend die Spundwände für die Baugrube in den Boden rammen und die Kraftwerkzentrale mit den Turbinen bauen zu können.» Projektleiter Patrik Eichenberger zeigt auf die beiden lärmenden Bohrgeräte. «Das Gebäude wird fast vollständig unterirdisch sein. Von oben werden Zugänge in der Decke der Zentrale eingebaut, um die Technik und die beiden Kaplan-Turbinen ein- und ausbauen zu können.» Doch bis es so weit ist, gibt es noch viel zu tun.

Das Wasserschloss
Weiter gehts: Die nächste Baustelle befindet sich gut 30 Meter höher am Hang, unmittelbar unter der Nationalstrasse beim südlichen Portal des Spiezwilertunnels. Eine der Fahrspuren ist derzeit gesperrt. Von dort wird der Beton nach unten gepumpt, der für die Sicherung des unteren Stollenportals benötigt wird. Dahinter entsteht später das Wasserschloss, welches fast vollständig in den Hang hineingebaut wird. Dort endet der Zulaufstollen von der Wasserfassung in einem grossen Becken. In zwei Druckrohren von je 2,4 Metern Durchmesser wird das Wasser künftig nach unten Richtung Kander in die Zentrale rauschen. An dieser Stelle kämpfen die Ingenieure und Bauarbeiter vor allem mit dem Hangwasser, was zusätzliche Drainagen und Sicherungen nötig macht.

Wo die Kander gestaut wird
Die oberste, sichtbare Baustelle befindet sich gut 1,5 Kilometer flussaufwärts. Hier wird anstelle einer der heutigen Schwellen künftig ein Stauwehr stehen, durch das das kalte Gletscherwasser in die Wasserfassung und durch den Zulaufstollen zur Kraftwerkzentrale umgeleitet wird. Die gefasste Wassermenge von 30 Kubikmetern pro Sekunde wird durch eine neue Unterführung unter den beiden BLS-Geleisen hindurchgedrückt und fliesst dann in den Zulaufstollen. Letzte Woche wurden die Betonelemente dieser Unterführung mit einem grossen Pneukran unter dem zweiten Geleise verlegt. Eine heikle Angelegenheit, da die schweren Elemente dafür erst über die Fahrleitungen gehievt werden mussten. Die Geleise sollten nach dem Wiedereinbau ausserdem – wie vorher – schnelle und rüttelfreie Fahrten zulassen.

Komplett im Untergrund
Die letzte – unsichtbare – Baustelle hat zwei Anfänge. Sowohl vom Wasserschloss als auch von der Wasserfassung soll der Zulaufstollen in das lockere Material gegraben werden. Dies erfolgt nicht mit Sprengen oder einer Bohrmaschine. «Der Vortrieb erfolgt mit sogenannten Bohrjumbos, wobei das Gewölbe jeweils mit einem Schutzschirm aus Rohren oder Spiessen vorausgesichert wird, damit der Stollen darunter sicher ausgebrochen und mit Trägern und Beton gesichert werden kann», erklärt Patrik Eichenberger. Der Stollen hat gewaltige vier mal sechs respektive stellenweise sogar sechs mal sechs Meter im Schnitt. Und natürlich hat auch dieser Teil des Projektes eine heikle Stelle. Nachdem die BLS-Strecke vor dem Stollen unterquert wurde, verläuft der Zulaufstollen an einer Stelle nur gerade 1,9 Meter über dem neuen Spiezwilertunnel der BLS. «Da darf keine Abweichung passieren», warnt der Projektleiter.

Die Kander darf arbeiten
Bei der Wasserfassung wird eine Fischtreppe installiert, zudem soll unterhalb der frühere Kanderlauf wiederhergestellt werden. Im «Sack», so die Flurbezeichnung, wird das Ufer nämlich aufgerissen, sodass sich der Fluss sein altes Bachbett zurückerobern und wieder mäandern kann. Diese Renaturierung im Rahmen des Projektes «Kander2 050» wird von den Bauherren, verschiedenen Fonds und den Gemeinden finanziert. Das Wasser wird vom Wehr bis zur oben liegenden Schwelle gestaut. Dies bedingt eine Erhöhung der seitlichen Ufer, was künftig zugleich für die danebenliegende Bahnlinie einen deutlich besseren Hochwasserschutz geben wird.

Die drei zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen Bauunternehmen KIBAG, Rothpletz, Lienhard +Cie AG und Kästli Bau AG sowie die Kraftwerk Augand AG haben einen sportlichen Terminplan einzuhalten. Da für das Kraftwerk vom Bund Beiträge der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) gesprochen werden, muss die Inbetriebnahme im Juli 2023 unbedingt eingehalten werden.


BKW steigert Halbjahresergebnis

Die BKW hat im ersten Halbjahr 2020 ein gutes Ergebnis erzielt. Dank des weiterhin markanten Wachstums des Dienstleistungsgeschäfts hat sie den Umsatz gegenüber der Vorjahresperiode um zwölf Prozent auf rund eineinhalb Milliarden Franken gesteigert.

Der operative Gewinn (EBIT) beträgt 219 Millionen Franken und übertrifft damit den Vorjahreswert um 5 Prozent. Der operative Cashflow nimmt um 97 Prozent zu und erreicht mit 260 Millionen Franken Rekordniveau. Im ersten Halbjahr 2020 investierte die BKW rund 90 Millionen Franken. Der Grossteil der Investitionen floss in den Ersatz und den Unterhalt des Verteilnetzes.

Das Dienstleistungsgeschäft der BKW ist erneut stark gewachsen. Der Umsatz ist in diesem Geschäftsfeld auf 677 Millionen Franken (+ 43 Prozent) gestiegen. Auf der Basis dieser Zahlen erhöht die BKW den bisher kommunizierten finanziellen Ausblick für das laufende Geschäftsjahr. Sie erwartet neu einen operativen Gewinn (EBIT) in der Bandbreite von 400 bis 420 Millionen Franken (bisher 380 bis 400 Millionen Franken). Die coronabedingten Unsicherheiten bezüglich der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung bleiben weiterhin bestehen und können die zukünftigen Prognose massgeblich beeinflussen.

PRESSEDIENST BKW AG


Das Kraftwerkprojekt

Die Idee eines Kraftwerkes an dieser Stelle der Kander besteht seit Langem. Mehrere Projekte verschiedener Interessenten wurden in den letzten Jahren entwickelt, schliesslich haben sich die ehemaligen Konkurrenten BKW (51 Prozent) und Energie Thun AG (49 Prozent) in der Kraftwerk Augand AG zusammengeschlossen und bauen nun gemeinsam. Die Investitionen belaufen sich auf gut 60 Millionen Franken, mit den jährlich 35 Gigawattstunden können insgesamt 7700 Haushalte mit erneuerbarem Strom versorgt werden. Gleich unterhalb der neuen Zentrale wird die Kander schon heute genutzt. Gut 15 Kubikmeter pro Sekunde werden dann in die Zuleitung zum Kraftwerk Spiez geführt. Projektleiter Patrik Eichenberger bemerkt, dass nun das Potenzial der Kander wohl ziemlich ausgereizt sei.

HSF

 


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