TOUR DE TOURISME – Vom Potenzial der Natur- und Kulturwerte

  20.04.2021 Kolumne

Vom Potenzial der Natur- und Kulturwerte

Kultur und Tourismus erscheinen auf den ersten Blick nicht als das perfekte Paar – zu unterschiedlich sind ihre Interessen und die Aktivitäten, die sie beinhalten. Einerseits sind da die markt orientierten Touristiker, deren Ziel es ist, die Wünsche und Bedürfnisse der Gäste im Detail zu kennen und zukünftige Nachfragetrends auszumachen, um möglichst viele BesucherInnen zu gewinnen. Bei der Kultur steht andererseits die Vermittlung des vom Menschen Selbstgeschaffenen im Vordergrund. Bei Kulturgütern versuchen die Verantwortlichen, die Werte unseres Natur- und Kulturraums zu bewahren und zu vermitteln.
Gleichzeitig verändert sich der globale Tourismusmarkt mit entsprechenden Auswirkungen auf die Produkte und Dienstleistungen im Kulturbereich. Die reine Natur und die authentische, regional verortete Kultur werden im globalisierten Alltag zu knappen Gütern. Wir alle stellen täglich fest, wie sich weltweit Werte, Normen und kulturelle Ausdrucksweisen einander angleichen. Im Zuge dieser Entwicklung steigt komplementär dazu die Nachfrage nach dem unverwechselbaren, regionalen Kulturgut oder anders gesagt dem regionalen «Produkt». Einzigartige Natur- und Kulturgüter respektive ausserordentliches Kulturschaffen sind gefragt und gewinnen an Wert. Kultur stiftet heute mehr denn je Heimat und schafft Verwurzelung.
Das Konsumverhalten vieler Menschen in der westlichen Welt verändert sich gleichermassen. Heute müssen Produkte und Angebote wie selbstverständlich diversen ökologischen, ethischen, gesundheitlichen und ökonomischen Anforderungen entsprechen. Untersuchungen zeigen, dass grosse Teile der europäischen Bevölkerung geprägt sind durch eine deutliche Affinität gegenüber Ökologie, kulturellem Erbe, Ästhetik, Stil und Design. Dies hat Konsequenzen für viele Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft: von der Architektur über das Produktedesign bis schliesslich zum Freizeit- und Tourismusangebot. Natur- und kulturnaher Tourismus definiert sich über das grundlegende Bedürfnis der Menschen nach Ruhe und Stille für Auge, Ohr und Geist, nach k ulturellem Erbe und ortsgebundener kultureller Weiterentwicklung, schönen Kulturlandschaften und authentischen Erlebnissen. Diese sind dann echt, wenn sie einen engen Bezug zu den Menschen in unserer Region, zur Landschaft, zur Kultur sowie zu aktuellen und historischen Gegebenheiten unserer Dörfer aufweisen. Authentizität bezieht sich allerdings nicht ausschliesslich auf Bewahrung und Erhaltung, sondern beinhaltet auch einen dynamischen Aspekt. Es geht immer auch um die Weiterentwicklung von Traditionen, es geht um den Alltag und die reale Bedeutung kultureller und natürlicher Werte. So kann auch an den Ort angepasste moderne Architektur authentisch sein. Und Kulturgüter können Ereignisse (und schliesslich «Erlebnisse») schaffen, wenn sie den Brückenschlag in die heutige Welt und in die Zukunft herstellen.
Es ist erfreulich zu sehen, wie sich bei oben erwähnten marktorientierten Touristikern zunehmend die Erkenntnis durchsetzt, dass in unserer satten Wohlstandsgesellschaft für die Menschen (und Gäste) Selbstverwirklichung und die Suche nach dem Lebenssinn im Vordergrund stehen. Entsprechend sinnvolle Erfahrungen und Erlebnisse finden sich in der Freizeit der Menschen mit entsprechendem Potenzial für den Tourismus in unserer Region. Dieses gilt es noch entschiedener zu nutzen, als wir es heute bereits tun.

URS PFENNINGER, DIREKTOR TOURISMUS ADELBODEN-LENK-KANDERSTEG

INFO@WELCOME.CH


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