Irrtum übers Vortrittsrecht

  15.10.2021 Region

Die meisten SchweizerInnen befürworten eine Helmpflicht für alle E-Biker sowie Tempo 30 in Wohnquartieren – dies legt eine aktuelle Umfrage der BFU nahe. Welche Regeln in einer 30er-Zone gelten, wissen allerdings die wenigsten.

BIANCA HÜSING
Ein generelles Tempolimit von 30km / h innerorts: Mit dieser Forderung ist die Volksinitiative «Strassen für alle» 2001 krachend gescheitert. 80 Prozent der Urnengänger lehnten sie damals ab. 20 Jahre später würde das Ergebnis möglicherweise anders ausfallen. Gemäss der diesjährigen Bevölkerungsbefragung der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) sprechen sich 52 Prozent der Schweizer für eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km / h innerorts aus, 42 Prozent sind dagegen. Auf Hauptstrassen solle jedoch weiterhin Tempo 50 gelten – eine Ausnahme, die auch die Volksinitiative von 2001 so vorgesehen hatte.

Ältere und Tessiner wollen innerorts langsameren Verkehr
Allerdings macht es einen Unterschied, wen man fragt: Die grösste Zustimmung findet Tempo 30 bei den über 65-Jährigen (59 Prozent) und bei den Tessinern (68 Prozent). Die Deutschschweiz ist in der Frage deutlich gespaltener (50 Prozent Zustimmung). Und unter den jüngsten Befragten (14 bis 25 Jahre) sprechen sich nur 40 Prozent für Tempo 30 innerorts aus. Einen nennenswerten Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt es bei diesem Thema nicht.

Interessanterweise scheinen die meisten Schweizer jedoch nicht zu wissen, wer in einer 30er-Zone Vortritt hat. Auf die entsprechende Frage der BFU gaben nur 20 Prozent die richtige Antwort: Autofahrer respektive Fahrzeuglenker. 70 Prozent antworteten fälschlicherweise mit «Fussgänger» – dabei haben diese lediglich in sogenannten Begegnungszonen mit Tempo 20 Vortritt.

Ein Drittel weniger Unfälle
Die BFU selbst spricht sich schon seit geraumer Zeit für das sogenannte Modell 30 / 50 in Dörfern oder Städten aus. Im «Basisnetz» – also Hauptverkehrsachsen einer Ortschaft – solle Tempo 50 gelten, im «ergänzenden Netz» (Wohnquartiere usw.) dagegen Tempo 30. Ist eine Strasse im Basisnetz jedoch beidseitig dicht besiedelt, empfiehlt die BFU auch hier eine Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit auf 30 km / h, um Fussgänger und Velofahrer zu schützen. «Tempo 30 bietet ein enormes Potenzial für die Verkehrssicherheit», ist die Beratungsstelle überzeugt. Mindestens 33 Prozent aller schweren Unfälle könnten dadurch verhindert werden. Von der Politik fordert die BFU daher, Gemeinden die Einführung von 30er-Zonen zu erleichtern – zum Beispiel im Rahmen der Teilrevision des Strassenverkehrsrechts, die letztes Jahr in die Vernehmlassung ging. Diese Chance habe der Bundesrat jedoch nicht genutzt, monierte die BFU seinerzeit.

Helmobligatorium: Volk dafür, Politiker dagegen
Eine andere BFU-Forderung enthält die Teilrevision dagegen sehr wohl: Die Helmpflicht für sämtliche E-Biker. Bisher gilt diese nur für schnellere Modelle ab 25 km / h. Doch da sich die Zahl schwerer Unfälle mit E-Bikes in den letzten Jahren verfünffacht habe, will der Bundesrat die Helmpflicht auch auf langsame E-Bikes ausdehnen. In der Vernehmlassung stiess dieser Vorschlag indes auf wenig Gegenliebe. Über die Parteigrenzen hinweg wurde das Helmobligatorium kritisiert – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Die Liberalen etwa plädierten für Eigenverantwortung, während Grüne und SP eine Abnahme des Veloverkehrs fürchteten.

Würde man hingegen die Bevölkerung fragen, hätte die Helmpflicht wohl gute Chancen. Laut der BFU-Umfrage sind 78 Prozent dafür. Die Zustimmmung ist über alle Sprachregionen und Alterskategorien hinweg gross. Gleiches gilt auch für die Einführung einer Velohelmpflicht für Kinder bis 14 Jahre. Diese wird sogar von 86 Prozent aller Befragten befürwortet – vom Parlament allerdings wurde sie 2012 abgelehnt.


Keine Angst vorm Treppengeländer!

Parallel zur Verkehrsumfrage führt die BFU jedes Jahr auch eine zum Freizeitverhalten der SchweizerInnen durch. Dabei hat sie unter anderem festgestellt, dass sich ein Viertel der Bevölkerung nicht an Treppengeländern festhält – und zwar aus Angst vor Viren. Vor der Pandemie hatte die Anzahl der Geländermeider noch bei 13 Prozent gelegen. Und auch wenn die grosse Mehrheit weiterhin den Handlauf nutzt, halten immerhin 60 Prozent ihn für unhygienisch. Da die Sturzgefahr auf Treppen jedoch besonders hoch sei, rät die BFU dazu, sich festzuhalten. Zum Schutz vor Viren sollten die Geländer regelmässig desinfiziert und /oder die Hände gewaschen werden.

HÜS

Mehr Infos zu den Umfragen finden Sie unter www.frutiglaender.ch/web-links.html


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