Staus ohne Ende?

  28.01.2022 Reichenbach, Kiental

VERKEHRSPLANUNG An den schönen Winter wochenenden sind Staus im Kandertal normal. An den letzten Sonntagen war die Situation zeitweise extrem, was zu entsprechenden Reaktionen und Forderungen geführt hat. Ist eine Entschärfung möglich?

HANS RUDOLF SCHNEIDER
Der Anblick der Scheinwerferkolonnen durch das Kandertal ist faszinierend. Wie Perlenschnüre ziehen sie sich am späteren Sonntagnachmittag talwärts, über die Nationalstrasse, aber auch via Schwandi-Kien und über die alte Hauptstrasse. Wer um diese Zeit aus den Skigebieten oder dem Süden in Richtung Mittelland fährt, muss zeitweise deutlich mehr Zeit einplanen, denn die Fahrt durchs Kandertal dauert länger als gewohnt. Gerade am vorletzten Sonntag kam auf den Oberländer Strassen übermässig viel zusammen: Der Rückreiseverkehr aus Richtung Interlaken und vom Lauberhorn-Rennen, die Ausflügler sowie die Besucher von Anlässen im Obersimmental trafen sich mit dem Transitverkehr aus dem Kandertal im Raum Spiez auf der Autobahn.

Verkehrsmenge als Hauptursache
Für zusätzliche Rückstaus und die Flucht auf Ausweichrouten sorgten Unfälle – einer auf der Autobahn unterhalb von Spiez. Eine Nachfrage bei der Kantonspolizei ergab, dass es kurz vor 15.30 Uhr ebenfalls in Reichenbach einen Auffahrunfall mit zwei Autos gab. «Verletzt wurde dabei niemand, und als die Patrouille vor Ort eintraf, befanden sich die beiden Fahrzeuge bereits nicht mehr auf der Fahrbahn», erklärte eine Mediensprecherin. Gemäss der ausgerückten Patrouille habe es bereits zum Unfallzeitpunkt in der Umgebung relativ viel Verkehr gehabt. «Zum Stau dürfte es nach unseren Feststellungen hauptsächlich durch die Verkehrsüberlastung gekommen sein», erklärt sie. Und ergänzt: «Wir machen nicht die Erfahrung, dass das hohe Verkehrsaufkommen im Kandertal zu grösseren Problemen mit dringlichen Dienstfahrten oder anderweitigen Einsätzen führt.» In aller Regel würden die Rettungsgassen gut funktionieren, so dass das Durchkommen für die Einsatzkräfte gewährleistet sei.

Forderungen an die Politik
Der ehemalige Reichenbacher Feuerwehr-Einsatzleiter Markus Rumpf hatte die extreme Verkehrssituation am vorletzten Sonntag in einem Leserbrief (siehe «Frutigländer Nr. 5/2022) ausgeführt. Die Belastung sei unerträglich, die Talquerung an solchen Tagen kaum möglich, die Anschlüsse von Bus auf Bahn zeitweise nicht zu gewährleisten und die Sicherheit gefährdet – gemeint waren allfällige Einsätze von Blaulichtorganisationen. Rumpf forderte Politiker, Tourismus und Gemeinden auf, endlich zu handeln und eine Lösung zu finden. Heftige Rückmeldungen gab es auch bei den Gemeindeverwaltungen von Reichenbach und Frutigen, wie dort bestätigt wird. Doch wie könnten Verbesserungen vor allem für die Einheimischen erzielt werden?

Reichenbach würde gern
Das Thema beschäftigt den Gemeinderat Reichenbach schon lange und immer wieder, wie Ratspräsident Hans Ulrich Mürner sagt. Gerade die Strasse von Frutigen über Schwandi und Kien bis zur Einmündung bei der Ampel sorgt für Diskussionen. Staus durch zu viel Verkehr könnten nicht lokal verhindert werden, das ist ihm klar. Aber die Anwohner dieses «Schleichwegs» zu entlasten, sei ein lokales Anliegen. «Diverse Abklärungen und Planungen von unserer Seite liegen vor. Wir sind dabei auf die Zusammenarbeit mit der Gemeinde Frutigen angewiesen, da nur ein Teil der Strasse auf unserem Gebiet verläuft. Wir können schlecht an der Gemeindegrenze eine Barriere aufstellen, die Autos können ja nicht wenden.» Er sieht als beste Möglichkeit die fixe Beschilderung in Frutigen mit einem Fahrverbot mit erlaubtem Zulieferdienst – das würde auch in den Navigationsgeräten die Schwandistrasse als Ausweichroute sperren. Der Gemeinderat Frutigen habe dies aber abgelehnt und die eigenen Bemühungen seien seit September 2021 auf Eis gelegt.

Frutigen winkt ab
Der Frutiger Ratspräsident – von Beruf Fahrdienstleiter und Mitglied der Geschäftsleitung der Automobilverkehr Frutigen-Adelboden AG – weiss um die Problematik. Hans Schmid gibt zu bedenken, dass auch innerhalb der Gemeinde Frutigen verschiedene Seitenstrassen als Ausweichrouten genutzt würden. «Das Hasli, Winklen und die alte Adelbodenstrasse vom Elsigbach über Reinisch sind davon betroffen. Wenn wir für die Schwandistrasse Massnahmen einführen, müssten wir im Sinne der Gleichbehandlung auch auf den anderen Strassen solche ergreifen. Das führt zu weit.» Er betont, dass sich diese problematischen Tage auf wenige Wochenenden und dann jeweils auf einige Stunden konzentrieren. «Ob dauerhafte Verbote verhältnismässig wären?», fragt er sich.

Schmid lässt allerdings ein Türchen offen und sagt, dass man allenfalls über zeitlich begrenzte und temporäre Verbote an einzelnen Tagen an der Schwandistrasse reden könne. Zudem ist ihm die Ampel in Reichenbach ein Dorn im Auge: «Wenn diese dauerhaft orange blinkt, geht der Lenker in Bremsbereitschaft oder verlangsamt bereits. Er kann ja nicht wissen, ob die Anlage nicht doch auf rot schaltet. Ist hingegen die Lichtsignalanlage aktiv, bringt sie die Kolonne sowieso zum Stehen.» Beides sei nicht ideal. Hans Schmid begrüsst deshalb die in Reichenbach geplante Kreisellösung, die flüssigeres Fahren durch das Tal ermöglichen werde (siehe Text unten).

Langfristige Lösung gesucht
Aus Sicht der Reichenbacher ist an den Wochenenden eine Lichtsignalanlage die bessere Lösung – wenn sie denn aktiv ist. So werde die Querung und die Einfahrt in die Nationalstrasse in nützlicher Zeit überhaupt erst möglich, wird argumentiert. Entsprechende Signale gibt es auch vom Gemeinderatspräsidenten.

Eine langfristige Lösung wäre ein Anschluss wie Frutigen Nord auf unterschiedlichem Strassenniveau, was aber im Bereich der Ampel mit der benachbarten Bahnlinie, der Kander und den neuen Tankstellen kaum mehr zu realisieren ist. Gegen eine Umfahrung oder sogar Untertunnelung des Dorfes Reichenbach sprechen die Kosten und der zu erwartende Widerstand des lokalen Gewerbes.

Um allenfalls die Verkehrsmenge im Kandertal zu beeinflussen, bringt Hans-Ulrich Mürner noch die heutige Subventionierung des Autoverlads am Lötschberg ins Spiel. Ohne diese wäre die Transitstrecke durchs Kandertal sicher weniger attraktiv.


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