PUNKTLANDUNG - Verschlafen wir den Anschluss?

  17.01.2023 Kolumne

Verschlafen wir den Anschluss?

Wir Schweizer sind Weltmeister im Bahnfahren im eigenen Land. Weniger spitzenmässig sind wir unterwegs, wenn es darum geht, Gästen aus dem Ausland die Anreise auf dem Schienenweg zu ermöglichen. Da machen es uns die Nachbarn im Osten vor, wie aktive CO2-Reduktion und komfortables Reisen gehen.
Zum einen engagiert sich die Österreichische Bundesbahn ÖBB für ein europaweites Nachtzugnetz. Zum anderen ermöglichen saisonale Fernverkehrsverbindungen vielen Wintersportlern die autofreie Ferienanreise. Allen voran nach Tirol: Gemeinsam mit dem ÖBB-Partner Deutsche Bahn, dem Land Tirol, der Tirol-Werbung und den lokalen Tourismusverbänden baut sie direkte Verbindungen in die Schneesportdestinationen aus. So wurde mit dem letzten Fahrplanwechsel der «Ski-Express Tirol» zwischen Hamburg und St. Anton am Arlberg eingeführt. Von Amsterdam fuhr am Vorweihnachtstag der erste TUI-Ski-Express-Nachtzug der Reiseunternehmen TUI und Green-CityTrip aus Amsterdam und Utrecht in die österreichischen Alpen nach Wörgl in Tirol und nach Salzburg. Er macht bis Mitte März halt in den wichtigsten Ferienorten entlang der beiden Strecken.
Auch die schwedische Bahngesellschaft Snälltåget fährt in die österreichischen Alpen. Seit dem 22. Dezember 2022 und bis zum 11. März 2023 geht es von Stockholm über Malmö und Hamburg gen Süden über das Inntal bis nach Innsbruck mit Halt auch in Kitzbühel.
Die zurzeit in der Kritik stehende Deutsche Bahn geht mit «Winter Rail» in die dritte Saison. Auf dieser Plattform sind fast 100 Wintersportdestinationen zu finden – darunter erfreulicherweise auch 14 in der Schweiz, etwa im Berner Oberland die Jungfrauregion und Gstaad. Als Erfolg des Konzepts wertet die DB die Tatsache, dass viele der aufgeführten Wintersportorte ihre Infrastruktur angepasst haben – beispielsweise im Bereich der «letzten Meile» –, um für ihre Gäste nebst der Anreise auch den autofreien Aufenthalt so einfach und angenehm wie möglich zu gestalten. «Winter Rail» bietet dazu die wichtigsten Informationen für die Ferienplanung: Bahnverbindungen in die g ewünschte Region, Übernachtungsmöglichkeiten, Sehenswürdigkeiten, Pisten- und Loipenkilometer, ÖV-Angebote am Ziel, Kauf von Skitickets, Wintersportverleihangebote und Webcams.
Zwar führen die Fahrpläne der Deutschen Bahn einzelne direkte ICEs über Basel in die Schweiz bis nach Chur und Interlaken, aber nur allzu oft sind sie so verspätet, dass sie schon in Basel wenden und die Reisenden in einen SBB-Ersatzzug umsteigen müssen. Die CityNightLine-Nachtzüge aus Hamburg und Amsterdam nach Brig über die Lötschberg-Bergstrecke mit Halt in Frutigen, Kandersteg und Goppenstein sind seit 2013 Legende. Und die SBB zeigen kein über eine simple Kooperation mit der ÖBB hinausgehendes Interesse am Ausbau des europäischen Nachtzugnetzes. Dafür fehlen gemäss Aussage des CEO Vincent Ducrot der Auftrag und das Geld.
Die ÖBB macht vor, wie man die sanfte Mobilität der Zukunft anpackt: Sie nimmt über 700 Millionen Euro in die Hand für den Bau von 33 siebenteiligen Nightjet-Zügen. Sie bietet damit dem Incoming-Tourismus auf der Schiene wertvolle und nachhaltige Impulse. Drängt sich da nicht eine analog vertiefte Zusammenarbeit von Schweiz Tourismus, Made in Bern und der SBB auf, um auch Wintersportgäste über die Schiene ins Berner Oberland zu holen? Oder verschlafen wir diese Chance?

KURT METZ

MAIL@KURTMETZ.CH


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