Das Nichtmelden eines Verkehrsunfalls ist strafbar

  28.02.2023 Gesellschaft

JUSTIZ Weil er einen Unfall verursacht hatte und weitergefahren war, ohne sich bei der Polizei zu melden, wurde ein Mann aus dem Frutigland zu einer saftigen Busse verurteilt. Vor dem Regionalgericht sah er sein Delikt ein und zog seine Einsprache gegen den Strafbefehl zurück.

PETER SCHIBLI
Am 3. Juni 2022 kurz vor 13 Uhr fuhr ein Frutigländer Kleinunternehmer mit seinem SUV und einem Anhänger auf der Lötschbergstrasse von Frutigen Richtung Reichenbach. Den Anhänger hatte er zu 70 Prozent mit Kies beladen. Ziel seiner Fahrt war das Verkehrsprüfzentrum Berner Oberland in Thun, wo er seinen Anhänger prüfen lassen musste. Auf der Höhe der Engstligenbrücke kam das Gefährt ins Schleudern. Mit viel Konzentration gelang es dem Fahrer, das Fahrzeug sowie den Anhänger «auf der Strasse zu halten» und ein Umkippen zu verhindern. Rund 400 Meter nach der Brücke, in einer Rechtskurve, geriet der Anhänger trotz der langjährigen, unfallfreien Fahrpraxis des Lenkers rund zwanzig Zentimeter auf die Gegenfahrbahn und touchierte ein entgegenkommendes Fahrzeug. Der sieben Meter weiter vorne sitzende Unternehmer bemerkte davon nichts und fuhr weiter.

Bei der Streifung entstand ein beträchtlicher Sachschaden: Dem entgegenkommenden Fahrzeug wurde der linke Seitenspiegel weggerissen. Ausserdem verursachte der Hebel der hinteren Anhängerladeklappe von der Fahrertür bis zum Heck des Personenwagens einen tiefen Kratzer. Ein Teil des Hecks wurde beschädigt. Ein zweiter, dem beschädigten Fahrzeug folgender Personenwagen wurde mit Kies überschüttet. Die Insassen blieben unverletzt, erlitten aber einen leichten Schock.

Die beiden Fahrzeuglenker wendeten bei der Tropenhaus-Ausfahrt und fuhren zurück Richtung Reichenbach, um den unfallverursachenden Fahrer des SUV zu stoppen. Da sie ihn nicht mehr erreichten, hielten sie bei der Coop-Tankstelle an, verständigten die Polizei und veranlassten telefonisch eine Reinigung des Strassenabschnittes.

Unfall bemerkt, aber nicht gemeldet
Kurz nach Reichenbach bemerkte der SUV-Fahrer, dass etwas mit seiner Ladung nicht stimmte und hielt bei der Tankstelle in Mülenen an. Erst dort stellte er fest, dass die Ladeklappe offen stand und er offenbar Kies verloren hatte. Statt sich bei der Polizei zu melden, fuhr er weiter und liess seinen Anhänger in Thun wie geplant prüfen. Anschliessend fuhr er zurück nach Frutigen.

Am Abend erhielt der Mann einen Telefonanruf der Polizei, die ihn mit dem Sachverhalt konfrontierte. Bei der anschliessenden Einvernahme bestätigte er, dass er zur fraglichen Zeit mit einem Anhänger auf der Lötschbergstrasse Richtung Reichenbach unterwegs gewesen war, beharrte aber darauf, dass er von der Kollision nichts bemerkt habe. Der Polizeirapport ging an die Staatsanwaltschaft Berner Oberland, die dem Frutigländer per Strafbefehl eine bedingte Geldstrafe in der Höhe von 2240 Franken und eine unbedingte Busse von 1000 Franken aufbrummte. Zusammen mit Kosten und Gebühren hätte er 2300 Franken zahlen müssen. Dagegen wollte sich der Unternehmer vergangenen Freitag vor dem Regionalgericht wehren. Er verstand nicht, weshalb er wegen pflichtwidrigen Verhaltens nach einem Unfall sowie wegen Vereitelung einer Blutprobe verurteilt wurde, obwohl er – so seine Aussage – den Unfall gar nicht bemerkt hatte.

Vor dem Regionalgericht bestätigten die als Zeugen vorgeladenen Autolenker der beschädigten Fahrzeuge den Sachverhalt. Noch im Gerichtssaal entschuldigte sich der Unternehmer bei diesen und fragte nach, ob der entstandene Schaden durch die Versicherung bezahlt worden sei.

Mit einer Blutprobe muss immer gerechnet werden
Vor Abschluss des Beweisverfahrens gab Gerichtspräsidentin Andrea Neuhaus dem Beschuldigten Gelegenheit, seine Einsprache gegen den Strafbefehl zurückzuziehen. Sie erklärte ihm, dass er spätestens in Mülenen, als er den Kiesverlust bemerkt hatte, die Polizei hätte kontaktieren müssen. Zum Vorwurf der vereitelten Blutprobe belehrte sie den Beschuldigten, dass eine solche immer angeordnet werden könne, auch wenn kein Verdacht auf Fahrunfähigkeit bestehe. «Bei einem Unfall muss man immer mit einer Blutprobe rechnen. Dies hat das Bundesgericht so entschieden», erklärte die Richterin.

Auf eine weitere Frage des Beschuldigten, ob die Busse einen automatischen Führerausweisentzug zur Folge haben werde, verwies ihn die Gerichtspräsidentin an die Administrativbehörde, das Strassenverkehrsamt, das darüber entscheiden werde. Seine Reaktion: Einen Monat Entzug könne er verkraften, aber drei Monate würden ihn beruflich wie privat in grosse Schwierigkeiten bringen.

Nach einer kurzen Bedenkzeit zog der Beschuldigte schliesslich seine Einsprache zurück. Damit sind die im Strafbefehl festgelegten Sanktionen und Kosten rechtskräftig. Hinzu kommt noch eine Gerichtsgebühr für drei Stunden Verhandlung.


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