JULI

So absurd es auch klingen mag: Für den TV Frutigen ist es im Nachhinein ein Glücksfall, dass er das Oberländische Turnfest (Bild unten) pandemiebedingt auf 2022 verschoben hat. Vor 100 Jahren fand nämlich das erste «Oberländische» auf Frutiger Boden statt – und so kann der Turnverein zur diesjährigen Ausgabe des Events gleich auch ein Jubiläum feiern. Die Dimensionen sind diesmal jedoch viel grösser. Statt mehrerer Hundert Teilnehmer sind es heuer mehrere Tausend. Kein Wunder, dass die Organisatoren nach eigenen Angaben «zwischenzeitlich an die Belastungsgrenze» kommen. Doch der Aufwand lohnt sich: Später wird das OK «mit einer wahnsinnig zufriedenen Müdigkeit» auf den Anlass zurückblicken.
Zufrieden sein könnte man theoretisch auch in Reichenbach, schliesslich liefert das Kleinwasserkraftwerk Howald seit seiner Inbetriebnahme 2020 zuverlässig Energie. Doch zwischen dem Verwaltungs- und dem Gemeinderat kriselt es: Die eine Seite wirft der anderen vor, sich zu stark einzumischen und Projekte zu blockieren. Als Konsequenz daraus tritt der gesamte Verwaltungsrat zurück. Der Gemeinderat weist die Vorwürfe von sich und hofft, dass die Wogen sich mit der Neubesetzung des Führungsgremiums glätten. Danach sieht es denn auch aus, als der VR im Dezember erstmals in neuer Zusammensetzung tagt.
Bessere Stimmung – oder passender ausgedrückt: Freude – herrscht zum 80. Geburtstag des alt Bundesrats Adolf Ogi. In Kandersteg wird ihm zu Ehren eine Sonderausstellung eröffnet und im «Frutigländer» kommen etliche Gratulanten aus dem Tal zu Wort.
Auch im Nachbardorf gibt es einen Anlass zu feiern. Nach zweimaliger Verschiebung findet endlich die 10-Jahr-Jubiläumsausgabe des Kandergrunder Dorffests statt. Zwei Tage und zwei Nächte lang wird den Besuchern allerhand geboten – von Kinderdisco und Gumpischloss bis hin zu Mundartrock und Tanzshows.

AUGUST

Es war absehbar, dass dieser Sommer heiss und trocken werden würde. Die Jakobsscheibe ist schliesslich bereits im Juni geschmolzen – und damit einen Monat früher, als sie sollte. Tatsächlich erweist sich das Schneefeld unterhalb des Elsighorns wieder als guter Gradmesser für die «Qualität» des Sommers. Gewässer sind zurzeit so warm und trocken, dass das Leben vieler Fische bedroht ist. So führt etwa der Fischereiverein Frutigen eine Notabfischung im Fröschenmoosbächli durch (s. Bild) und setzt die Tiere in der Kiene frei. Auch in den Bergen ist die Wasserknappheit zu spüren. Vereinzelte Alpbetriebe müssen per Helikopter beliefert werden, und die Reservoirs der SAC-Hütten reichen teils nicht für die ganze Saison. Das sonnige Wetter hat allerdings auch sein Gutes: Es beschert besagten Hütten rekordverdächtige Besucherzahlen – ebenso wie den Badis und der Hotellerie. Punkto Logiernächte wird Kandersteg den besten Sommer seit mindestens neun Jahren erleben.
Knapp ist nicht nur das Wasser, sondern nach wie vor auch das Lehrpersonal. Unter grossen Anstrengungen und teilweise mithilfe von Pensionierten und Studierenden gelingt es den Schulen im Tal aber, ohne Vakanzen ins neue Schuljahr zu starten. An der Primarschule Krattigen beginnt zugleich das erste Jahr ohne Barbara Luginbühl (s. Bild). Nach einem Vierteljahrhundert als Schulleiterin will sie sich nun anderen Projekten zuwenden, alte Hobbys pflegen und Neues ausprobieren.

SEPTEMBER

Jubiläen, wohin das Auge reicht: Grund zu feiern haben unter anderem der Tennisclub Frutigen, die Sportschützen Blausee-Mitholz, die Kleinkaliberschützen Frutigen, die Pfingstmission Frutigen und Kander Kultur. Besonders festlich geht es in Adelboden zu, wo man auf nunmehr 150 Jahre Tourismus zurückblickt. Der Berner Münsterpfarrer Karl Rohr und seine Frau waren 1872 die ersten zahlenden Feriengäste und inspirierten die Einheimischen zum Bau des ersten Hotels. Bis man im Dorf wirklich vom Fremdenverkehr leben konnte, gingen zwar noch etliche Jahre ins Land. Heute sind Touristen jedoch nicht mehr wegzudenken – im Winter schwillt die kleine Gemeinde bevölkerungsmässig zu einer Kleinstadt an. Unter dem Motto «Zämecho» wird das Tourismusjubiläum Ende September mit einem Festakt und einem grossen Umzug durchs Dorf begangen (s. Bild).
Wie gehabt bringt das Frutigland starke Berufsleute hervor. An den SwissSkills in Bern nehmen sechs junge Profis aus der Region teil – und drei von ihnen gewinnen Edelmetall. Gold gibt es für den Polymechaniker Dominic Brügger, Silber für die Gemüsegärtnerin Nicole Schneider und Bronze für Yaël Wehrli (Web Technologies).

OKTOBER

Der Herbstbeginn bringt dieses Jahr besondere Herausforderungen mit sich. Seit Wochen warnt der Bundesrat vor einer möglichen Strom- und Gasmangellage und hält die Bevölkerung zur Sparsamkeit an. Doch bisher scheint die Kampagne ihre Wirkung zu verfehlen: Es wird mindestens so viel Energie verbraucht wie sonst. Sollte der Strom diesen Winter wirklich knapp werden, muss die Politik notfalls mit Kontingentierungen reagieren – die dann von lokalen Anbietern wie den Licht- und Wasserwerken in Kandersteg und Adelboden umgesetzt werden müssen. Beide Firmen bereiten sich und ihre Kunden intensiv darauf vor und hoffen zugleich, dass der Ernstfall nie eintreten wird. Was aber schon jetzt klar ist: Die Strompreise steigen nächstes Jahr beiderorts stark an.
Eine eher stromsparende Tätigkeit ist das Lesen. Dazu laden im Oktober gleich zwei Neuerscheinungen mit Bezug zum Frutigland ein: die Biografie des langjährigen Weltcup-Rennleiters und Pistenchefs Hans Pieren (verfasst vom «Frutigländer»-Mitarbeiter Reto Koller) sowie ein Werk über die Geschichte der Tellenburg (siehe Foto). Letzteres stammt aus der Feder von Peter Fries und Hans Egli, die interessante neue Fakten über die alte Burgruine aufbereitet haben.
Einen Monat nach dem Anbau des Widi-Schulhauses in Frutigen wird auch der Neubau des Reichenbacher Kindergartens Dorf eingeweiht. Insgesamt 28 Betriebe sorgten im Auftrag der Gemeinde dafür, dass die Kinder jetzt mehr Platz und moderne Räume zur Verfügung haben. An den Kosten von 1,6 Millionen Franken beteiligte sich auch die Schweizer Patenschaft für Berggemeinden mit einem Förderbeitrag.

NOVEMBER

Obwohl das Swiss Chamber Music Festival (SCMF) für dieses Jahr bereits passé ist, beschäftigt sich der «Frutigländer» Anfang November noch einmal mit der klassischen Konzertreihe. Den Veranstaltern wird nämlich eine besondere Ehre zuteil: der Kulturpreis des Kantons Bern. In einer feierlichen Zeremonie nehmen Vertreter des SCMF die mit 30 000 Franken dotierte Auszeichnung entgegen (s. Bild). Laudator Jürg Bucher (CEO der Post) hält fest: «Das Festival würde es verdienen, zu einem kulturellen Leuchtturm in der führenden Tourismusregion Adelboden und Umgebung zu werden.»
Kultur der volkstümlicheren Art bietet das Freilichttheater Aeschiallmend. Mit seinen 13 Aufführungen des Stücks «Ds Chüejerglüt» hat das Ensemble diesen Sommer einen Rekordgewinn erzielt, den es nun an verschiedene Institutionen verteilt. Auch die ersten Freilichtspiele auf der Tellenburg übertreffen die Erwartungen der Organisatoren: Fast alle der 23 Vorstellungen sind ausverkauft, am Ende resultieren schwarze Zahlen. Geld in die Hand nehmen muss derweil die Niesenbahn AG. Das Unternehmen nutzt die Winterpause dazu, den Antrieb und die Steuerung in der oberen Bahnsektion zu erneuern. Buchstäblich kein leichtes Unterfangen: Tonnen von Material werden entweder mit der Bahn oder mit einem Helikopter hinauftransportiert. Ein besonderer Meilenstein ist die Montage des 3270 Kilo schweren Gegenrads (s. Bild). Das gesamte Projekt wird die Niesenbahn vier Millionen Franken kosten.

DEZEMBER

Kosten sparen respektive aufschieben möchte die Gemeinde Frutigen. Nach dem Nein der Stimmbevölkerung zur Steuererhöhung entschied der Gemeinderat, vorerst auf die Sanierung des Freibads zu verzichten – zum Missfallen des Liberalen Frutigen. Um eine Schliessung der maroden Badi zu verhindern, drängt die Partei auf eine baldige Umsetzung des bereits fertig ausgearbeiteten Sanierungsprojekts. Am 13. Dezember übergibt sie der Gemeinde 716 Unterschriften. Sobald diese von der Verwaltung geprüft sind, hat der Gemeinderat ein Jahr Zeit, auf die Initiative zu reagieren.
Freibäder sind in Adelboden zurzeit kein Thema. Hier wird erst einmal die Wintersaison eingeläutet – passenderweise mit frischem Naturschnee. Während im Dorf ganz traditionell Trychler am Werke sind, erklingen auf Sillerenbühl Alphörner. Dies ist jedoch nicht die einzige Neuigkeit, mit der die Bergbahnen Adelboden AG aufwartet: Ab der Saison 2023 / 24 beugt sich das Unternehmen den veränderten Gästebedürfnissen und steigt aufs sogenannte Dynamic Pricing um.
In Kandersteg freut man sich unterdessen über ein historisches Ereignis: die Wahl Albert Röstis zum Bundesrat. Nach Adolf Ogi ist Rösti bereits der zweite Kandersteger, der den politischen Olymp erklommen hat. Kein Wunder also, dass die Wahl im Dorf auf Grossleinwand übertragen wird und dass man das prominente «Eigengewächs» eine Woche später mit Pauken und Trompeten empfängt. Rösti gibt sich volksnah, als er mit dem Sonderzug in seinen Heimatort reist (s. Foto).

HÜS

JAHRESRÜCKBLICK 2022 – TEIL 2

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