Keine Steuersenkung, keine zusätzlichen Kompetenzen

  29.11.2022 Adelboden

An der Gemeindeversammlung vom vergangenen Freitag warfen die Anträge der Stimmberechtigten mehr Wellen als die traktandierten Geschäfte. Ein Bürger stellte die Legitimation der Versammlung für gewisse Geschäfte infrage.

RETO KOLLER
Der Traktandenreigen an der Adelbodner Gemeindeversammlung begann mit der Jungbürgerfeier. Gemeindepräsident Roger Galli begrüsste die heuer 18-jährig Gewordenen mit einer Lobrede auf die Freiheiten und die Rechte, die Schweizer BürgerInnen für sich beanspruchen dürfen. Eines dieser Rechte sollte im Laufe der Versammlung allerdings infrage gestellt werden.

Vorerst wählten die Anwesenden jedoch neue Kommissionsmitglieder. Dabei kam es zu einer Kampfwahl um den Sitz in der Planungs- und Baukommission. Lukas Baumann obsiegte dabei über seinen Mitbewerber Philipp Schütz. Für die restlichen Kommissionssitze gab es ebenso viele Kandidaten wie Plätze.

Kein Gehör für Steuersenkung
Nachdem der Gemeinderat das Traktandum «Baurechtsvertrag Adler-Areal» kurzfristig von der Traktandenliste gestrichen hatte (der «Frutigländer» berichtete), stellte Vizeobmann Willy Schranz das Budget 2023 vor. Dieses weist einen Aufwandüberschuss von 189 000 Franken aus, der ausschliesslich den Spezialfinanzierungen für Abfall- und Abwasserentsorgung geschuldet ist. Der Ertragsüberschuss von 388 000 Franken aus dem allgemeinen Steuerhaushalt stärkt den Fonds für die Spezialfinanzierung Liegenschaften im Verwaltungsvermögen. Ein Stimmbürger hielt den hohen Gemeindesteuerfuss von 1,99 für nicht mehr gerechtfertigt. Er hindere den Zustrom von ZuzügerInnen und fördere die Abwanderung. Er stellte den Antrag, ihn auf 1,89 zu senken. Finanzvorstand Schranz antwortete: «Wir stellten in der Finanzkommission bereits eine solche Berechnung an und kamen zum Schluss, dass eine Senkung aufgrund der kommenden Aufgaben nicht zu verantworten ist.» Er wies darauf hin, dass die beantragte Reduktion bei einem steuerbaren Einkommen von 70 000 Franken für eine Familie mit zwei Kindern nur gerade 270 Franken Minderbelastung ergebe. Die Versammlung folgte dem Rat und lehnte das Begehren mit deutlicher Mehrheit ab.

Die restlichen Traktanden betrafen den Ausbau der öffentlichen Bushaltestellen gemäss dem ab 2024 gültigen Behindertengleichstellungsgesetz, die Überführung der Liegenschaft am Kathrinenplatz ins Finanzvermögen und ein Nachkreditbegehren. Alle fanden einhellige Zustimmung.

«Unsere Gemeindedemokratie hat gelitten»
Im «Verschiedenen» meldete sich Markus Allenbach zu Wort. Der ehemalige Kadermann von Adelboden Tourismus sorgt sich um die Kultur der freien Meinungsäusserung in seinem Wohnort: «Unsere Demokratie hat gelitten – und sie leidet weiterhin», stellte er in den Raum und begründete dies mit der Aussage, dass wichtige Unternehmen ihre MitarbeiterInnen in ihrem Stimmverhalten direkt beeinflussen und so die direkte Demokratie aushebeln würden. Das sei einer fairen und breit abgestützten Meinungsbildung abträglich. Befangenheit mache sich in wichtigen Vorlagen breit. Allenbach stellte deshalb zwei Anträge: Erstens sei der Gemeindepräsident zu bevollmächtigen, eine geheime Abstimmung zu verordnen, falls er zum Schluss komme, eine offene Abstimmung würde die StimmbürgerInnen Repressalien aussetzen. Zweitens seien Entscheidungen von grosser Tragweite auch dann einer Urnenabstimmung zu unterziehen, wenn sie die im Gemeindereglement vorgesehene Limite von 1,5 Millionen Franken nicht erreichten. So sei sichergestellt, dass das Stimmvolk unabhängig von allfälligen Druckversuchen seine Meinung frei kundtun könne. Es gehe dabei vor allem um Baurechts-, Bürgschafts- und Planungsvorlagen.

Beide Anträge Allenbachs wurden klar abgelehnt. Der Gemeinderat muss sich folglich nicht zwingend mit ihnen auseinandersetzen. Allenbach hat mit seinem Votum allerdings ein Thema aufs Tapet gebracht, welches bei Gemeindeversammlungen immer wieder diskutiert wird, weil jeweils nur eine Minderheit der Stimmberechtigten anwesend ist. Beeinflussungen sind deshalb bei der Urform der direkten Demokratie nicht von der Hand zu weisen.

Zum Abschluss verabschiedete Obmann Markus Gempeler eine verdiente Mitarbeiterin. Die Gemeindeschreiberin Jolanda Trachsel-Lauber tritt nach 20-jähriger Arbeit für das Gemeinwesen von ihrem verantwortungsvollen Amt zurück. «Sie war das juristische Gewissen des Gemeinderates», meinte Gempeler. Sichtlich berührt verabschiedete sich die Kaderfrau mit kurzen Worten. Sie bleibt der Gemeindeverwaltung mit einer 40-Prozent-Stellung in anderer Funktion erhalten.


Kommissionswahlen

• Bau-, Planungs- und Landschaftskommission: Lukas Baumann-Sempach (neu)
• Schulkommission: Erika von Känel-Hehli (neu); Patricia Salathé-Wäfler (neu)
Strassen- und Wegkommission:
• Fred von Känel (bisher)
• Stefan Oester-Germann (neu)

RK

 


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