Die Spartageskarte polarisiert

  16.01.2024 Region

Aufs neue Jahr hat sich ein Systemwechsel bei den Gemeinde-Tageskarten der SBB vollzogen. Das Echo auf das neue Angebot ist sehr unterschiedlich: Vier Gemeinden im Tal haben es aus Prinzip oder mangels Nachfrage nicht eingeführt, drei probieren es – und fahren bis jetzt gut damit.

BIANCA HÜSING
Ziemlich genau 20 Jahre nach ihrer Einführung wurde die «Tageskarte Gemeinde» per Ende 2023 eingestampft. Lange Zeit als Erfolgsmodell gefeiert, wurde das Angebot in den letzten Jahren zunehmend zum Auslaufmodell – bis Corona sein Ende besiegelte. Die ohnehin sinkende Nachfrage hatte in der Pandemie ihren Tiefpunkt erreicht, sodass die drei Partnerorganisationen (Alliance SwissPass, Städte- und Gemeindeverband) 2020 beschlossen, die «Tageskarte Gemeinde» durch ein neues Modell zu ersetzen. Im vergangenen Februar präsentierten sie schliesslich die Lösung, auf die sie sich geeinigt hatten: die «Spartageskarte Gemeinde». Begrifflich unterscheidet sich das neue Angebot kaum vom alten – inhaltlich dafür umso mehr.

Mehr Möglichkeiten und mehr Aufwand
Neu gibt es keine ortsgebundenen Kontingente mehr, sondern nur noch ein schweizweites, auf das jede Gemeinde zugreifen kann. Der zentrale Unterschied für die NutzerInnen: Sie müssen ihre Spartageskarte nicht mehr an ihrem Wohnort beziehen, sondern können prinzipiell zu jeder beliebigen Gemeinde gehen – sofern diese überhaupt Spartageskarten anbietet. Eine Kandergrunderin könnte ihr Ticket nun also auch in Basel oder St. Gallen kaufen. Ist der Vorrat allerdings aufgebraucht, so ist er das schweizweit in jeder Gemeinde. Der zentrale Unterschied für die Gemeinden: Sie müssen kein bestimmtes Kontingent an Tickets mehr kaufen, das sie unter Umständen nicht loswerden. Sie gehen also nicht mehr in Vorkasse und tragen mithin kein finanzielles Risiko. Stattdessen erhalten sie eine Provision pro verkaufte Spartageskarte.

Auf den ersten Blick scheint das neue Konzept also vieles zu erleichtern. So teilte die Alliance SwissPass denn auch mit, dass Gemeinden und Städte hinter der neuen Lösung stünden; die Vizedirektorin des Schweizerischen Städeverbands sprach von einem «tollen ÖV-Produkt». De facto aber hält sich die Begeisterung in Grenzen. Schon kurz nach Bekanntgabe des Systemwechsels verkündeten viele Gemeinden, nicht mitziehen zu wollen. Das neue Angebot unterscheide sich kaum mehr von den Spartageskarten, die bei der SBB erhältlich seien. Im Gegenzug verursache es aber einen Mehraufwand für die Behörden. Neu gibt es nämlich acht verschiedene Preisstufen (1. oder 2. Klasse, Halbtax oder nicht, Früh- oder Spätbucher plus die jeweiligen Kombinationen daraus). Ausserdem sind die Tickets nicht online, sondern ausschliesslich am Gemeindeschalter erhältlich – wo der Gemeindemitarbeiter sie wiederum ausdrucken oder aufs Handy der Kundin schicken muss.

Aeschis Gemeindeschreiber ist positiv überrascht
Das Echo auf die «Spartageskarte Gemeinde» ist gleichwohl unterschiedlich. Einige Gemeinden lehnen sie ab mit der Begründung, sie wollten nicht als SBB-Schalter missbraucht werden. Andere dagegen erachten das Angebot als wichtige Dienstleistung für ihre Bevölkerung – insbesondere für ältere BürgerInnen, die ihre Tickets nicht online beziehen können oder wollen.

Im Frutigland verzichten vier von sieben Gemeinden auf die Einführung des neuen Angebots. Kandersteg hält die Verkaufsabwicklung für zu aufwendig und sieht «kaum Vorteile» gegenüber bestehenden Angeboten. Reichenbach und Krattigen bieten die Spartageskarte ebenfalls nicht an. Kandergrund hat sich 2021 bereits vom Vorgängermodell verabschiedet und will auch das neue nicht einführen. «Die Nachfrage nach den Tageskarten war so gering, dass wir uns damals über die Ortsbindung hinweggesetzt und die Tickets auch an Auswärtige verkauft haben. Andernfalls hätten wir jahrelang massiv draufgezahlt», sagt Gemeindeschreiber Martin Trachsel. Das neue System überzeuge ihn erst recht nicht.

Auch Aeschis Gemeindeschreiber Lukas Berger war zunächst sehr skeptisch, ist nun aber positiv überrascht. Aeschi bietet seit Anfang Januar die neue Spartageskarte an. «Es gab in den ersten zwei Wochen erstaunlich viele Anfragen. Das Bedürfnis, sich am Gemeindeschalter vergünstigte ÖV-Tickets zu holen, scheint immer noch vorhanden zu sein.» In den ersten Januartagen seien im Schnitt zwei Spartageskarten pro Tag verkauft worden. Auch sei das Handling einfacher als gedacht.

In Adelboden war die Nachfrage nach den Billetten immer schon gross. Gemäss Gemeindeschreiberin Mara Mazzarella wurden letztes Jahr 1046 von 1123 Tageskarten verkauft und im Vorjahr 1040 von 1095. Dass die Gemeinde nun auch den neuen Spartageskarten eine Chance gibt, erstaunt angesichts dieser guten Auslastung nicht. Eine Einschränkung gibt es indes: «Damit der Aufwand nicht zu gross wird, lassen wir keine Reservationen per E-Mail oder Telefon mehr zu», so Mazzarella. In Adelboden wird noch bis Ende Januar ein Restposten der alten Tageskarten angeboten. Gleiches gilt für Frutigen. Hier werden die Tickets allerdings im Tourist Center verkauft – sowohl die alten als auch die neuen.


Die Neuerungen auf einen Blick

• Es gibt keine gemeindeeigenen Kontingente mehr. Jeder Bürger kann in jeder Gemeinde eine Spartageskarte beziehen (sofern die Gemeinde sie anbietet).
• Die Spartageskarten können nur am Gemeindeschalter bezogen werden (Frutigen: Tourist Center).
• Die Tickets sind personalisiert. Eine Weitergabe ist somit nicht mehr möglich.
• Es gibt acht Preiskategorien zwischen 39 Franken (2. Klasse mit Halbtax und Buchung spätestens zehn Tage vor dem Reisetag) und 148 Franken (1. Klasse ohne Halbtax spätestens ein Tag vor der Reise).
• Im Tal bieten nur Adelboden, Aeschi und Frutigen die Spartageskarte an.

HÜS

Mehr Infos unter www.frutiglaender.ch im Bereich Web-Links


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