Wird das Freibad privatisiert?

  03.11.2023 Frutigen

Gleich drei Vorlagen kommen am 26. November zur Abstimmung an die Urne. Im Zentrum steht der Entscheid über die Sanierung der Badi. Dafür stehen zwei Varianten zur Auswahl, die am Infoanlass vom letzten Dienstag einige kritische Fragen aufwarfen.

HANS RUDOLF SCHNEIDER
Dass Frutigen auch weiterhin ein Freibad haben soll, steht kaum zur Debatte. Doch wem gehört dieses in Zukunft, wer betreibt es und vor allem: Wer bezahlt die anstehende millionenteure Sanierung? Darüber wird am 26. November an der Urne befunden. Zur Abstimmung stehen zwei Varianten, was das Verfahren nicht einfacher macht. Der Infoanlass des Gemeinderates am vergangenen Dienstag in der Sporthalle Widi war deshalb nötig, wie die Fragen aus dem Publikum zeigten.

Die beiden alternativen Vorlagen
Der frühere Gemeinderat Niklaus Liechti stellte die Gemeindeinitiative des Liberalen Frutigen vor, die das Freibadgeschäft wieder auf den Tisch gebracht hatte. Dieses Projekt entspricht dem bisherigen, aber aus finanziellen Gründen zurückgestellten Gemeindevorhaben für 2,68 Millionen Franken. Die Finanzierung des Umbaus und der Sanierung läge in der Verantwortung der Gemeinde – mit entsprechenden Folgen für den Haushalt. Das Land bliebe allerdings in Gemeindebesitz und die Parkplatzeinnahmen landeten weiterhin in der Gemeindekasse.

Anschliessend erläuterte Vize-Gemeinderatspräsident Thomas Gyseler den Gegenvorschlag des Gemeinderates, der den Verkauf der gesamten Parzelle von knapp 20 000 Quadratmetern an die Brügger HTB GmbH für einen symbolischen Franken vorsieht. Vertraglich geregelt wären Investitionen von mindestens 2,5 Millionen Franken in die Sanierung und Attraktivierung des Freibades innert vier Jahren. Der Betrieb würde wie bisher durch die Sportzentrum Frutigen AG parallel zu deren Hallenbad erfolgen. Die Gemeinde wäre so von den Sanierungskosten entlastet und würde mit der Tilgung des Baurechts für einen Teil der Parzelle (mit Kletterturm und Minigolfanlage) von der neuen Besitzerin einmalig entschädigt.

Was ist mit dem Hallenbad?
Während der Diskussion in der gut besetzten Widi-Halle wurde der Gemeinderat mit einigen Fragen quasi ins Schwimmen gebracht. «Was passiert mit dem Hallenbad?», war eine davon. Schliesslich stellte sich nach einigem Hin und Her heraus, dass auch jenes Land an die Brügger HTB gehen würde, auf dem im Baurecht das Hallenbad steht. Der entsprechende Vertrag mit der Sportzentrum Frutigen AG würde übernommen, denn Brüggers und das Frutigresort hätten grösstes Interesse daran, dass es wie bisher weitergeht, versicherte Mitinhaber Beat Brügger. Klar ist, dass die Firma kaufen will und kein Interesse an einem Baurecht hat. «Wir haben noch einige Pläne», so Brügger. So ist bekanntermassen ein Verbindungsbau zwischen Frutigresort und Hallenbad mit zentralem Eingangsbereich vorgesehen. Und: «Wir wollen das attraktivste Freibad der Region werden und das Frutigresort soll mit der ausländischen Konkurrenz mithalten können.» Dazu könnte irgendwann auch die Integration des Hallenbadbetriebes gehören.

Detailfragen zur Barriere
Diskutiert wurde auch die Parkplatzsituation. Mit dem Angebotsausbau wäre ein zusätzliches Parkdeck über dem heutigen Schwimmbadparkplatz geplant. Dieses würde von der Brügger HTB finanziert, in der Folge flössen auch die Einnahmen in deren Kasse. Dass die Zufahrt vom bewirtschafteten Parkplatz zu den kostenfreien Kundenparkplätzen des Frutigresorts durch eine Barriere mit Nummernerkennung abgesperrt und nur für Berechtigte geöffnet werden soll, brachte die Diskussion nochmals in Fahrt. Das Fazit: Auch andere Lösungen müssen wohl noch genauer abgeklärt werden.

Die Herausforderung Stimmzettel
Die Variantenabstimmung hat so ihre Tücken. Es besteht die Möglichkeit, sowohl der Gemeindeinitiative als auch dem Gegenvorschlag zuzustimmen und in einer Stichfrage anzugeben, welche umgesetzt werden sollte, falls beide angenommen würden. Dabei besteht das Risiko, dass beide Vorlagen für sich genommen eine Nein-Mehrheit erzielen und so keines der beiden Sanierungsprojekte umgesetzt werden kann oder muss. «Es droht ein Nein zur Sanierung der Badi, auch wenn eine Mehrheit eigentlich dafür ist», erklärte Niklaus Liechti. Kein Wunder, dass die Unterstützer der Vorlagen jeweils für ein doppeltes Ja warben sowie für die Angabe der eigentlichen Präferenz in der Stichfrage. Nur so sei garantiert, dass es überhaupt eine Freibadsanierung geben werde – wenn man dies denn auch wolle.

Lebensverlängerung für die Tellenburg
Nebst der Freibad-Sanierung steht auch jene der Tellenburg zur Abstimmung. In den letzten Jahren wurde bereits einiges an Geld und viel Herzblut in die Ruine investiert. Sie wurde durch die neue Sanitäranlage, den Festplatz und den regelmässigen Unterhalt des Vereins Burgfreunde Tellenburg zu einem attraktiven Ausflugsziel. Damit sie auch weiterhin so genutzt werden kann, muss als nächster Schritt die bauliche Sanierung erfolgen.

Die mittelalterlichen Mauern bröckeln, ein Teil der Burg ist für Besucher bereits heute aus Sicherheitsgründen abgesperrt. Einzelne Mauerteile müssen sogar abgebaut und neu aufgemauert werden, zudem muss man die Treppen, Podeste und Geländer an heutige Normen anpassen. 1,844 Millionen Franken beantragt der Gemeinderat für die Sanierung. Unter Berücksichtigung von Beiträgen des Bundes, des Kantons, des Lotteriefonds und einer Entnahme aus dem Legat Erna Büschlen bleiben der Gemeinde als Burgbesitzerin Kosten von 600 000 Franken netto.

Aus dem Publikum kam der Hinweis, dass auch ein Grossteil dieser Beiträge grundsätzlich Steuergelder seien. Kritik wurde an den 300 000 Franken für den archäologischen Dienst des Kantons geäussert, der das Vorhaben begleiten würde. Der zuständige Gemeinderat Markus Grossen-Brenzikofer wies darauf hin, dass das zwar störend sei, allerdings ohne Beizug dieser Fachleute andere Beiträge nicht fliessen würden.

Warum die sanierten Mauern künftig nicht mit einem Dach geschützt würden, erklärte Projektverfasser Hansruedi Marti: «Es herrscht die Ansicht beim Kanton, dass eine Ruine eine Ruine bleiben muss. Das wird sich vielleicht einmal ändern. Ein Schutzdach ist zwar gewünscht, aber derzeit nicht realisierbar.» Bei einem Ja soll 2024 bis 2026 gebaut werden, aber jeweils nur im Sommerhalbjahr, was unter anderem durch den Einsatz von temperaturempfindlichen Materialien wie Kalkmörtel bedingt ist.

Steuererhöhung derzeit kein Thema
Eine zentrale Frage durfte angesichts dieser Projekte nicht fehlen: Hat Frutigen genug Geld für die Umsetzung? Gemeinderatspräsident Hans Schmid beteuerte, dass die Ausgaben im Investitionsplan eingestellt seien respektive noch würden und man derzeit keineswegs im Sinn habe, eine Steuerhöhung anzugehen. Die letzte solche Vorlage ging anfangs 2022 bachab und hatte zur Folge, dass die Freibadsanierung gestoppt wurde.

Die Abstimmungsbotschaften finden Sie unter www.frutiglaender.ch im Bereich Web-Links.


Weitere Urnenvorlage: Mehr als Kosmetik fürs Gemeindehaus

Auf den 1. Januar 2026 wird die regionale Bauverwaltung eingeführt, sofern die beteiligten Gemeinden zustimmen. Dies sind Adelboden, Kandersteg, Kandergrund und Reichenbach sowie die Sitzgemeinde Frutigen. Die Zusammenlegung der administrativen Arbeiten – über Bewilligungen entscheiden die Gemeinden weiterhin selbst – bedeutet für Frutigen, dass die Bauverwaltung zusätzliche Arbeitsplätze benötigt. Dies und die dringend notwendige energetische Sanierung haben zu einem Aus- und Umbauprojekt für das Gemeindehaus geführt. Der vollwertige Ausbau des heutigen zweiten Obergeschosses und das Aufstocken mit einem dritten Geschoss sollen für die nächsten 10 bis 15 Jahre den nötigen Raum sowie moderne Arbeitsplätze ermöglichen. Die Kosten belaufen sich auf 2,3 Millionen Franken.
Am Infoanlass letzten Dienstag wurde unter anderem nach dem benachbarten Rüeggerhaus gefragt, in dem die Bauverwaltung heute sitzt. Der dortige Platz werde weiterhin genutzt, hiess es. Auch der ausgelagerte regionale Sozialdienst bleibt, wo er heute ist. Während der Umbauphase sind einzelne temporäre Arbeitsplätze in Containern denkbar, aber grundsätzlich soll die Verwaltung am gewohnten Standort arbeiten können.

HSF


KOMMENTAR

Muss das sein?
Die Variantenabstimmung zum Freibadgeschäft ist nicht einfach zu erklären. Dazu hätte es auch gar nicht erst kommen müssen. Die Gemeindeinitiative des Liberalen Frutigen hat ihr wichtigstes Ziel schon vor der Abstimmung erreicht: Damit die Sanierung nicht auf die lange Bank geschoben wird, sorgten die 692 gültigen Unterschriften dafür, dass der Gemeinderat eine Abstimmung vorbereiten musste. Dass er dabei nebst dem ursprünglichen Projekt gemeinsam mit der Brügger HTB innert Jahresfrist eine Alternative ausgearbeitet hat, ist bemerkenswert. Der Vorschlag, das Freibad zu verkaufen – unter der Auflage, dieses zu sanieren –, hat Vorteile. Die potenziellen Käufer haben grösseren wirtschaftlichen Spielraum, die Gemeinde kann Kosten vermeiden und dank der Zone für öffentliche Nutzung und der erforderlichen Baugesuche bleibt das Mitspracherecht der Bevölkerung durchaus bestehen. Die A usgangslage mit zwei sich stark konkurrierenden Vorschlägen bringt offensichtlich sogar Initianten der Initiative in Entscheidungsnöte, ob sie nicht den Gemeinderatsvorschlag unterstützen sollen. Ein Rückzug der Initiative wäre nachvollziehbar respektive sinnvoll gewesen.

HANS RUDOLF SCHNEIDER H.SCHNEIDER@FRUTIGLAENDER.CH


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