Der Pionier unter den Tandem-Piloten
07.09.2018 SportEr ist ein Gleitschirmflieger erster Stunde, machte «Hike und Fly», bevor dieser Begriff überhaupt bekannt war. Ruedi Grossen liess in den letzten 30 Jahren viele Passagiere abheben. Nun will der Kandersteger kürzertreten.
ELSI RÖSTI
Kaum war das ...
Er ist ein Gleitschirmflieger erster Stunde, machte «Hike und Fly», bevor dieser Begriff überhaupt bekannt war. Ruedi Grossen liess in den letzten 30 Jahren viele Passagiere abheben. Nun will der Kandersteger kürzertreten.
ELSI RÖSTI
Kaum war das Gleitschirmfliegen in der Schweiz zugelassen, holte sich Ruedi Grossen das Pilotenbrevet. Dies war 1986, und schon am Tag nach der erfolgreichen Prüfung stieg er mit seinem Kollegen Fritz von Känel aufs Doldenhorn. Von dort oben wagten die beiden etwas, was damals in der Schweiz noch kaum jemand gemacht hatte: nämlich einen Start auf dem Gletscher. Ruedi Grossen erzählt: «Wir hatten Herzklopfen. Bevor wir abhoben, schauten wir uns nochmals kurz in die Augen, denn dieser Moment war doch sehr emotional und aufregend.»
147 Flüge im ersten Jahr
Das Flugfieber hatte ihn definitiv gepackt: Allein 1986 flog er 34-mal von der First und 8-mal von der Bire und absolvierte insgesamt 147 Flüge. «Wir waren damals fast wie eine Familie», erzählt Grossen und meint damit örtliche Kollegen und Kolleginnen, mit denen er das neue Hobby intensiv betrieb. Bei allen Erfolgserlebnissen verschweigt er nicht, dass er den Gleitschirm wegen schlechter Bedingungen etwa vom Mönch oder von der Jungfrau wieder heruntertragen musste.
Nach zwei Jahren Fliegen absolvierte Grossen die Ausbildung zum Fluglehrer und Tandempiloten. Da es damals noch keine Tandemschirme gab, wurde einfach mit dem grössten Schirm für Einzelpersonen geflogen. Daraufhin arbeitete er während einiger Jahre hauptberuflich als Fluglehrer bei der örtlichen Flugschule von Fredy Krähenbühl sowie in Engelberg und im Winter als Langlauflehrer. In Erinnerung bleiben ihm auch die Gleitschirmflüge im Gasterntal, die er 1990 als Double für den Film «Das vergessene Tal» ausführen konnte.
Abheben mit «Ruedair»
Rückblickend meint er: «Es war eine sehr intensive Zeit, und ich war damals als junger Vater allzu oft weg von zu Hause.» Als er wieder auf seinem Beruf als Automechaniker arbeitete, bot er nebenberuflich unter dem Namen «Ruedair» Tandemflüge an. Waren es anfangs Bekannte oder Verwandte, die er auf seine Flüge mitnahm, kamen mit der Zeit auch Anfragen von Tourismusbüros, Hotels, dem Pfadizentrum und dem Alpin Center hinzu. «Mein Arbeitgeber, die Waldegg Garage in Frutigen, war immer sehr entgegenkommend», rühmt der erfahrene Gleitschirmpilot. Als Werkstattchef kann er seine Arbeit selber einteilen und so liessen sich bei schönem Wetter jeweils die gebuchten Tandemflüge durchführen. Mit seinem Schirm durfte er auch für verschiedene Firmen Werbung machen.
Zahlreiche Personen aus verschiedenen Ländern hat er in all den Jahren begleitet und ihnen die Schönheit der Alpen gezeigt. Seine drei Töchter nahm er bereits im Alter von vier bis fünf Jahren mit zum Fliegen. Die älteste Passagierin war hingegen eine 80-jährige Frau. Eindrücklich waren für ihn auch Flüge von Passagieren mit einer Beeinträchtigung. Da sich mit der Zeit die Anfragen häuften und er nicht mehr alles selbst machen konnte, begann er, andere Tandempiloten zu engagieren. Heute besteht das Team aus sieben Fliegern und einer Fliegerin.
Gleiches Team, neuer Lead
Jetzt, nach 30 Jahren, will Grossen kürzertreten. Er ist dankbar, dass er in all den Jahren keinen Unfall hatte, was nicht selbstverständlich ist. Ab Sommer 2019 werden die Tandemflüge in Kandersteg mit dem gleichen Team, aber neu unter der Leitung von Daniel Hofer angeboten. Ruedi Grossen wird als Aushilfe weiterhin mithelfen, und alle ausgestellten Gutscheine können noch bei ihm eingelöst werden.