LESERBRIEF ZUR GEPLANTEN HÄNGEBRÜCKE IN ADELBODEN
21.09.2018 Adelboden, LeserbriefEin fragwürdiges Projekt
Ich verbringe seit 47 Jahren meine Ferien in Adelboden und betrachte das Entschligtal als meine zweite Heimat. Umso mehr entsetzt mich das geplante Hänge brückenprojekt.
Auch wenn ich nachvollziehen kann, dass die Herausforderung für die ...
Ein fragwürdiges Projekt
Ich verbringe seit 47 Jahren meine Ferien in Adelboden und betrachte das Entschligtal als meine zweite Heimat. Umso mehr entsetzt mich das geplante Hänge brückenprojekt.
Auch wenn ich nachvollziehen kann, dass die Herausforderung für die Brückenbauer äusserst verlockend ist, finde ich die Argumente, mit denen diese für die Brücke werben, sehr un seriös.
1) Es ist löblich, dass die Firma Swissrope beim Bau ihrer Brücken darauf achtet, am Installationsplatz möglichst wenig Wald zu roden. Aber: In der Folge erhoffen sich die Betreiber der Brücke in den Sommermonaten 150 000 Besucher (das entspricht etwa 821 Besuchern / Tag). Bei ihrer Argumentation halten Vater und Sohn Lauber es nicht für nötig, auf die Lärm- und Abgas-Emissionen hinzuweisen, die durch einen solchen Ansturm nicht nur auf Adelboden, sondern auch auf alle Ortschaften zwischen Adelboden und Spiez zukommen würden. Für derartige Besucherströme müsste zudem mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Parkplatz gebaut werden, wobei es dann vermutlich nicht mit dem Fällen einzelner Bäume getan wäre – was einen massiven Eingriff in die (noch) intakte Landschaft bedeuten würde.
2) Theo Lauber möchte mit seinem Bauwerk den modernen Menschen die Natur näherbringen. Wenn jemand unfähig ist, vom Talgrund aus die Schönheit des Tales wahrzunehmen, wird auch eine Brücke diese Blindheit nicht kurieren. Adelboden kann gut auf diese Sorte Besucher verzichten!
Ausserdem sind hohe Brücken bei Selbstmördern sehr beliebt, und es gibt genügend Dummköpfe, die für ein spektakuläres Foto Kopf und Kragen riskieren und sich auch einmal über eine Absperrung wagen. Um Abstürze jeglicher Art – die einen Ferienort in Verruf bringen würden – zu verhindern, muss das Geländer eine entsprechende Höhe erhalten. Wenn die Brückenbesucher aus Sicherheitsgründen die Welt durch Maschendraht betrachten müssen, bleibt jedoch die viel gepriesene Naturnähe auf der Strecke.
3) Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass ein Computermodell immer noch ein Modell ist, das nicht zwingend auf die Wirklichkeit übertragbar sein muss. Selbst ein Computer kann nicht mit sämtlichen Eventualitäten rechnen – und eine wartungsfreie Brücke in 365 Metern Höhe klingt für mich alles andere als vertrauenserweckend. Material kann ermüden, Elektronik kann versagen und Ingenieure können sich verrechnen. «Tand, Tand ist das Gebilde von Menschenhand», wie Fontane in seinem Gedicht über den Einsturz der Brücke am Tay schreibt (die damals ebenfalls als eine technische Meisterleistung galt) ...
Es gibt mit Sicherheit andere Möglichkeiten, den Sommertourismus zu beleben, ohne dass Adelboden sein grösstes Kapital – die unverbaute Natur – für ein so fragwürdiges Projekt wie die geplante Hängebrücke verschleudern muss.
ULRIKE MAHLING, SCHLEITHEIM (SH)