Die Balance zwischen Belastung und Erholung

Vor rund einem halben Jahr habe ich meine aktive Zeit als Leistungssportler beendet. Der Einstieg ins «normale» Berufsleben ist mir gut gelungen und mein abwechslungsreicher Alltag bereitet mir Spass. Neben meinem Arbeitspensum als Hochbauzeichner und meiner Weiterbildung bleibt mir nicht immer so viel Zeit für die Bewegung wie gewünscht, aber es gibt immer noch mehrere kurze Trainings pro Woche.
Bereits als aktiver Athlet habe ich über den Sport als Lebensschule geschrieben. Doch erst jetzt, respektive in den folgenden Jahren, wird sich zeigen, ob die gelernten Lektionen im «Leben» einsetzbar sind. Begonnen hat es gut: Ich durfte aus verschiedensten Jobangeboten wählen. Es scheint zumindest, als wären die Eigenschaften eines Sportlers auch in der Berufswelt gefragt. Einige Erfahrungen konnte ich bereits in den ersten Monaten in meinen Alltag integrieren. Immer wieder beobachte ich an mir gewisse Verhaltensmuster aus dem Sport. Einige sind ganz hilfreich, andere wären schlicht nicht mehr nötig. Eine wichtige Erfahrung aus der «Lebensschule Sport» ist definitiv die Balance zwischen Belastung und Erholung. Zugleich war genau dies die Lektion, welche mich in den ersten Monaten nach dem Sport am meisten herausforderte.
Als Sportler war für mich das Verhältnis zwischen Training und Regeneration von zentraler Bedeutung. Ein gutes Energiemanagement war der Grundstein dafür, mich weiterzuentwickeln. Denn die Trainingsreize entfalten ihre Wirkung in den Ruhephasen. So wurden im zweiten Teil meiner Aktivzeit nicht mehr nur die Trainingseinheiten geplant, sondern auch die Erholungsphasen. Die Planung war ein wichtiges Hilfsmittel, aber noch zentraler war es, den eigenen Körper im Hier und Jetzt wahrzunehmen. Die Zeichen richtig zu interpretieren, war dabei nicht immer ganz einfach. Etwas müde Beine waren zum Beispiel kein Grund, das Training einzustellen, sonst wäre der geforderte Trainingsumfang nie möglich gewesen. Es war vielmehr wichtig, den Körper als Ganzes wahrzunehmen und richtig auf seine Signale zu reagieren. Manchmal fühlte ich mich nach intensiven Trainingscamps super, obwohl ich in dieser Zeit extrem viel von meinem Körper gefordert hatte. Die positiven Gefühle und die Zufriedenheit überdeckten die Müdigkeit etwas. Es bestand also die Gefahr, übermotiviert in die nächste Trainingsphase zu starten. Andererseits habe ich erlebt, dass kopflastige Aufgaben mehr Energie kosteten als angenommen. Dabei habe ich das Kennenlernen des eigenen Körpers als ständigen Lernprozess erlebt. Die Situationen und Einflüsse änderten sich, und so gab es immer wieder Neues zu entdecken. Rückblickend würde ich die gute Balance zwischen Belastung und Erholung als einen der wichtigsten Erfolgsfaktoren im Sport bezeichnen.
Der Leistungssport bietet in diesem Bereich ein gutes Lernfeld, denn in kaum einem anderen Job wird die Leistungsfähigkeit so häufig überprüft wie im Sport. Somit können in den meisten Fällen gröbere Überbelastungen frühzeitig erkannt werden. Natürlich ist es nicht immer ganz einfach, diese Grenzen zu akzeptieren, doch es ist sehr wichtig.
Schaue ich auf die letzten Monate zurück, habe ich mich hin und wieder dabei ertappt, wie ich das Gleichgewicht zwischen Belastung und Erholung, oder eben jetzt Arbeit und Ruhe, eher auf der Seite der Arbeit belastet habe. Wie im Sport habe ich bewusst Ruhezeiten eingeplant, um besser gerüstet zu sein für den Alltag. Ich bin sicher, die Lektion «Belastung und Erholung» wird mich auch die nächsten Jahre begleiten. Gelingt es mir, diese Balance zu halten, bin ich langfristig «erfolgreicher» unterwegs.

MATHIAS INNIGER

INFO@MATHIAS-INNIGER.CH

KOLUMNE – SPORT ALS LEBENSSCHULE

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