DIE KOSTEN DER LIEBE

Kaum etwas ist so allgegenwärtig und gleichzeitig so unerklärlich wie die Liebe. Sie ist das populärste Sujet in Literatur und Film, kaum ein Song kommt ohne amore aus, und selbst Fastfoodketten malträtieren uns mit ihren Gefühlen («Ich liebe es»). Seit Menschengedenken versuchen Geistes- und Naturwissenschaftler, dem Wesen der Liebe auf die Spur zu kommen: Ist sie ein Gefühl? Eine Entscheidung? Ein Irrweg? Richtet sie sich auf Menschen, auf Gegenstände oder nur aufs Ego? Ist sie körperliches Begehren, freundschaftliche Zuneigung oder göttliche Hingabe?
Wem diese Fragerei missfällt, der sei entwarnt: Das grösste Mysterium der Menschheit scheint gelöst. 2500 Jahre nachdem der griechische Philosoph Platon sein «Symposion» verfasst hatte – das Standardwerk über die Liebe –, hat endlich jemand eine griffige Formel für dieses Phänomen gefunden: die Kantonspolizei Bern! «Echte Liebe kostet nichts», verkündete die Hobbyphilosophin neulich in einer Medienmitteilung. Der Auslöser dieses definitorischen Durchbruchs ist allerdings ein trauriger: 2018 musste die Kantonspolizei über 50 Mal gegen Liebesbetrüger im Internet ermitteln. Was mit harmlosen Chats begann, endete für die Betroffenen im finanziellen Desaster. Insgesamt 1,5 Millionen Franken haben sich die Herzensbrecher dadurch ergaunert, dass sie ihren Opfern grosse Gefühle weismachten und mit «durchaus glaubhaften Geschichten» um Geld baten. Die Polizei übt sich deshalb nun in der Disziplin Lebensberatung und empfiehlt: «Seien Sie misstrauisch, wenn jemand sehr schnell oder ohne Sie zu kennen von grosser Liebe schreibt.»
Selbsterklärend, finden Sie? Selbst schuld, wer so leichtgläubig ist? Nicht ganz. Die Anthropologin Helen Fisher hat beobachtet, dass bei Verliebten dieselben Hirnregionen aktiv sind wie bei Drogenabhängigen. Liebe – auch vorgegaukelte – macht süchtig, kopflos und führt zu undurchdachten Entschlüssen. Fishers Fazit: «Niemand übersteht die Liebe unbeschadet!»
Für die Kantonspolizei heisst das nun leider, dass ihr Ausflug in die Philosophie vergebens war – ihre Definition ist falsch. Auf den Rat der Behörde zu hören, lohnt sich aber umso mehr. Auch, wenn bald Weihnachten ist.

BIANCA HÜSING

B.HUESING@FRUTIGLAENDER.CH

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