Ein Coach für sechs Schulen
26.02.2019 FrutigenSeit sieben Monaten ist Patrick Teutschmann Schulleiter für mehrere Bäuertschulen. Obgleich er nicht aus dem Tal stammt, ist er überzeugt von den Stärken dieses Schultyps. Gespannt verfolgt er die Diskussion um die Klassenschliessung an Winklen.
MARK POLLMEIER
Seit sieben Monaten ist Patrick Teutschmann Schulleiter für mehrere Bäuertschulen. Obgleich er nicht aus dem Tal stammt, ist er überzeugt von den Stärken dieses Schultyps. Gespannt verfolgt er die Diskussion um die Klassenschliessung an Winklen.
MARK POLLMEIER
Patrick Teutschmanns Büro befindet sich im Schulhaus Reinisch. Und es wird genutzt: Kaum eine Stelle im Raum, die nicht belegt ist. An einer Pinwand hängen die Klassenfotos verschiedener Schulen. Ein Flipchart ist voll mit Ablaufdiagrammen, Belegungs- und Stundenplänen, To-do-Listen. Selbst die hohen Türen des Aktenschranks sind zum erweiterten Schreibtisch umfunktioniert und mit Papier gepflastert. Man merkt: Hier gibt es einiges zu organisieren.
Für sechs Schulen ist Teutschmann zuständig. Reinisch, Winklen und Oberfeld sind eher zentrumsnah, Elsigbach, Ried und Rinderwald etwas abgelegen Richtung Adelboden. Wie präsent kann – oder muss – ein Schulleiter an «seinen» Schulen sein?
«Feste Vor-Ort-Sprechstunden habe ich nicht», erklärt Teutschmann. «Ich versuche, regelmässig an allen Schulen vorbeizuschauen, und nicht nur, wenn es Probleme gibt.» Ansonsten treffe und bespreche er sich regelmässig mit seinen Standortleitern. «Und natürlich bin ich hier erreichbar.»
Eingreifen nur, wenn nötig
Ein 75-Prozent-Pensum hat der Thuner an den Frutiger Bäuertschulen. Bislang habe er das wohl regelmässig überschritten, schätzt er. Aber das sei normal. «Ich musste mir ja erst mal ein Bild machen, die Leute kennenlernen, schauen, was läuft und vor allem Vertrauen schaffen.»
Sport gehört zu Teutschmanns Leidenschaften, jahrelang hat er als Trainer gearbeitet. So verwundert es nicht, dass er immer wieder einmal entsprechende Vergleiche einfliessen lässt. So ein Mitarbeiterteam sei ja ähnlich wie eine Mannschaft, findet der 49-Jährige. Und die baue ein Coach auch nicht ohne Not um. «Zuerst einmal beobachtet man viel, schaut, wie das Team funktioniert. Eingreifen sollte man erst dann, wenn man über die notwendigen Erkenntnisse verfügt und solche Eingriffe für Mensch und Qualität der Arbeit, hier Unterrichtsqualität, förderlich sind.
Offenbar hat der «Trainer» grosses Vertrauen in die Fähigkeiten seines Teams. «Ich darf mit sehr kompetenten Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten», lobt Teutschmann, «Leute mit Leidenschaft, die kreativ und flexibel sind.» Auch mit den Schülern gebe es sehr wenige Probleme. «Die Zusammenarbeit mit Lehrpersonen und Schülerinnen und Schülern macht mir wirklich grosse Freude, wir haben einen guten Draht zueinander gefunden.»
Dazu trägt womöglich auch Teutschmanns offene Art bei. «Mir ist zum Beispiel wichtig, Probleme direkt anzusprechen und nach Lösungen zu suchen», sagt er. Das halte er auf der Arbeit nicht anders als im Privaten. «Ich versuche da, authentisch zu sein. Die Leute sollen wissen, woran sie sind.»
Verantwortung für Schüler, Lehrer, Eltern
Wissen, woran man ist – zumindest an der Schule Winklen ist das derzeit nicht der Fall. Bis zum 1. März muss Teutschmann sich gedulden. Erst wenn die ausserordentliche Gemeindeversammlung über die Oberstufen-Klasse entschieden hat, wird er das kommende Schuljahr planen und entsprechende Lösungen suchen können. Teutschmann kennt die Verhältnisse vor Ort schon recht gut, er unterrichtet selbst mit einem kleinen Pensum an der Schule Winklen. Allzu viel sagen will er dazu trotzdem nicht. «Ich bin Schulleiter, kein Politiker.» Aber natürlich beschäftigt ihn die Situation. Die Schule sei ihm wichtig. Er spüre besonders die Verantwortung für die Schülerinnen und Schüler, für die Eltern und für die Lehrpersonen der Schule Winklen.
Was immer am 1. März entschieden wird: Teutschmann ist überzeugt von den Stärken der Bäuertschulen. Entsprechend ärgert ihn manches, was über diese Schulform verbreitet wird, etwa dass die Qualität des Unterrichts nicht mit anderen Schulen mithalten könne. «Die Menschen im ländlichen Raum habe ich grundsätzlich als sehr aufgeschlossen, solidarisch und initiativ erlebt», betont der Schulleiter. In seinem Berufsalltag habe er es mit kreativen, kompetenten, offenen Lehrpersonen zu tun, die vorausblickend planen und sehr individualisiert unterrichten würden. «Ich bin überzeugt, dass dieses Klima sich positiv auf die Entwicklung der Kinder auswirkt.»
Für Patrick Teutschmann selbst war es jedenfalls kein Hinderungsgrund, dass seine neue Stelle in Frutigen liegt. «Von den Menschen im Oberland wird man offen empfangen und unterstützt», sagt er. Als die Stelle im letzten Jahr ausgeschrieben wurde, sah er das als Chance. «Da habe ich zugepackt.»
Dass er dereinst Schulleiter in Frutigen sein würde, war lange nicht absehbar. Teutschmann ist zwar ausgebildeter Primar- und Sportlehrer und hat zum Beginn seiner Berufslaufbahn acht Jahre unterrichtet, davon sechs an einer Thuner Oberstufenschule und zwei am Bildungszentrum Interlaken. Danach aber führte ihn sein Weg ins Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement, wo er in verschiedenen Funktionen über 15 Jahre lang tätig war. Irgendwann habe er gemerkt: «Bevor ich 50 werde, will ich noch mal wechseln – aber ich will mich für etwas entscheiden, nicht gegen etwas.»
«Der Wechsel war richtig»
Es folgte der Wiedereinstieg in den Schuldienst, zunächst je zur Hälfte in Uetendorf und an den bzi-Standorten Frutigen und Interlaken. In Frutigen unterrichtete er einen Tag pro Woche angehende Schreinerinnen und Schreiner in Allgemeinbildung und Sport. Im Sommer 2018 wurde er dann Jürg Kaufmanns Nachfolger als Schulleiter.
«Der Wechsel war richtig», ist Patrick Teutschmann heute überzeugt. Dass er eine Zeitlang nicht an Schulen gearbeitet hat, empfindet er nicht als Nachteil. Einerseits habe er als Vater und als Sporttrainer immer Kontakt zu Jugendlichen gehabt. «Ich war ja nie ganz raus, und wie man mit Menschen umgeht, ändert sich auch nicht so stark.» Zum anderen glaubt er, dass verschiedene berufliche Erfahrungen eher ein Gewinn sind. «Andere Horizonte kennengelernt zu haben, betrachte ich heute als Bereicherung.»
ZUR PERSON
Patrick Teutschmann lebt in Thun. Er ist verheiratet. Mit seiner Frau und den drei Söhnen lebt er in einer Patchwork-Familie. Nach seiner Ausbildung am Lehrerseminar und dem Masterstudium am Institut für Sportwissenschaft der Universität Bern unterrichtete er mehrere Jahre, bevor er ins Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement wechselte. Parallel dazu bildete er sich in Magglingen zum Berufstrainer und zum Diplomtrainer Spitzensport weiter. Seit 2017 ist er wieder Lehrer, seit Sommer 2018 Schulleiter in Frutigen.
Sport spielt in Teutschmanns Leben eine grosse Rolle. Er war jahrzehntelang als Trainer und Coach engagiert, unter anderem als Trainer der Schweizer Rollstuhl-Rugbynationalmannschaft und zuletzt im Footeco-Bereich des FC Thun. Bis heute ist er stellvertretender Korpsleiters im Kadettenkorps Thun und Sportfachleiter.
POL