Herr Schmid und das Baugesetz
26.02.2019 AdelbodenMit Bauvorhaben, die am Ende nicht umgesetzt werden, hat man im Lohnerdorf Erfahrung. Nun könnte es das nächste Grossprojekt treffen. Am Geld fehlt es diesmal allerdings nicht.
MARK POLLMEIER
Seit Mai 2017 steht im Adelbodner Vorschwand das Fondue- und ...
Mit Bauvorhaben, die am Ende nicht umgesetzt werden, hat man im Lohnerdorf Erfahrung. Nun könnte es das nächste Grossprojekt treffen. Am Geld fehlt es diesmal allerdings nicht.
MARK POLLMEIER
Seit Mai 2017 steht im Adelbodner Vorschwand das Fondue- und Raclette-Stübli. Aber nicht mehr lange: Draussen am Chalet hängt aktuell ein «Zu verkaufen»-Schild mit einer Telefonnummer.
Besitzer des Fondue-Stüblis ist der Basler Unternehmer Werner Schmid, dem in Adelboden noch weitere Gastrobetriebe gehören (siehe Infos am Ende des Artikels). Warum will er das Holzhaus loswerden? «Weil die Bewilligung abgelaufen ist», erklärt Schmid auf Nachfrage. Das Fondue-Stübli sei eine sogenannte Fahrnisbaute, also ein Gebäude, das keine feste Verbindung mit dem Untergrund hat und nicht dauerhaft an einem Ort stehen darf. «Die Bewilligung wurde für den jetzigen Standplatz schon einmal verlängert», sagt Schmid, «aber Ende April muss das Chalet nun weg.»
Er selbst findet das schade. «Für Gruppen und Anlässe braucht Adelboden eigentlich einen solchen Catering-Raum. Allein schon, um die Kapazität an Spitzentagen zu erhöhen, wäre das gemütliche Fondue-Stübli ideal gewesen.» Eine Möglichkeit, das Angebot zu retten, sieht Schmid aber nicht. «Auf dem Edelweiss-Areal, wo das Chalet derzeit steht, darf es nicht bleiben. Und ein anderes passendes Grundstück habe ich in Adelboden nicht.» Deshalb habe er das Fondue-Stübli zum Verkauf ausgeschrieben; es gebe auch einige Interessenten.
Baubewilligung? Nein danke.
Eine Möglichkeit, aus der Fahrnisbaute ein reguläres Gebäude zu machen, wäre ein ordentliches Baubewilligungsverfahren. Aber Schmid winkt ab. Mit den zu erwartenden Einsprachen könne so etwas Jahre dauern. «Und am Ende geht es immer nur ums Geld.» Nach seinen bisherigen Erfahrungen in Adelboden wolle er diesen Weg lieber nicht gehen.
Eine dieser Erfahrungen ist der in der Nachbarschaft gelegene «Bernahof». Vor gut zwei Jahren hatte Werner Schmid seine Pläne für den Neubau des über 100 Jahre alten Hotels vorgestellt. Dieses sollte rund 50 Zimmer unterschiedlicher Komfortstufen enthalten. Zentrale Idee des Projekts waren aber zwei durchlässig verbundene Stockwerke: Unten sollte Raum für 300 Plätze und eine Bühne sein, oben für 200 Plätze. Durch die Galeriebauweise hätte man auch von oben auf diese Bühne blicken können – ein grosser Raum für bis zu 500 Gäste wäre entstanden. «Adelboden hat heute keinen Veranstaltungsort dieser Grössenordnung», sagt Schmid. «Das Konzept des neuen «Bernahof» wäre eine gute Ergänzung für den Ort gewesen.»
Wäre, denn seit zwei Jahren liegt das 12-Millionen-Projekt auf Eis. Nachdem das Baugesuch eingereicht war, gab es Einsprachen. Werner Schmid verhandelte, machte Zugeständnisse und einigte sich mit den Einsprechern – bis auf eine Partei. Die hält nach mehreren Verhandlungsterminen noch immer an ihrer Einsprache fest. «Das Ganze ist festgefahren», gibt Schmid zu. Eine Einigung komme wahrscheinlich nicht mehr zustande. «Ich könnte jetzt natürlich durch alle Instanzen gehen», sagt Schmid, «aber das will ich nicht.»
«Schade für Adelboden»
Eine halbe Million Franken hat der Unternehmer bereits in die Planung des neuen «Bernahofs» investiert, nun will er die Reissleine ziehen. Vor zwei Wochen hat er Gemeinde und Tourismus informiert, dass das Bernahof-Projekt quasi gescheitert sei. «Schade für Adelboden!», so Schmids Fazit. Sollte eine Einigung tatsächlich nicht mehr möglich sein, will er den «Bernahof» zunächst einmal weiterbetreiben wie bisher.
Frustriert sei er deswegen nicht, bekennt Schmid. Aber er mache sich Gedanken, ob das Baurecht noch zeitgemäss sei. «Wir haben eine liberale Gesetzgebung, das ist an sich gut.» Aber die heutige Rechtslage führe oft dazu, dass Bauherren zum Spielball für die Einsprecher würden – selbst wenn diese, wie im Fall «Bernahof», nicht einmal in Adelboden lebten. «Dazu kommt noch das Verbandsbeschwerderecht, und irgendwann wird es dann fast unmöglich, überhaupt noch etwas zu realisieren. Oder eben nur gegen Zahlung erheblicher Geldbeträge.» Gerade erst habe der «Blick» in einem grossen Artikel über den «Volkssport Einsprachen» berichtet (siehe Kasten rechts).
Was lässt sich noch bewegen?
Im letzten Jahr hatte der Adelbodner Stammgäste-Verein VSA seinen Prix Lohner an Werner Schmid verliehen – in dessen eigenem Fondue-Stübli. Der Preisträger habe «grossen Mut gezeigt, in Adelboden als Unternehmer etwas zu bewegen», hiess es damals in der Würdigung des VSA.
Erst einmal wird Schmid nun das Fondue-Stübli bewegen. Sollte sich bis April kein Käufer finden, will er das zerlegbare Chalet vielleicht nach Basel transportieren lassen. «Dort hätte ich noch ein Grundstück, wo es stehen kann.» Was der Investor in Adelboden noch bewegen kann, wird sich zeigen.
Werner Schmid
Seit gut 35 Jahren kommt der Basler Unternehmer nach Adelboden, seit rund 20 Jahren besitzt er dort ein Haus. In den vergangenen Jahren hat der bald 68-Jährige im Lohnerdorf kräftig investiert. Heute gehören ihm das Hotel und Restaurant Bären, das Hotel Bernahof und die Diskothek Berna Bar, der Kiosk-Treff, die Vogellisi-Mountain-Bar und bislang auch das Fondue-und Raclette-Stübli.
Diskussion um das Recht auf Einsprache
Einsprachen gegen grosse Bauprojekte werden am Ende oft mit Geld geregelt – Bergbahnen und andere Bauherren können ein Lied davon singen. Auch kleinere Vorhaben verzögern sich gelegentlich durch Einsprachen. In Frutigen etwa wird sich mancher an den Anbau des Schulhauses Kanderbrück erinnern: Eine Beschwerde dagegen wurde nach mehrjährigem Rechtsstreit vom Bundesgericht abgwiesen. Erst dann konnte gebaut werden.
Die fünfte Landessprache der Schweiz sei die Einsprache, witzelt Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes. Muss das Beschwerderecht also geändert werden? Der Immobilienexperte Donato Scognamiglio, der u. a. an der Uni Bern unterrichtet, befürwortet dies. Viele Einsprachen würden nur gemacht, um Projekte mutwillig zu verzögern oder sich zu bereichern. Scognamiglio schlägt darum eine Art «Eintrittsgeld» vor: Wer meint, Einsprache machen zu müssen, solle erst einmal etwas zahlen, fordert der Immobilienprofi via «Blick». Das allein würde die Zahl der Einsprachen und Rekurse schon senken.
Dass Baurechtseinsprachen als Druckmittel missbraucht werden, anerkennen auch verschiedene Politiker. Den meisten geht eine vorgängige Zahlung aber zu weit. In der Schweiz habe man nun einmal das Recht, Einsprache zu machen, findet etwa Hans-Ulrich Bigler. Der Vorschlag gefährde deshalb «leider» die Rechtsstaatlichkeit.
Und so werden weitere Massnahmen diskutiert, wie man der Beschwerdeflut Herr werden könnte. Der Zuger FDP-Ständerat Joachim Eder will Einsprecher zur Kasse bitten, wenn ihnen nachgewiesen werden kann, dass ihre Einwände missbräuchlich und ohne jede Erfolgsaussicht sind. Das könne man oft schon am Beginn eines Verfahrens absehen. Andere Ideen setzen auf verkürzte Fristen – oder auf Sozialkontrolle. Die Deals zwischen Bauherrn und Einsprecher müssten in einem öffentlichen Register einsehbar sein, fordert ein Immobilienfachmann der Credit Suisse. Das werde langfristig die zu zahlenden Summen senken – weil nämlich die Einspracheführer erklären müssten, wie sie auf ihre «unverschämten» Forderungen kommen. POL