KOLUMNE – THE YOUNG VIEW
26.02.2019 KolumneEine Beichte
Vielleicht mögen sich einige von Ihnen daran erinnern, dass ich letzten Sommer eine Kolumne darüber schrieb, dass bei uns (nach längerem Drama und Hin und Her) endlich wieder eine Katze einzog, nachdem unsere letzte im Jahr zuvor gestorben war. Ich liess ...
Eine Beichte
Vielleicht mögen sich einige von Ihnen daran erinnern, dass ich letzten Sommer eine Kolumne darüber schrieb, dass bei uns (nach längerem Drama und Hin und Her) endlich wieder eine Katze einzog, nachdem unsere letzte im Jahr zuvor gestorben war. Ich liess mich in dem Zusammenhang noch kräftig darüber aus, wie manche Tierbesitzer in der Zoohandlung allerlei Katzenbäume, Spezialfutter, automatisierte Spielzeuge und Netze für Balkone kaufen – alles, damit ihr Tierchen auch ja zufrieden und glücklich und sicher ist. Ich amüsierte mich köstlich. Und ja, ein halbes Jahr später muss ich über mich selbst l achen.
Unsere Britisch-Kurzhaar-Dame kam also zu uns, eine schwarze, perfekte Lady, die am Anfang ziemlich verschüchtert war, aber trotzdem schon schnurrte wie eine Weltmeisterin, wenn man sie ausnahmsweise doch einmal etwas streicheln konnte. Es dauerte nicht lange und sie übernahm mit stetiger Sicherheit unseren Haushalt und unsere Familie. Denn Madame hat Spezialwünsche. Die Bürste darf nicht zu grob sein, das Futter muss jede Woche ein anderes und mehrmals am Tag frisch sein (am liebsten mag sie sowieso Frischfleisch), man braucht mehrere weiche Plätzchen im Wohnzimmer (manche an der Sonne, manche im Schatten), und wenn sie mehr als zwei Stunden alleine zu Hause ist, fasst der erste, der zur Tür reinkommt, ein kräftiges «Meh!» und einen strengen Blick.
Man könnte nun meinen, die Katze terrorisiere uns und wir lebten in Angst und Schrecken vor ihr. Ganz im Gegenteil. Ich habe nicht den geringsten Schimmer, wie diese Katze es macht, dass alle ihr zu Füs sen liegen und sie vergöttern. Wir tun es einfach alle. Und damit meine ich alle: Sogar meinen Vater, der unsere vorherige Katze definitiv nicht mochte und sich mit Händen und Füssen gegen eine neue wehrte. Ihn erwischen wir nun des Öfteren, wie er plötzlich irgendwo beginnt, zu Säuseln – mittlerweile ist klar, dass er dann mit unserer Challa redet.
Nun, vor einem halben Jahr regte ich mich auf über Tierbesitzer, die ihrem Tierchen alles kaufen und sich andauernd Sorgen machen, es gehe ihm eventuell nicht ganz gut und es brauche jetzt unbedingt noch ein neues Spielzeug und ein Guddeli … ja. In unserem Wohnzimmer liegen nun fünf verschiedene Spielzeuge herum, unser Büsi hat einen Tunnel, durch den es pro Tag mindestens dreissig Mal durchjagen kann, und wir besitzen zwei speziell für Katzen entwickelte kleine Kartonmöbel, an denen unsere Königin sich die Krallen wetzen und auf denen sie thronen kann. Automatisierte Spiele haben wir nicht. Aber das liegt vor allem daran, dass sie das auch gar nicht interessant findet – schliesslich hat sie dann nicht unsere ungeteilte Aufmerksamkeit.
Ich muss mich wohl an dieser Stelle selbst an der Nase nehmen. Denn mittlerweile verstehe ich es. Manche Tiere brauchen einfach ein bisschen mehr. Und wer kann ihnen Nein sagen? Gerade einer Katze wie unserer, die zuvor unglücklich war und nun vor Freude im gestreckten Galopp durch unsere Wohnung rast? In dem Sinne: Eine herzliche Entschuldigung an all die Tierbesitzer, über die ich mich damals lustig gemacht habe. Ich verstehe es nun. Man liebt sie einfach über alles und will ihnen das Beste geben, das man zu bieten hat. Und je nach Ansprüchen wird man dabei halt zum verrückten Tierbesitzer.
Ach, und einen Katzenkratzbaum besitzen wir nun tatsächlich auch. Aber natürlich ist er keine zwei Meter hoch. Nur 1,7 Meter.
XENIA SCHMIDLI
SCHMIDLIX@HISPEED.CH