«Es führt nichts an der Zusammenarbeit vorbei»
12.03.2019 AdelbodenDer Gemeinderat feilt an seinen Strategiezielen. Ratspräsident Markus Gempeler erläutert den Stand von Projekten wie dem ÖV-Anschluss der Sillerenbahn und erklärt, was hinter der Idee der «Generalunternehmung Adelboden» steckt. Dabei schreckt er auch vor einem Tabuthema nicht ...
Der Gemeinderat feilt an seinen Strategiezielen. Ratspräsident Markus Gempeler erläutert den Stand von Projekten wie dem ÖV-Anschluss der Sillerenbahn und erklärt, was hinter der Idee der «Generalunternehmung Adelboden» steckt. Dabei schreckt er auch vor einem Tabuthema nicht zurück.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Markus Gempeler, wo drückt der Schuh in Adelboden am schmerzhaftesten?
Drehen wir das lieber um: In absehbarer Zeit könnte der Druck gemindert werden, wenn alles klappt. Dabei spielt unser neues Werkhofgelände an der Zufahrt zum Fuhrenweidli eine zentrale Rolle.
Das müssen Sie erklären.
Noch dieses Jahr wird das Baugesuch für den neuen Werkhof publiziert. Das gibt uns gleichzeitig die Möglichkeit, endlich das Trottoir von der Schützenmatte in den Boden zu realisieren, es öffnet Möglichkeiten für den Anschluss der Silleren-Talstation an den öffentlichen Verkehr und als Folge eine bessere Anbindung für Fussgänger respektive Skifahrer von Seite Mineralquelle her. Und da die Mineralquellen Adelboden AG ebenfalls bauen will, könnte auch die Zufahrt zum dahinterliegenden Bahnparkplatz Wäflermatte neu via Sillerenparkplatz gelöst werden.
Sie haben also den Jackpot?
Das sind alles Projekte und Probleme, die schon lange gewälzt werden. Gerade die gegenseitigen Abhängigkeiten sind oftmals erschwerend. Manchmal passen die kleinen Mosaiksteine dann einfach zusammen. Ich hoffe, das sehen alle Beteiligten und die Mehrheit der Stimmbürger auch so und unterstützen uns – es wird dann auch Geld brauchen.
Die vorgeschlagene ÖV-Anbindung über eine neue Brücke vom Friedhof wurde schon einmal abgelehnt …
Damals sollte der Bus auch auf dieser neuen Brücke wieder zurückfahren – eine sogenannte Hammer-Schlaufe. Die Grundidee ist nun, dass die Busse künftig via Fuhrenweidli-Zufahrt und einer neuen Allenbach-Brücke zirkulieren können. Ziel ist, dass mit der Eröffnung der neuen Sillerenbahn («Direttissima») im 2023 oder 2024 eine vernünftige Verkehrsführung realisiert ist. Etliche dieser Projekte sind in den letzten Jahren bereits geplant worden, doch noch ist nicht alles spruchreif. Auch gesetzliche Vorgaben können sich noch als Hürden erweisen.
Ähnliche Interessen fördern offensichtlich die Zusammenarbeit. In dasselbe Kapitel geht die angedachte «Generalunternehmung Adelboden». Was steckt dahinter?
Ich komme gerade von einer Sitzung mit den Lenker Bergbahnen. Wir wollen gemeinsam die Sommerprodukte verstärken. Wir müssen überall vom Gärtlidenken wegkommen. Hier bei uns hat es viele verschiedene Player: Die Bergbahnen Adelboden, die Engstligenbahnen, die Tschentenbahnen, die Sportarena, die Automobilverkehr Frutigen-Adelboden AG, die Skischule usw. In einem Workshop entstand dann die Idee einer «Generalunternehmung Adelboden», die gewisse Marketinggeschichten oder Verwaltungsarbeiten für alle diese Leistungsträger übernehmen könnte. Es muss ja nicht in Fusionen enden.
Also eine Art Destination innerhalb der Gemeindegrenzen?
Ja, genau. Mit der Tourismusdienstleistungs AG hatten wir sowas geschaffen. Die TourDi ist zwar im Rahmen der Destination TALK liquidiert worden. Aber diese gute Idee könnten wir ja selber innerhalb der Gemeinde weiterführen, denn der Tourismus wird auch weiterhin unsere wohl wichtigste Einnahmequelle sein. Auf unserer Ebene ist das sicher einfacher umzusetzen als überregional.
Und wie weit ist diese Idee gediehen?
Wir als Gemeinde verstehen uns quasi als Moderator, um die Gedanken einer «Generalunternehmung» anzustossen. Das ist natürlich eine laufende Aufgabe, die auch als Standortmarketing verstanden werden kann. Dazu gehört, dass wir Gemeinderäte regelmässig mit verschiedenen Gruppen aktiv Gespräche führen – seien das Gäste und Zweitwohnungsbesitzer, Hoteliers, Investoren oder, nicht zu vergessen, die Einheimischen. Diese offene Kommunikation fördert das Verständnis, die Transparenz und das Vertrauen.
Adelboden attraktiver machen – nicht nur für Gäste, sondern auch für Einheimische. Eine neue Arbeitsgruppe befasst sich mit dem Thema Abwanderung respektive deren Verhinderung. Was erwarten Sie?
Die Gemeinde kann niemandem verbieten wegzuzügeln. Wir können aber zumindest versuchen, all die guten Gründe für das Hierbleiben oder Zuziehen aufzuzeigen. Bewusst wurden in diese Arbeitsgruppe jüngere Personen einbezogen, die hier wohnen, die ganz weggezügelt oder wieder zurückgekommen sind. Wir wollen deren Beweggründe wissen. Vielleicht können wir mit diesem Wissen etwas bewirken oder zumindest reagieren. Ein Beispiel: Eltern müssen im Unterland vielleicht ihren Zögling zu jedem Sporttraining fahren. Hier ist es kein Problem, ihn zu Fuss oder allein im Bus zur Sportarena zu schicken, wenn er Hockeytraining hat. Auf den ersten Blick eine Kleinigkeit, für eine Familie kann das jedoch wertvoll sein.
Wann werden Ergebnisse vorliegen?
Mitte Jahr soll die Arbeitsgruppe eine Zwischenbilanz abliefern. Vielleicht sehen wir dann, dass die ganze Diskussion nichts bringt, und wir brechen die Übung ab. Eventuell konzentrieren wir uns auf einige bestimmte Aspekte mit Erfolgsaussichten – im Moment ist für mich noch alles völlig offen.
Für die Realisierung von Projekten wird irgendwann (Steuer-)Geld benötigt. Wie eng sind die finanziellen Grenzen Adelbodens gesteckt?
Wir profitieren davon, dass etliche Vorhaben der letzten Jahre nicht oder noch nicht umgesetzt werden konnten. Wenn wir aber den Werkhof bauen könnten und die abgeschlossene Sanierung des Bodenschulhauses sowie die laufende Schwimmbaderneuerung einbeziehen, wird eine gewisse Konsolidierung nötig sein. Wir werden die Rechnung 2018 positiv abschliessen, was sofort wieder in Forderungen gipfelt. Aber für uns ist klar: Steuersenkungen sind nicht möglich.
Zum Abschluss wagen Sie bitte einen Blick in die Glaskugel: Wie sieht die Gemeinde Adelboden in 20 Jahren aus?
(Zögernd) Ich wage es oftmals kaum zu sagen, aber ich verstehe nicht, dass wir nicht aktiv daran arbeiten, eine Gemeinde in den Grenzen des ehemaligen Amtsbezirkes zu schaffen. Es führt doch auch bei den Gemeinden nichts an der Zusammenarbeit vorbei. Dies ist angesichts der teils schweren Suche nach Ratsmitgliedern und der Professionalisierung der Verwaltungen nicht abwegig. Der Kanton fördert Fusionen gezielt. Ich bin da sehr offen, aber wohl der Zeit noch voraus …
Die Projekte mit Priorität
Die Liste der strategischen Ziele wird jährlich vom Gemeinderat überarbeitet. Bei der Priorisierung sind einerseits finanzielle Abwägungen nötig, andererseits wird auch der jeweilige Stand der Projekte berücksichtigt. Aktuell umfasst die Liste in der ersten Priorität folgende Anliegen:
• Entlastung Dorfstrasse (Umfahrung): Dort will man vom Gemeinderat «nicht nachlassen», auch wenn der Zeithorizont der Realisierung kaum abzuschätzen sei.
• Umplanung auf dem Nevada-Areal: Eine Arbeitsgruppe hat den Auftrag, bis im Sommer kurzfristige Verschönerungen anzugehen. Nichts mit Kosmetik, sondern mit handfesten Projekten hat die für 2019 geplante Ausschreibung zu tun. «Es wird derzeit ein Investorendossier fertiggestellt, in dem Rahmenbedingungen festlegt sind, unter denen auf dem Areal gebaut werden könnte – sei das ein Hotel, ein Bad, ein Restaurant usw. Wir informieren, sobald wir das weitere Vorgehen festgelegt haben.»
• Gesamtlösung Areal Schützenmatte-Fuhrenweidli (Anbindung öV, Werkhof, Feuerwehrmagazin inkl. Trottoir in den Boden)
• touristische Entwicklung (u.a. Aktualisierung Leitbild)
• Förderung touristischer Zusammenarbeit (Generalunternehmung Adelboden)
• aktive Informationspolitik respektive Kontakte mit Zweitwohnungsbesitzern
• Konzept Standortmarketing (Wohn-, Arbeits- und Ferienort)
Wie der Gemeinderatspräsident Markus Gempeler ausführt, sind etliche der Konzepte und Vorhaben eng miteinander verknüpft. Was von der letztjährigen Liste als erledigt abgehakt werden konnte, ist der Ortsbus für Gäste und Einheimische.
HSF