38 Jahre – und kein bisschen Adelboden-müde
15.03.2019 AdelbodenMarlene und Eva Pohl aus dem deutschen Solingen verbringen seit fast vier Jahrzehnten ihren Skiurlaub im Lohnerdorf. Die Ferienwohnung nahe der Chuenisbärgli-Talstation und die Umgebung sind ihr zweites Zuhause geworden.
YVONNE BALDININI
Mutter Marlene und Tochter Eva ...
Marlene und Eva Pohl aus dem deutschen Solingen verbringen seit fast vier Jahrzehnten ihren Skiurlaub im Lohnerdorf. Die Ferienwohnung nahe der Chuenisbärgli-Talstation und die Umgebung sind ihr zweites Zuhause geworden.
YVONNE BALDININI
Mutter Marlene und Tochter Eva Pohl nehmen beim Gästeapéro auf dem Dorfplatz vom Vertreter des Tourist Centers Adelboden ein Sirup-Sortiment in Empfang – für ihre 38 Jahre lange Treue zum Lohnerdorf. Nach 20 Jahren erfreuten sie sich bereits einer silbernen Anstecknadel, nach 25 einer goldenen, nach 30 eines grossen Früchtekorbs. Danach hagelte es Adelbodner Souvenir-Tassen.
Seit der Vater vor zwölf Jahren überraschend an einem Herzinfarkt starb und der Bruder sich seiner eigenen Familie widmet, reisen Mutter und Tochter alleine in die Schweiz. Früher fuhren die Pohls immer an Ostern in den Skiurlaub. Ein grosser Clan Deutscher traf sich jedes Jahr im Boden. Sie kamen etwa aus Wuppertal oder vom Bodensee. «Hier sassen schon 16 Mann», erzählt Marlene und deutet auf den kleinen Ecktisch in der rustikalen Ferienwohnung. Legendär war ihr in Deutschland vorgekochter Sauerbraten. Auch die Hausbesitzer schmausten mit. Dann schildert sie, wie im Restaurant Wildstrubel ein einheimischer Freund Ostereier vom Tisch stibitzte, um auf dem Heimweg vor jeder Chalettüre eines zu platzieren. Oder von den urchigen Tanznächten im Unter Birg. «Ach, wie viele Feste wir gefeiert haben», erinnert sich Marlene wehmütig. Viele der damaligen Feriengäste und Einheimischen seien nun verstorben, bedauert die 80-Jährige.
Von Skiabenteuern und Schlafanzügen
Um die Skischule rissen sich Eva und ihr Bruder nicht. Lieber rasten sie und die befreundeten Kinder dem Skilehrer davon. Der Unterricht trug dennoch Früchte. Die ehrgeizigen Geschwister räumten an den Skirennen auf der Tschentenalp stets die Goldmedaille ab. «Der zweite Platz war keine Option», sagt Eva. Einmal stürzte sie, verlor einen Ski und wurde trotzdem noch Dritte. Unvergesslich bleiben für sie und den Bruder die Pulverschneeausflüge «querfeldein» an Silleren mit dem Hausbesitzer. «Das war das höchste der Gefühle. Er wusste genau, welche Abfahrten sicher sind. Jetzt führen dort überall Pisten durch.»
Heute zieht Eva ihre Schwünge mit einer Privat-Skilehrerin in die Hänge. Nicht, dass sie es nötig hätte – obwohl sie immer etwas am Feinschliff arbeitet: «Alleine würde es weniger Spass machen», erläutert sie. Während die Tochter auf den Latten den Silleren unsicher macht, spaziert Mama Marlene im Boden. Sie kennt jeden Weg, jede Bank. «Das ist das Schöne. Ich empfinde es hier wie nach Hause kommen.» Für Eva ist schon die Ankunft ein Ritual: «Bei Dänzer hole ich die Getränke, im Tourist Center bezahle ich Skipass und -lehrerin. Dann geniessen wir die Tagessuppe bei Haueter.» Nie fehlt ein Besuch im Calida- Geschäft an der Dorfstrasse. «Jedes Jahr gibt es einen neuen Schlafanzug», schmunzelt die 42-Jährige. Im Chalet haben die Familienmitglieder ihren festen Platz auf der Eckbank. Eva verteidigte ihren selbst vor der Patentochter, die an Silvester mitreiste. Was ihnen denn an Adelboden so gefällt? «Es ist der gemütliche Ort. Die alten Häuser passen ins Landschaftsbild. Der Boden strömt für mich die Atmosphäre eines kleinen, verschlafenen Nests aus, das abends um 18 Uhr die Bürgersteige hochklappt», meint Eva.
«Als wären wir nie weggefahren»
An diesem Abend treffen sich die Frauen im Bodenhüttli mit zwei Schweizer Ehepaaren, die sie seit acht Jahren kennen. Eva begegnete ihnen bereits am ersten Ferientag im Lebensmittelladen. «Es war, als wären wir nie weggefahren», berichtet sie. Nun seien es halt nicht mehr die Deutschen, sondern Schweizer, die immer zur selben Zeit wie sie hier weilen. Wenn Mutter und Tochter nicht ausgehen, würfeln sie sich im Chalet mit dem Spiel «Yahtzee» die Zeit weg.
Die Hausbesitzer sind mittlerweile in die Jahre gekommen. Es steht in den Sternen, wie lange Pohls noch ihre gewohnten Betten vorfinden. «Dann ist wohl Schluss für mich», bemerkt Marlene mit traurigem Blick und fügt an: «Es würde mir leidtun, nicht mehr nach Adelboden zu fahren.»