Frauenpower an zentraler Lage
12.03.2019 Aeschi, AeschiriedSERIE TEIL 1 Aeschi Tourismus vermarktet Angebote lieber, als sie selber neu zu schaffen. Trotz knapper Ressourcen hält das kleine Team aber erstaunlich viele Eisen im Feuer.
BENJAMIN HALTMEIER
«Kann man auf der Aeschiallmend noch Ski fahren?» – «Seid ihr an der ...
SERIE TEIL 1 Aeschi Tourismus vermarktet Angebote lieber, als sie selber neu zu schaffen. Trotz knapper Ressourcen hält das kleine Team aber erstaunlich viele Eisen im Feuer.
BENJAMIN HALTMEIER
«Kann man auf der Aeschiallmend noch Ski fahren?» – «Seid ihr an der Sonne?» – «Gibts noch eine freie Ferienwohnung?» Solche Anfragen beantwortet das Front-Team von Aeschi Tourismus derzeit häufig – Kurzfristigkeit liegt im Trend. Manchmal sehen sich die Gästeberaterinnen dabei auch mit ungewöhnlichen Themen konfrontiert. So wollte ein Kunde unbedingt wissen, wo man in der Region Modellhelikopter anschauen könne, erinnert sich Geschäftsführerin Tanja Schäfli. «Ich war 20 Minuten am Diskutieren.» Auch die Frage, ob im Suldtal schon der Frauenschuh blühe, sei von der Dorfmitte aus nicht leicht zu beantworten. Doch gerade geht es beschaulich zu am Schalter.
Ein Quartett aus Allroundern
Es ist ein ruhiger Mittwochnachmittag. In der Ecke des Tourist Centers hängt ein Kupferkessel am Haken, im Kühlschrank wartet lokaler Bergkäse auf den Verkauf, und an der Decke verstärken dunkle Holzbalken die Chalet-Atmosphäre. Auch hier macht sich der Wandel bemerkbar: Seit der Anbindung an Thun-Thunersee Tourismus 2016 müssen Übernachtungsgäste die Kurtaxe nicht mehr direkt im Aeschiner Büro entrichten. Mit dem neuen Abrechnungssystem blieb entsprechend viel Laufkundschaft weg. In den vergangenen Wochen waren es vor allem Langläufer und Skifahrer, die persönlich an der Scheidgasse erschienen, bald kommen auch wieder vermehrt Wanderer dazu. Zusammen mit Telefonaten kommt Aeschi Tourismus so insgesamt auf etwa 25 Kundenkontakte pro Tag.
Für die Gästeberatung zuständig sind dabei vor allem die Geschäftsführerin und ihre Stellvertreterin Jeannette Mägert. Beide sind zu 80 Prozent angestellt und oft zu zweit hinter dem Schalter anzutreffen. Nach ihrem Mutterschaftsurlaub wird Tamara Buchschacher bald wieder mit einem 20-Prozent-Pensum als Gästeberaterin im Tourist Center einsteigen. Und dann gibt es noch die erfahrene Pensionärin Margrit Zurbrügg, die das Team vervollständigt. «Wenn Not ‹an der Frau› ist, springt Zurbrügg bei uns ein», erklärt Schäfli. Die Mitarbeiterinnen sehen sich als Allrounderinnen. «Wir müssen alles können», bestätigt die Geschäftsführerin, die neben ihrer Leitungsfunktion auch Kunden bedient. Nebst der Beratung fallen fürs Team auch administrative Arbeiten und die immer aufwendigere Pflege des Internetauftritts an. «Aber du bist die Zahlenjongleurin», ergänzt Jeannette Mägert. Man spürt, dass die beiden ein eingespieltes Duo sind. «Man sagt, reine Frauenteams seien schwierig. Bei uns sehe ich das überhaupt nicht», lacht Schäfli.
Die lokalen Kräfte bündeln
Neben der Gästeberatung gilt es, den Umgang mit Partnern, Gewerbebetrieben und Vereinen im Rahmen gemeinsamer Angebote zu pflegen. «Wenn wir alle ins selbe Boot bringen, kann man jedes Projekt realisieren. In einem kleinen Ort wie Aeschi ist das umso wichtiger», betont Schäfli. Viel Kontakt hat das Team etwa mit dem lokalen Loipenverein und mit dem «Wiehnachtswäg»- OK, aber auch mit der Skilift Aeschiallmend AG oder den Hallenbad-Betreibern gibt es regelmässigen Austausch.
Und dann gilt es natürlich noch, Projekte von Einheimischen zu vermarkten, wie den WAeschi-Weg von Esther Häusermann oder den Bänkliweg, für den Jakob Zaugg Sitzgelegenheiten anfertigt (der «Frutigländer» berichtete bereits über beide Personen). Die Geschäftsführerin wünschte sich noch mehr solcher Initiativen aus der Bevölkerung, denn: «Aeschi Tourismus ist eher ein Dienstleister im Bereich Betreuung und Promotion als ein Leistungserbringer.» Dennoch gibt es auch rein «hausgemachte» Angebote wie den Schatzsuche-Trail, den man trotz knapper Ressourcen intern realisiert hat und im Sommer mit einer neuen Route weiter ausbaut.
Dass Aeschi Tourismus Mitglied bei Thun-Thunersee Tourismus ist, zahlt sich nicht nur wegen der Panorama-Card mit Vergünstigungen und kostenlosem öV für Gäste aus. Man tritt so auch unter der Dachmarke Interlaken Tourismus auf, was für viel Präsenz sorgt. Ein enges Korsett aus Vorgaben erwachse aus dieser Kooperation indes nicht, sagt Schäfli: Die grossen Destinationen hätten verinnerlicht, dass man Vielfalt vermarkten und einen Einheitsbrei vermeiden sollte. «Ich fühle mich ernst genommen. Aeschi muss nicht Beatenberg oder Interlaken werden.» Allerdings sei man halt nur ein kleines Puzzleteil im touristischen Gesamtbild
– deshalb müsse man auch selber für sich werben.
Der Standort passt, aber …
Hell, geräumig, zentral – das Team ist zufrieden mit dem aktuellen Büro an der Scheidgasse. Trotzdem zeichnet sich auch in diesem Bereich ein Wechsel am Horizont ab: Das geplante neue Dienstleistungszentrum im Hallenbad zusammen mit der Post böte gemäss Schäfli einige Vorteile: «Wir hätten mehr Laufkundschaft, mehr Mitarbeiter und damit längere Öffnungszeiten. Alle Beteiligten sind an dieser Lösung interessiert – allerdings muss hier erst der erforderliche Kredit gesprochen werden.»
Nach fast drei Jahren als Geschäftsführerin sieht sie auch auf der Angebotsseite immer noch viel Potenzial im Lokaltourismus. Geplant sind so etwa die Präsenz auf einer sogenannten Geocaching-Plattform – einer Art digitaler Schnitzeljagd im offenen Gelände. Weiter steht die Teilnahme an einer Coop-Familienwanderung mit 10 beteiligten Gemeinden und bis zu 1000 erwarteten Teilnehmern auf der Agenda. Zudem gilt es, die Verträge für den Suldtalbus frisch auszuhandeln. Eine neue App, neue Angebote für schneearme Winter sowie auch eine mögliche Fusion mit Krattigen Tourismus stehen ebenfalls noch im Raum: «Unsere Türen sind offen. Wir sind diverse Ideen am Wälzen», schliesst Schäfli. «Langweilig wird uns nicht», bekräftigt Jeannette Mägert und steht auf – die Eingangstür hat sich geöffnet.
Zur Serie
Neues Personal, neue Räumlichkeiten, neue Aufgaben: Während einige Tourist Center im Frutigland grosse Veränderungen hinter und vor sich haben, verfügen andere Teams über langjährige Routine. Auch am Schalter trifft Erfahrung auf Wandel – es gilt, kurzfristigen Anfragen, wechselnden Gästesegmenten oder zunehmender Digitalisierung gerecht zu werden. Wie sieht der Alltag an der Tourismus-Front aus? Was sind die Besonderheiten und aktuellen Herausforderungen am jeweiligen Standort? Solchen Fragen geht der «Frutigländer» im Rahmen einer neuen Serie nach. In sechs Teilen werden die verschiedenen Facetten der regionalen Center beleuchtet.
HAB