KOLUMNE - POLITIKUM
12.03.2019 KolumneSchlechtes Gewissen
Die junge Greta aus Schweden macht nicht nur den Mächtigen dieser Welt in Davos Beine. Sie bringt auch die restliche Jugend in vielen Ländern dieser Welt auf die Beine: Überall demonstrieren sie für die Umsetzung der Klimaschutzziele. Sie fordern, ...
Schlechtes Gewissen
Die junge Greta aus Schweden macht nicht nur den Mächtigen dieser Welt in Davos Beine. Sie bringt auch die restliche Jugend in vielen Ländern dieser Welt auf die Beine: Überall demonstrieren sie für die Umsetzung der Klimaschutzziele. Sie fordern, dass sofort Massnahmen zum Schutz unserer Erde getroffen werden (respektive, dass die bestehenden Vereinbarungen endlich umgesetzt werden).
Ich finde dabei vor allem einen Aspekt der Proteste interessant. Dabei lohnt sich nämlich ein Blick auf die Adressaten der Proteste. Sie richten sich nämlich nicht an die gesamte Menschheit. Obwohl diese doch geeint das Klimaproblem noch viel schneller lösen könnte als die Politik mit Gesetzen und Verordnungen, die noch dazu von jedem einzelnen Land einzeln umgesetzt werden müssen. Mit den entsprechenden Verzögerungen und Problemen beim geeinten Vorgehen.
Anders als andere Protestbewegungen ist diejenige von Greta Thunberg also sehr zielgerichtet: Sie teilt (ziemlich) genau mit, von wem sie was will. Das ist gerade für den Klimaschutz beachtlich. Denn immer, wenn es um Klimaschutz geht, verfängt ein Argument sehr oft: Jeder Einzelne kann etwas tun, jede einzelne Aktion zählt. Das geht im positiven Sinne: Mehrfaches Verwenden von Plastiksäcken, Benutzen des öffentlichen Verkehrs oder Einkaufen von lokalen Lebensmitteln. Es geht aber auch negativ: Das Sich-Schämen-für-Flugreisen hat in Schwedisch sogar schon einen Fachbegriff. Produkte mit Palmöl, zu viel Fleisch oder Dieselautos sind in der Öffentlichkeit schon fast verpönt.
Diese Mentalität, dass jede Aktion hilft, stimmt natürlich schon. Nur: Wenn ich als Individuum völlig klimaneutral leben will, müsste ich mich in eine Höhle zurückziehen. In unserer globalisierten Welt können wir wohl unseren ökologischen Fussabdruck (massiv) verkleinern. Aber wir können ihn nicht ganz verschwinden lassen. In anderen Worten: Wenn ich mich so verhalte, dass ich das Klima schone, mache ich mein schlechtes Gewissen zwar kleiner, kann es aber nie ganz verschwinden lassen. Das ist unbefriedigend und letztlich auch nicht sehr effizient. Weil die Menschen dann mit Klimaschutz negative Emotionen verbinden.
Es ist der 16-jährigen Schwedin Greta Thunberg deshalb hoch anzurechnen, dass sie das Problem dort bekämpfen will, wo man es am besten bekämpfen kann: Das ist, trotz aller Widrigkeiten, in der Politik. Denn einen wirklich wirksamen Klimaschutz kann man nur erreichen, wenn man die Rahmenbedingungen so ändert, dass sich der Konsument, und damit jeder Einzelne von uns, nicht mehr bei jedem Kauf überlegen will, ob und wie stark sein Konsum das Klima schädigt.
Natürlich ist das keine einfache Aufgabe für die Politiker aller Couleur in allen Ländern. Aber es hat auch keiner gesagt, dass die Aufgaben für die Politik einfach sein sollen. Nicht aus ser Betracht lassen darf man aber bei allem Lob für das Vorgehen von Greta Thunberg eines nicht: Politiker haben nicht nur schwere Aufgaben, sondern sind auch in sehr vielen Ländern dieser Welt von der Bevölkerung gewählt. Hier ist der Ort, wo wirklich jeder Einzelne einen Unterschied machen kann!
SEBASTIAN DÜRST
SEBASTIAN.DUERST@BLUEWIN.CH