Der Wettkampf der feinen Nasen
02.04.2019 AdelbodenAm Wochenende fanden die Schweizermeisterschaften der 25 besten Lawinenhunde auf der Engstligenalp statt. Die Hundeführer und ihre Vierbeiner suchten dabei nach vergrabenen Figuranten und Rucksäcken.
LINUS CADOTSCH
Sobald Brook, ein zehnjähriger Labrador, das ...
Am Wochenende fanden die Schweizermeisterschaften der 25 besten Lawinenhunde auf der Engstligenalp statt. Die Hundeführer und ihre Vierbeiner suchten dabei nach vergrabenen Figuranten und Rucksäcken.
LINUS CADOTSCH
Sobald Brook, ein zehnjähriger Labrador, das Startsignal erhält, sucht er motiviert Linie für Linie ab. Jetzt kommt es auf seinen hochsensiblen Geruchssinn an. Aber auch die Fitness und die Kommunikation zwischen Mensch und Tier spielen eine grosse Rolle. Je schneller der Rucksack gefunden wird, umso mehr Punkte erhält das Team. Wenn der Hund von der Suchlinie abweicht oder der Hundeführer zu viele korrigierende Befehle erteilen muss, gibt es einen Abzug. Brook beginnt plötzlich zu scharren – ein eindeutiges Signal an seine Besitzerin Barbara Kneubühl. Sie tastet mit ihrer Sondierstange nach dem Rucksack, der im Vorfeld in einer Tiefe von 50 Zentimetern vergraben wurde, und legt ihn schliesslich mit einer Lawinenschaufel frei.
Nach dem Einsatz gibt der Richter Brook 76 von 100 möglichen Punkten. Zu viele Unterbrüche im Suchmodus haben den schwarzen Labrador Punkte gekostet. «Schade um das gute Training», meint Kneubühl aus Thun etwas unzufrieden.
Wettkampf versus Ernstfall
Im Vorfeld der Schweizermeisterschaften hatten sich die Teams für den Anlass in Adelboden qualifizieren müssen. Nur die besten 25 durften schliesslich auf der Engstligenalp antreten. Dabei stand der Wettkampf der Tiere im Vordergrund. Im Gegensatz dazu müssen die Lawinenhunde der Alpinen Rettung Schweiz (ARS) Tag und Nacht für den Ernstfall bereit sein. Voraussetzung dafür ist, dass Hund und Besitzer im Alpen(vor)land und in der Nähe eines Helikopterstartplatzes wohnen. «Die Rettungshunde werden im Vorfeld langsam an den Helikopter gewöhnt. Erst ohne und später mit Motorenlärm üben die Hunde den Ein- und Ausstieg», erzählt Marcel Meier, Fachleiter Hund der ARS. Bereits im Welpenalter wird ein Hund spielerisch an das Training herangeführt. Früher sind die Hunde mit ihrem Begleiter aus dem fliegenden Flugzeug gesprungen und mit einem Fallschirm zum Unglücksort gelangt. Effizienter wurde der Lawinenhundeeinsatz erst mit dem Helikopter.
«Nach 15 Minuten nimmt die Überlebenswahrscheinlichkeit von Verschütteten rapide ab», sagt Meier, der 31 Jahre Rettungserfahrung hat und viele Menschen nur noch tot bergen konnte. Dennoch treibe es ihn nach wie vor an, in Zusammenarbeit mit den Lawinenhunden Menschenleben zu retten. «Gerade in diesem Winter wurde im Welschland eine verschüttete Person unter einer drei Meter dicken Schneeschicht lebend geborgen», erzählt Meier. Während die Rettungshunde im Winter vor allem nach Schneesportlern suchen, sind es im Sommer verirrte Wanderer oder Pilzsammler, die auf Hilfe angewiesen sind.
Statisten harrten stundenlang aus
Auf der Engstligenalp ging es jedoch wie erwähnt um den Wettbewerb. Zahlreiche Zuschauer genossen den Sonnenschein und die warmen Temperaturen. In einer weiteren Kategorie mussten die antretenden Teams auf einer grossen Fläche nach einem Menschen suchen, der unter einer zwei Meter hohen Schneedecke begraben lag. Der Figurant verkroch sich morgens um 7 Uhr in die Schneehöhle und harrte bis um die Mittagszeit im Schlafsack aus! In der Kategorie A und B wird aber nicht nur der Hund getestet, sondern auch der Hundeführer. «Die Richter geben eine Situation vor, in der eine Lawine jemanden verschüttet hat und gleichzeitig Wind aus einer bestimmten Richtung weht», sagt Anita Rossel, Medienverantwortliche des Anlasses. Der Hundeführer muss das Suchmuster entsprechend anpassen, damit der eigene Geruch nicht denjenigen des Verschütteten überdeckt.
An den Schweizermeisterschaften, die für viele Teilnehmer den saisonalen Höhepunkt darstellen, trifft man ganz unterschiedliche Hunderassen an, zum Beispiel Golden Retriever, Labradore und Belgische Schäferhunde. Alle sind sie mittelgross bis gross und bewegen sich im tiefen Schnee am besten fort. Kleine und ganz grosse Hunde haben dagegen mehr Mühe und finden sich deshalb nicht auf der Teilnehmerliste.
Gewonnen hat schliesslich Stefan Steiner mit seinem Hund Ismir vom Kistenstein aus Graubünden – ganz knapp vor Christa Balzer mit ihrem Fazer vom blauen Mistral vom HS Frutigland.