Durch Flüsse und Tundra – 1950 Kilometer Entbehrung
30.04.2019 FrutigenDer Aargauer Manuel Meier beschrieb am Mittwoch in der ausverkauften Badi Lounge das Abenteuer seines Lebens. Zusammen mit Lukas Mathis wanderte und paddelte er 60 Tage lang durch Alaska. Er sprach von Schmerzen, Hochgefühlen und Einsamkeit.
RETO KOLLER
Die Brooks ...
Der Aargauer Manuel Meier beschrieb am Mittwoch in der ausverkauften Badi Lounge das Abenteuer seines Lebens. Zusammen mit Lukas Mathis wanderte und paddelte er 60 Tage lang durch Alaska. Er sprach von Schmerzen, Hochgefühlen und Einsamkeit.
RETO KOLLER
Die Brooks Range Mountains (siehe Kasten) sind eine der einsamsten Gegenden der Welt. Nur etwa 700 Menschen bewohnen die endlose Weite zwischen der kanadischen Grenze und der arktischen Küste Alaskas. Manuel Meier (25) und Lukas Mathis (23) fassten einen verrückten Entschluss. Sie wollten die 1950 Kilometer lange weglose Strecke zu Fuss und per Faltboot durchmessen.
4400 Kalorien, nur eine Gabel
Die beiden planten ihre Parforceleistung minutiös. Am Anfang standen der Nahrungsbedarf und das Gewicht ihrer Ausrüstung. Wie viele Kalorien brauchen wir täglich? In welcher Form nehmen wir sie zu uns? Wie viel darf die Verpflegung auf die Waage bringen? Wo und wie müssen Depots angelegt werden? Wie schwer darf die persönliche Ausrüstung sein? Diese Fragen waren genau zu beantworten, waren doch täglich zehn bis zwölf Stunden in unwegsamem Gelände zurückzulegen. 4400 Kalorien, rund 9 Kilo Ausrüstung und höchstens 12 Kilo Nahrung waren die Antworten. Wie genau es die beiden nahmen, zeigt ein Beispiel. Wozu brauchen zwei Wanderer zwei Gabeln? Man kann sich ja beim Essen abwechseln. Wieder 50 Gramm Gewicht gespart!
Reissende Flüsse, sumpfige Tundra
Nachdem die jungen, durchtrainierten Männer von einem Wasserflugzeug an ihren Ausgangspunkt gebracht worden waren, trafen sie vorerst unerwartete Witterungsbedingungen an. Es war für den Sommerbeginn ungewöhnlich kalt. Die Passübergänge waren noch schneebedeckt, die weglosen Tundra-Landschaften sumpfig, die Bäche und Flüsse reissend. Die Extremwanderer gerieten immer wieder an die Grenzen ihrer Leistungs- und Leidensfähigkeit. Insbesondere die Flussquerungen bargen dabei Gefahren.
Dank Zähigkeit und Improvisationsgabe schafften sie allen Widrigkeiten zum Trotz die geplanten 42 Tagesetappen bis zum Fluss Noatak. Von dort an ging es per Faltboot weiter. Vorerst befiel ein Schreckmoment die beiden Abenteurer. Das Boot war nicht dort, wo es der Buschpilot hätte absetzen sollen. Der Griff zum Satellitentelefon brachte die Rettung und die genauen Koordinaten. Das Missverständnis war geklärt, es konnte losgehen. 18 Tage paddelten Meier und Mathis durch Stromschnellen und gemächlich fliessendes Gewässer ihrem Ziel entgegen. Am 7. August 2018 falteten die zwei ihr Boot zusammen. Die Küstenstadt Kotzebue war erreicht, das Abenteuer bestanden.
Keine Energie für Streitigkeiten
Manuel Meier erzählte nicht nur von den körperlichen Strapazen und den Abenteuern auf ihrer gemeinsamen Reise. Er schilderte auch die zwischenmenschlichen Befindlichkeiten: «Vorerst hat man sich noch das eine oder andere zu erzählen, dann verstummen die Gespräche zunehmend. Es ist alles gesagt. Andere Gesprächspartner gab es nur in den zwei Siedlungen, wo wir unsere Nahrungsvorräte ergänzten.»
Auf die Frage, ob sie auch ab und zu Streit gehabt hätten, meinte der Zwei-Meter-Mann: «Die Wanderungen waren so anstrengend, dass wir weder Zeit noch die Energie für Zwistigkeiten hatten. Erst während der wesentlich weniger harten Bootsfahrt kam es vereinzelt zu Meinungsverschiedenheiten. Sie waren aber immer harmlos, wir haben hervorragend harmoniert.»
Die beiden Aargauer sind die jüngsten der kaum 20 Menschen, welche die Brooks-Range-Traverse bis heute gewagt haben.
Die Brooks-Range-Bergkette
Die bis 2749 Meter hohe Brookskette ist neben der Alaskakette die zweite grosse Bergkette Alaskas. Sie zieht sich entlang des 68. Breitengrads vom Beringmeer im Westen bis zur Beaufortsee im Nordosten oberhalb des Polarkreises über mehr als 1000 Kilometer durch Alaska. Der Mount Chamberlin ist mit 2749 m ü. M. die höchste Erhebung. Auf der Nordseite liegt die North Slope, eine baumlose, flache und von vielen Seen bedeckte Tundra, die sich bis zur arktischen Küste erstreckt. Auf der Südseite liegen im Binnenland die riesigen Flusstäler des Koyukuk und des Yukon.