«Strom von unten und Wasser von oben»
17.05.2019Aufbruch in ein neues Zeitalter: Die Alpgenossenschaft Ueschinen wird direkt ans Stromnetz angeschlossen. Der Spatenstich für die Verlegung der Leitungen erfolgte am Donnerstag.
BIANCA HÜSING
Der Alpwirtschaft haften allerlei romantische Vorstellungen an. Die ...
Aufbruch in ein neues Zeitalter: Die Alpgenossenschaft Ueschinen wird direkt ans Stromnetz angeschlossen. Der Spatenstich für die Verlegung der Leitungen erfolgte am Donnerstag.
BIANCA HÜSING
Der Alpwirtschaft haften allerlei romantische Vorstellungen an. Die Abgeschiedenheit, die Naturverbundenheit und das Ursprüngliche faszinieren manch lärmgeplagten Städter – und täuschen oft darüber hinweg, wie viel Arbeit ein Sommer auf der Alp tatsächlich bedeutet. Auch müssen Landwirte recht viele Hygienevorschriften einhalten, damit ihr Produkt zertifiziert und damit verkaufbar wird. Ohne Strom und fliessendes Wasser ist das im Sommer jedoch nur unter Zusatzaufwand möglich.
Für die Alpgenossenschaft Ueschinen beginnt in dieser Hinsicht eine kleine Zeitenwende: Am Donnerstag starteten die Bauarbeiten für eine Stromleitung in jede der 39 Hütten sowie eine Wasserleitung in 30 Hütten. Das klingt banal, stellt in Wahrheit aber eine grosse Erleichterung für die Bäuerinnen und Bauern dar. Bisher beziehen sie ihre Energie aus Generatoren und Solarpanels, das Wasser erhitzen sie mithilfe von Holzöfen. «Da jeder von uns zwei Gebäude bewirtschaftet – in Ausser- und Innerueschinen – müssen wir die Aggregate jedes Mal aufwendig zügeln», erklärt Hans Rösti, Präsident der Alpgenossenschaft. Zudem seien die Generatoren laut und nicht besonders umweltfreundlich. Durch den direkten Zugang zum Stromnetz verspricht er sich nun auch eine effizientere Methode, die Geräte zu reinigen und die Milch zu kühlen.
2 Millionen Franken für 9 Kilometer
Das Leitungsprojekt geht auf einen Deal zwischen der Kraftwerke Kander Alp AG (KKA) und der Alpgenossenschaft zurück. Als die KKA 2009 ihr Kraftwerk am Alpbach bauen liess, zeigten sich die Landwirte als Grundbesitzer kulant. Im Gegenzug erhielten sie die Zusage für einen Stromanschluss. Damit jeder davon profitieren kann, müssen Leitungen in der Gesamtlänge von neun Kilometern verlegt werden. Während der Planung fiel den Älplern auf, dass sie die ohnehin auszuhebenden Gräben zusätzlich mit Wasserrohren ausstatten und so zwei Fliegen mit einer Klatsche schlagen können. «So fliesst demnächst beides zu uns: Strom von unten und Wasser von oben», meint Rösti.
Die Modernisierung lassen sich die Landwirte einiges kosten. Gut 30 Prozent der insgesamt 2 Millionen Franken stemmen sie aus eigener Kraft: aus dem Genossenschaftsvermögen und aus Sonderbeiträgen. Damit der Strom nicht «vor der Tür» bleibt, muss jede einzelne Älplerfamilie überdies noch für die nötige Infrastruktur in ihren Hütten sorgen – auf eigene Rechnung. Der restliche Anteil wird aus Beiträgen von LWK, KKA, Bund, Kanton und der Schweizer Berghilfe finanziert. «Und auch aus der Bevölkerung spüren wir sehr grosse Solidarität», freut sich Rösti.
Spätestens im Sommer 2020 sollen die Bauarbeiten abgeschlossen und die Energieversorgung sichergestellt sein. Das Leben auf der Alp verliert damit zwar einen Teil des Ursprünglichen. Doch die Landwirte sind überzeugt: «Nur so haben unsere Betriebe überhaupt eine Zukunft.»
Mehr Informationen zum Projekt und zum Spendenaufruf der Schweizer Berghilfe (inklusive Video) finden Sie in unserer Web-Link-Übersicht unter www.frutiglaender.ch/web-links.html