Krisenmanager(in) gesucht
14.05.2019Auch wenn es selten zu grossräumigen Notfällen kommt, ist es besser, darauf vorbereitet zu sein. Sehr wichtig ist deshalb die Rolle des Gemeindeführungsorgans GFO. Und das braucht nun einen neuen Chef. Was aber hat der- oder diejenige zu tun?
BIANCA HÜSING
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Auch wenn es selten zu grossräumigen Notfällen kommt, ist es besser, darauf vorbereitet zu sein. Sehr wichtig ist deshalb die Rolle des Gemeindeführungsorgans GFO. Und das braucht nun einen neuen Chef. Was aber hat der- oder diejenige zu tun?
BIANCA HÜSING
Wenn der «Spitze Stei» herabstürzt, kündigt sich das wahrscheinlich einige Tage vorher an und das Kandersteger Überwachungssystem schlägt rechtzeitig Alarm. Eine Person steht dann besonders unter Zugzwang: der Chef oder die Chefin des Gemeindeführungsorgans GFO. Er oder sie muss (auf Grundlage der Empfehlungen von Spezialisten) umgehend entscheiden, ob, wann und welche Massnahmen erfolgen sollen. Denn die konkreten Auswirkungen des Felssturzes sind selbst in jenem Moment noch nicht sicher. Auch ein Fehlalarm ist nicht ausgeschlossen – ziemlich viel Verantwortung also, die ein GFO-Chef trägt. Dass der Posten ausgerechnet jetzt vakant wird, kann deshalb ein Nachteil für die Personalsuche sein. Muss es aber nicht: Wer immer sich für den Posten meldet, muss jedenfalls keine Langeweile fürchten, sondern startet direkt mit einer handfesten Herausforderung. «Ausserdem», hebt Kanderstegs Gemeinderatspräsident Urs Weibel hervor, «kann er sich auf die sehr gute Vorarbeit des GFO und auf den Rat der Fachstellen stützen.» Man sei schliesslich seit einigen Monaten auf den Ernstfall vorbereitet, die Konzepte lägen vor.
Keine zwingenden Voraussetzungen
Weil der aktuelle GFO-Chef René Horisberger demissioniert hat, sucht Kandersteg nun dessen Nachfolger. Im Stelleninserat des «Frutiger Anzeigers» wird die gesuchte Person beschrieben als jemand, der flexibel und eigeninitiativ ist und vorausschauend planen kann. Einen bestimmten beruflichen Hintergrund oder Expertenwissen verlangt das Stellenprofil nicht. «Natürlich wäre es von Vorteil, wenn der- oder diejenige aus dem Bauwesen kommt oder sich zumindest am Rande damit auskennt», meint Weibel. Auch eine Stabsfunktion im Militär oder in der Feuerwehr sei sicher keine schlechte Voraussetzung. Nötig sei dies jedoch nicht. «Wir haben die Ausschreibung bewusst offen formuliert, damit sich auch jemand meldet.» Denn es gebe wenig, was man nicht lernen könne. Zudem sässen im erweiterten GFO Experten aus jedem relevanten Gebiet (siehe Kasten). «Wichtig ist primär, dass der Anwärter eine gewisse Belastbarkeit mitbringt», so Weibel, der diesen Posten selbst drei Jahre lang innehatte.
Einsatz erfordert vor allem die «Chaosphase»
In der Regel hält sich der Arbeitsaufwand in Grenzen: Pro Jahr stehen eine Abendsitzung und eine mindestens halbtägige Stabsübung mit dem Gesamt-GFO an. Mit dem Kernstab braucht es mehrere Besprechungen im Jahr. Ansonsten ist vor allem Administratives zu tun – Weibel rechnet mit 1 bis 2 Stunden in der Woche beim Normalstatus. Zeichnet sich jedoch ein Ereignis ab wie zurzeit der Felssturz, werden die Treffen häufiger und die Vorbereitungen mehr. Der GFO-Chef muss Konzepte und Planungen in Auftrag geben, die Gefahrenlage analysieren und zusammen mit dem Team einen Notfallplan ausarbeiten. Kommt es dann zum Ernstfall, ist der oder die Verantwortliche praktisch im Dauereinsatz, bis alle Rettungs- und Aufräumarbeiten delegiert und Ablösungen organisiert sind. Intern spricht man von der sogenannten «Chaosphase». Da diese mehrere Tage anhalten kann, ist es sicher vorteilhaft, wenn der Hauptarbeitgeber flexibel und verständnisvoll ist. Weibel betont jedoch: «Der GFO-Chef muss nicht bleiben, bis die letzten Keller sauber sind. Irgendwann übernehemen die Verwaltung und die beauftragten Unternehmen und bringen das Ereignis zu einem erfolgreichen Abschluss.»
«Lass dich nicht überraschen!»
Das A und O ist ohnehin die Vor- und Nachbereitung. Mit einem guten Konzept im Rücken lassen sich die meisten Situationen bewältigen. Doch selbst die beste Vorbereitung schützt vor Fehlentscheidungen nicht. Manchmal erfordert die Realität im Ernstfall auch kurzfristige Planänderungen – da braucht es nicht nur einen kühlen Kopf, sondern auch eine gewisse Flexibilität im Denken. «Die Auswertung nach einem Ereignis ist deshalb ebenso wichtig wie die Planung im Vorfeld», so Weibel, der als Gemeinderatspräsident Teil des erweiterten GFO ist. «Wir hinterfragen unsere Rolle dann jeweils selbstkritisch: Haben wir die richtigen Entscheidungen getroffen oder uns auf falsche Aspekte konzentriert?» Weibel stellt die Tätigkeit des Krisenstabs unter das Motto: «Lass dich nicht überraschen!»
Ein Appell an die Solidarität
Das aktuelle Gremium besteht zwar ausschliesslich aus Kanderstegern. Eine zwingende Voraussetzung ist allerdings auch das nicht. Weibel appelliert jedoch an die Solidarität im Dorf: «Es geht schliesslich um die Sicherheit aller.» Wie bei jedem Ehrenamt sei die Nachfolgesuche auch beim GFO stets ein Kraftakt.
Bisher sei zwar noch keine Bewerbung eingegangen. Der Gemeinderatspräsident gibt sich dennoch zuversichtlich, dass sich melden wird. «Die Tätigkeit ist alles in allem enorm spannend», findet er. Und da es glücklicherweise selten zu Ereignissen komme, sei der Arbeitsaufwand «verkraftbar».
Die Bewerbungsfrist läuft noch bis am 17. Mai. Die Unterlagen müssen bis dahin eingetroffen sein bei: Einwohnergemeinde Kandersteg, Kennwort «Chef GFO», z.H. Verena Packmor, Aeussere Dorfstrasse 26, 3718 Kandersteg.
Krisenstäbe auf allen Ebenen
Im Notfall braucht es jemanden, der entscheidet. Auf Gemeindeebene sind das die Gemeindeführungsorgane (GFO) – Adelboden und Kandersteg haben jeweils ein eigenes, Krattigen und Aeschi teilen sich eines. Für Frutigen, Kandergrund und Aeschi ist das Regionale Führungsorgan Gehrihorn zuständig. Auch auf Verwaltungskreis-, auf kantonaler und auf nationaler Ebene sind Führungsorgane tätig.
In Kandersteg besteht der Kernstab aktuell aus acht Mitgliedern, die jeweils einen Bereich abdecken (Chef und Stellvertreter, Lage-Chef, Chef ZSO Niesen, Information, Feuerwehr, Naturgefahren und öffentliche Sicherheit). Zum erweiterten GFO gehören gemeindeeigene und externe Fachbereichs-Experten, die je nach Situation beigezogen werden.
Die Gesamtverantwortung trägt der Gemeinderat – er beschliesst in Fällen, in denen das GFO nicht selbst entscheiden kann, über die vorgeschlagenen Massnahmen. Damit die Entscheidungswege kurz bleiben, sind Rat und Verwaltung angemessen im GFO vertreten.
HÜS
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