Leidenschaft für Sport – und Holz
08.11.2019 Frutigen, Bildung|SchuleFür ihr Abschlussprojekt erhielten die beiden angehenden Zimmermänner Nicola Fankhauser (Diemtigen) und Nino Steiner (Steffisburg) grosse mediale Aufmerksamkeit: ein Velo aus Holz. Was aber lief hinter den Kulissen ab?
MICHAEL SCHINNERLING
Nino Steiner (19) und ...
Für ihr Abschlussprojekt erhielten die beiden angehenden Zimmermänner Nicola Fankhauser (Diemtigen) und Nino Steiner (Steffisburg) grosse mediale Aufmerksamkeit: ein Velo aus Holz. Was aber lief hinter den Kulissen ab?
MICHAEL SCHINNERLING
Nino Steiner (19) und Nicola Fankhauser (18) erhielten im August den Auftrag, ein selbstständiges Projekt unter dem Motto «Just do it» zu erstellen. Sie besuchen die 4a an der Berufsschule des bzi in Frutigen. Bald kamen sie auf die Idee, sich zusammenzutun und eine gemeinsame Arbeit zu gestalten. Beide sind sportlich unterwegs, diese Leidenschaft verband die angehenden Zimmermänner während der letzten vier Jahre. «Wir bauen ein hölzernes Velo», dachte sich Steiner bei einer Zugfahrt. Schnell begann die Umsetzung mit dem Ziel, Sport und Holz in Einklang zu bringen. «Als erstes suchten wir nach ähnlichen Modellen, fanden aber kein Velo, das durchgehend aus Holz bestand. Uns wurde nach und nach klar: Wir brauchen Hilfe von Profis», so Fankhauser. Sie schrieben elf Velohändler an und bekamen zehn Absagen. Das war zwar nicht schön, entmutigte die zwei allerdings nicht. Im Gegenteil: Ihr Ehrgeiz, etwas zu bauen was es so noch nicht gibt, war geweckt.
Hilfe gesucht und gefunden
«Es gibt kein Problem, sondern nur Lösungen», ist das Motto der angehenden Zimmermänner. Bei DesignYourBike Bern rannten sie offene Türen ein. Der Velohändler stellte Wissen und Arbeitsmaterial zur Verfügung. Langsam setzten Fankhauser und Steiner ihre Idee in die Realität um. Es wurden CAD-3-D-Zeichnungen erstellt. Bei Boss Holzbau in Thun wurde nun geschraubt, studiert und getüftelt. Die Holzart war schnell gefunden. «Nussbaum ist ein Hartholz und Eschenholz ein weiches. Zusammen sind sie ideal für den Rahmen und ergeben Stabilität und doch genügend Abfederung», erklären die zwei. Sie erstellten einen Rahmen mit sieben Holzschichten pro Seite. Mit zwei Lagen Glasfasergewebe wurden die Holzschichten verstärkt. Verleimt wurde das Ganze mit Epoxidharz. «Verwendet haben wir Abfallholz, das uns bei der Suche nach geeignetem Material auffiel. Das nennt man dann perfektes Recycling», meint Fankhauser.
Jedes Bike ein Einzelstück
Der ganze Rahmen ist aus Holz und mit Wood Performance angeschrieben. Wood Performance soll als Start-up-Unternehmen lanciert werden. Am Hinterund Vorderrad sind Scheibenbremsen montiert. Konstruiert wurden diese von den angehenden Zimmermännern. Die Räder sind 27,5-Zöller und 35 mm breit. Das Velo hat eine 8-Gang-Nabenschaltung und ist für Fahrten in der Stadt geeignet. Die Gabel ist aus Carbon. Eine Metallverstärkung ist am Rahmen angebracht und kann individuell angeschrieben werden. «So lässt sich jedes Bike personalisieren. Denn jedes Velo ist aufgrund der Holzstruktur ein Einzelstück», erklärt Steiner. Einzig das Gewicht von 16 Kilogramm bereitet den beiden Kopfzerbrechen. Ideen zur Gewichtsreduktion haben sie allerdings schon. Diese Arbeit fliesst in die Abschlussnote der Zimmerleute ein. Die Zuversicht, dass das Projekt in der Schule gut ankommt, ist gross. «Wir haben vor zwei Wochen das Holz-Bike in den Medien vorgestellt und schon viele Vorbestellungen erhalten.»
HANS GERMANN, BZI-ABTEILUNGSLEITER HOLZBERUFE, IM INTERVIEW
«Verlangt sind nicht unbedingt fertige Produkte, sondern Prozesse und schräge Ideen»
«Frutigländer»: Herr Germann, wann sind Fankhauser und Steiner mit der Idee zu Ihnen gekommen?
Hans Germann: Sie entwarfen und bauten das Holz-Bike im Rahmen ihrer Vertiefungsarbeit des Allgemeinbildenden Unterrichtes (ABU). Das Klassenthema für die Prüfungsarbeit lautete «Just do it». Verlangt sind nicht unbedingt fertige Produkte, sondern eher Prozesse, Experimente und schräge Ideen, an denen man herumexperimentiert und «Stolpersteine» sucht.
Wie läuft das ab und was kommt dabei heraus?
Mit diesem Schlussarbeitsthema befassen sich insgesamt 55 lernende Zimmerleute im 4. Lehrjahr, aufgeteilt in 2er- und 3er-Gruppen, selten alleine oder in einer 4er-Gruppe. Geprüft wird nebst der Fach- vor allem die Sozialkompetenz. Dabei entstehen die unterschiedlichsten Arbeiten: Der Bau eines Kanus, eines Billardtisches, das Herstellen eigenen Bieres, das Kreieren und Singen eines Jodels, Helifliegen, Longboardfahren von Thun nach Basel, eine Survivalwoche im Oktober auf über 1000 Metern – nur ausgerüstet mit Taschenlampe und Sackmesser – und eben das Holzvelo.
Wie konnten Sie den beiden helfen? Welchen Einfluss hatten sie auf die Entstehung?
Ich begleite die Gruppen nur in ihren Prozessen und überprüfe die Zielsetzungen auf mögliche objektive Gefahren. Den Weg gehen mussten also auch diese beiden selbst – mit Verfahrenstechniken wie Holzwahl, Verleimen, Einsatz von Glasfaser usw.
Im November wird das Bike vorgeführt. Hat die Schule dafür einen speziellen Rahmen oder wie läuft das ab?
Ich selbst erhalte die Schlussarbeit nächsten Mittwoch, das Velo sehe ich erstmals am 29. November. An diesem Tag präsentieren die beiden ihre Prüfungsarbeit von 9–9.30 Uhr. Der Anlass ist nicht öffentlich.



