Diesmal gewann Goliath
03.12.2019 Frutigen, SportBILLARD Gerade einmal anderthalb Stunden stand er am grünen Tisch: Nach drei Frames (Spielen) in einer Best-of-5-Serie bezwang der Frutiger Dan Salzmann seinen Gegner klar mit 3:0 – und holte sich damit den Junioren-Schweizermeistertitel im Snooker.
KEREM S. MAURER
BILLARD Gerade einmal anderthalb Stunden stand er am grünen Tisch: Nach drei Frames (Spielen) in einer Best-of-5-Serie bezwang der Frutiger Dan Salzmann seinen Gegner klar mit 3:0 – und holte sich damit den Junioren-Schweizermeistertitel im Snooker.
KEREM S. MAURER
In der Billardhalle des «Benteli’s» in Bern-Bümpliz standen am vergangenen Sonntagnachmittag drei Finalspiele der Schweizermeisterschaft im Snooker auf dem Programm. Die Finals der A- und B-Liga sowie jener der Junioren wurden parallel ausgetragen.
Die Geräuschkulisse war gedämpft, das Licht gedimmt, lautes Gerede oder Lärm verpönt. Die grünen Tische standen, durch eine Glaswand abgeschirmt, in einem separaten Raum, der von Zuschauern nur an der Stirnseite betreten werden durfte. Offiziellen Fotografen war der Zutritt zwar gestattet, doch nur, wenn diese sich absolut still verhielten und sich nicht bewegten. Selbst das charakteristische Klicken einer Spiegelreflexkamera hätte ausgeschaltet werden müssen. Kurzum: Alles, was die Konzentration der Snookerspieler hätte stören können, war tunlichst zu vermeiden. Selbst die Schiedsrichter trugen zu ihrem schwarzen Anzug weisse Handschuhe – Fingerabdrücke auf den Kugeln könnten deren Lauf beeinträchtigen.
Die Spieler selbst trugen eine schwarze Bundfaltenhose, ein weisses Hemd, Gilet und Fliege. Die Szenerie hatte etwas Stil- und Würdevolles. Eindrücklich, als die Spieler zu Beginn der Finalspiele im sogenannten Walk-in, begleitetet von Musik und dem Applaus der Zuschauer, einer nach dem anderen an ihre Tische schritten.
«Das wäre eine Blamage!»
Dan Salzmann aus Frutigen spielte am hintersten Tisch den Junioren-Final gegen Jenson Schmid vom Snookerclub Basel. Salzmann ist 15 Jahre alt und 1,86 gross. Jenson dagegen erst 10 und nur 1,40 gross. Der Vergleich von David gegen Goliath drängte sich auf. Nicht zuletzt deshalb, weil der kleine Jenson in den letzten beiden Turnieren, an denen die beiden gegeneinander spielten, gegen Salzmann gewonnen hatte. «Gegen einen älteren, erfahreneren Spieler zu verlieren, wäre ja noch okay. Aber nicht gegen Jenson, der erst seit einem halben Jahr snookert. Das wäre eine Blamage!», sagte Dan und baute sich so selber Druck auf.
Wirklich nervös sei er erst geworden, als er am Morgen des Finaltags mit dem Zug nach Bern reiste. In den Wochen zuvor war er regelmässig an den Mittwochnachmittagen hierher gekommen, um auf dem Tisch zu trainieren, auf dem er am Sonntag auch den Final spielte. «Viele Clubkollegen haben mir hilfreiche Tipps gegeben», so Salzmann. Auch habe er immer wieder schwierige Spielsituationen geübt. Und schliesslich gewinnt David nicht immer gegen Goliath, manchmal hat David schlicht das Nachsehen.
Das Haar an der Kugel
Dan Salzmann startete sehr nervös und musste mit ansehen, wie Jenson gleich im ersten Frame in Führung ging. «Ich stellte mir ruhige Musik im Kopf vor, um meinen Puls herunterzubringen», erzählte Salzmann später. Auch habe er kaum darauf geachtet, was Jenson machte, sondern sich nur auf den Tisch konzentriert. «Ich hatte nur einen Gedanken: sicher ans Ziel kommen, die einfachen Kugeln spielen und keine unnötigen Risiken eingehen.»
Jede versenkte Kugel verlieh dem jungen Frutigländer ein bisschen mehr Selbstvertrauen. Dan setzte im zweiten Frame zu einem Stoss an, entdeckte ein Haar auf dem weissen Spielball und bat den Schiedsrichter, es zu entfernen. Dieser nahm mit langsamer, kontrollierter Bewegung die aus hochreinem Phenolharz (Aramith) hergestellte Kugel mit seiner weissbehandschuhten Hand, polierte sie und setzte sie wieder exakt dort ab, wo sie vorher gelegen hatte. Solche Sachen seien nicht überkandidelt, sondern gerade auf diesem Niveau sehr wichtig, erklärte Dans Vater Erich Salzmann, der beim Swiss Snooker Verband für die Medienarbeit zuständig ist. Man müsse jede Fehlerquote von vornherein ausschalten, damit man dann, wenn der Stoss misslungen sei, den Fehler bei sich selber suche – und sich nicht in faulen Ausreden verstricke.
Das Reinigen des Spielsballs zeigte offenbar Wirkung: Dan versenkte die Kugel souverän.
Eine Wissenschaft für sich
Nach jedem Stoss, ob erfolgreich oder nicht, stellten die Spieler ihre Queues aufrecht vor sich hin, zückten mantraartig den typischen blauen Kreidewürfel aus der Gilettasche und rieben damit die Queuespitze ein. Auch dies sei notwendig, erläuterte Erich Salzmann, denn dadurch erhalte das Queue beim Kontakt mit der Kugel den notwendigen Grip. Das sei wichtig, um ihr den gewünschten Drall zu geben.
Snookern ist eine Wissenschaft für sich – und wesentlich spannender, als man sich das auf den ersten Blick vielleicht vorstellt. Umso erstaunlicher war die geringe Zahl der Zuschauenden. Zu den drei Finalspielen fanden sich nur etwa fünfzig Interessierte ein, meist Angehörige der Spieler. Im letzten Jahr in Basel hätte es mehr Zuschauer gehabt, bedauerte Erich Salzmann. Doch dies war Dan egal. Er gewann seinen Junioren-Schweizermeistertitel mit einem glatten 3:0-Sieg und liebäugelt nun bereits mit der U-21-Europameisterschaft. «Vielleicht finde ich jetzt sogar Sponsoren», sagte der frischgebackene Schweizermeister und strahlte glücklich.
Regeln und Taktik
Beim Snooker müssen die Spieler abwechselnd eine der roten, dann eine farbige Kugel versenken. Solange es noch rote Kugeln gibt, werden die farbigen nach dem Versenken wieder ins Spiel genommen. Sind alle roten Kugeln versenkt, müssen die farbigen Kugeln ihrer Wertigkeit folgend versenkt werden: zuerst die gelbe (2 Punkte), dann die grüne (3), die braune (4), die blaue (5), die pinke (6) und zum Schluss die schwarze Kugel (7). Für jede versenkte rote Kugel gibt es einen Punkt. Normalerweise wird mit 15 roten, sechs farbigen und einer weissen Kugel gespielt. Insgesamt sind bei einem Snookerspiel 147 Punkte möglich. Dies erreicht ein Spieler, wenn er nach jeder roten Kugel immer die schwarze versenkt und seinen Gegenspieler nie zum Spielen kommen lässt. Es werden Serien gespielt, zum Beispiel Best-of-5 wie beim Juniorenfinal. Das heisst, wer zuerst drei Frames, also Spiele, in einer Serie gewinnt, hat den Match gewonnen.
Zur Snooker-Taktik gehört es, den weissen Spielball so abzulegen, dass der Gegner die nächste anzuspielende Kugel nicht direkt erreichen kann. Gelingt das, spricht man von «Snookern» (englisch: sperren, behindern).
KSM