KOLUMNE – FROM THE OTHER SIDE
31.01.2020 KolumneDie Sache mit den Larrikins
Ein Larrikin ist nicht etwa ein bunter australischer Vogel oder eine tödliche Wüstenschlange. Nein, der Larrikin ist ein Mensch – ein Rowdy, ein Rüpel. Ein gutmütiger zwar, aber auch einer, der Problemen nicht unbedingt aus dem Weg geht. ...
Die Sache mit den Larrikins
Ein Larrikin ist nicht etwa ein bunter australischer Vogel oder eine tödliche Wüstenschlange. Nein, der Larrikin ist ein Mensch – ein Rowdy, ein Rüpel. Ein gutmütiger zwar, aber auch einer, der Problemen nicht unbedingt aus dem Weg geht. Strassenschlau. Oder buschschlau, müsste man hier wohl eher sagen. Der Begriff wurde im 19. Jahrhundert populär, damals, als es mit Recht und Ordnung doch an manchen Orten im Land noch so haperte. Die sogenannten «Bushranger» waren hauptsächlich junge Männer, die sich gegen die Kolonialbehörden auflehnten. Oft waren es Nachfahren von Deportierten, die in Armut aufwuchsen, kaum Perspektiven hatten und mit den Behörden eher wenig am Hut hatten. Die unglaubliche Grösse des Landes kam ihnen entgegen – im Busch konnte man sich gut verstecken und ab und zu irgendwo ein Pferd stehlen. Nun, die Zeit der Bushranger und Larrikins war gegen Anfang des 20. Jahrhunderts und mit der Stabilisierung der australischen Gesellschaft mehr oder weniger vorbei. Was allerdings jetzt erst so richtig anfing, war die Idealisierung des Larrikin-Spirits. Plötzlich war man stolz auf die alten Bushranger und ihre Unangepasstheit. Ihre Gleichheit unter Brüdern. Ihre Regelbrüche. Der berühmteste unter ihnen, Ned Kelly, muss sich heute vor Robin Hood und Crocodile Dundee nicht verstecken.
Man begann, Australien als Land zu sehen, in dem alle Menschen gleich waren, in dem es keine Elite gab, in dem der Politiker ein Mann des Volkes war und blieb. Der Australier aus der Nachkriegszeit – und bis heute – hat es nicht so mit Autoritäten und Regeln. Das zeigt sich auch in der Sprache: Egal ob Königin oder Nachbar, ob Polizistin oder Bettler, alle kriegen sie zunächst einmal ein kollegiales «G’day, mate!» zu hören (die Queen vielleicht nur hinter vorgehaltener Hand). Dieser Larrikin-Spirit wird so sehr idealisiert, dass einer der beliebtesten Premierminister heute noch vor allem deshalb verehrt wird, weil er keine Gelegenheit ausliess, jovial ein Bierchen oder zwei zu kippen. Dabei gehört er zu jenen, die politisch sehr viel zustande gebracht haben.
Das Bedürfnis der Australier, einen «mate» an der Spitze der Regierung zu haben, hat bisher hauptsächlich dafür gesorgt, dass regelmässig Typen diese Position einnehmen, die von Tuten und Blasen und der Lenkung eines modernen Staates kaum eine Ahnung haben. Wer in Australien bis nach oben kommen will, braucht weniger Kompetenz als viele «mates», mit denen man gemeinsam in die (Privat-)Schule gegangen ist, mit denen man Rugby gespielt und zottige Witze gerissen hat. Und schafft es mal ein anderer Typ, dauert es nicht lange, bis das Messer im Rücken steckt.
Trotzdem wird immer wieder beklagt, dass es mit dem Larrikin-Spirit zu Ende geht. Zu viele Regeln, zu viele Verbote, zu viele Neuankömmlinge mit anderem kulturellen Hintergrund. Was jene, die sich beklagen, dabei gerne vergessen: Die Larrikin-Kultur war immer sehr angelsächsisch, sehr weiss und extrem männlich. Egalitär, aber nur unter Gleichen. Pech schon immer für jene, die damit nicht viel anfangen können.
SANDRA BUOL
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