KOLUMNE – UNTERLÄNDER IM OBERLAND - Stiller Januar …
07.01.2020 KolumneStiller Januar …
Januar – diesen Monat mag ich in den Bergen am liebsten: verschneite Bäume … der Engstligen-Bach mit seinen glitzernden Steinen, auf denen Eisblumen blühen … der gefrorene Wasserfall, der wie eine gigantische Skulptur am Berg klebt. Und ...
Stiller Januar …
Januar – diesen Monat mag ich in den Bergen am liebsten: verschneite Bäume … der Engstligen-Bach mit seinen glitzernden Steinen, auf denen Eisblumen blühen … der gefrorene Wasserfall, der wie eine gigantische Skulptur am Berg klebt. Und natürlich: der Wildstrubel mit seinem Schneerücken, so wie wir ihn als Kinder auch im Sommer kannten.
Irgendwie hat die stille Winterwelt nach dem knallenden Neujahrsrummel etwas Verzaubertes, Magisches.
Und vor allem: Man ist unter sich.
Touristen kommen nur am Wochenende. Oder dann wie Heuschreckenschwärme ans grosse Rennen.
Jetzt wird das kleine Adelboden zum grossen Weltort. Schon nach dem ersten Lauf ist mein Garten vollgepisst, vollgekotzt – nein. D a s muss ich nicht haben. Ich ziehe Leine. Und verdufte nach Thun, wo die Januar-Welt sanft und in Ordnung ist.
Klar. Der Weltcup muss sein. Er bringt Geld. Er bringt Leute. Vor allem aber bringt er wichtige Werbung für den Ort.
Und nochmals klar: Ich bin stolz, wenn meine Freunde im Ausland beim Wort «Adelboden» aufhorchen. Und dann fragen: «… ist das nicht der Ort, wo diese Rennen stattfinden!?»
Es i s t dieser Ort.
Aber lieber wäre mir, sie würden sagen: «Ist das nicht dieser wunderbare Fleck im Berner Oberland, wo die Leute einen so freundlich willkommen heissen … und die Schweizer Gastfreundschaft zelebrieren?» Das sagen sie jedoch nicht. Nur: «Tomba hat hier Triumphe gefeiert ˚ …» Oder: «… ich habe da mal 4.80 Franken für einen Milchkaffee bezahlt!».
Abgesehen vom Rennrummel ist der Januar der allerschönste Bergmonat: Man hat die Schneewanderwege und auch die Pisten ganz für sich alleine. Anstehen am Skilift gibts nur am Wochenende. Und in der Beiz haben die Wirte gar einen Moment Musse, mit ihren Stammgästen am Tisch zu hocken.
Max, unser Römer Freund, ist ganz wild nach diesen eiskalten Januarwochen im Adelbodner Traumland.
Einmal fuhr er an und es lag kein Schnee. Für ihn war das, als hätte ihm einer das Christkind aus der Krippe gestohlen.
«Ich kann das Wetter auch nicht machen …», stoppte ich sein Lamento ziemlich unwirsch.
«ABER ICH KOMME EXTRA WEGEN DES SCHNEES AUS DEM SÜDEN HIERHER», jammerte er. Und fragte nach der Kirche. Denn wenn Italiener nicht weiterwissen, gehen sie immer zum lieben Gott.
Ich führte ihn also ins Dorf. Und er brummte, als wir die wunderbare, alte Ortskirche betraten: «Die ist nicht katholisch … sie hat keine Maria, der ich eine Kerze stiften kann …»
«… ABER SIE HAT DIE PRÄCHTIGSTEN KIRCHENFESTER DER SCHWEIZ! SIE SIND VON AUGUSTO GIACOMETTI …», konterte ich nun ziemlich entnervt.
Also ging Max vor Giacomettis Fenster auf die Knie.
Drei Stunden später schickte der Himmel fette Flocken. Und machte aus Adelboden den verschneiten Wintertraum.
Als ich Max dann im Sommer in Ostia, dem römischen Badeort am Meer, besuchte, schiffte es drei Wochen à gogo! «Ich komme aus dem Norden und will Sonne in Italien …», tobte ich. Er führte mich in die Kirche des Badeorts und drückte mir eine Kerze für Maria in die Finger: «Da! Bitte die Heilige Mutter um ein Wunder …» Ich bat. Aber es schüttete, bis ich wieder abreiste. Giacomettis Fenster waren stärker …
- MINU
MINU@MINUBASEL.CH