MUSS MAN ALLES WISSEN?
Nicht gerade freudestrahlend sitzt Klein Johann Gottlieb Schneider auf dem Schoss seiner Grossmutter, also meiner Ururgrossmutter väterlicherseits. Diese macht ebenfalls ein sehr ernstes Gesicht auf dem leicht vergilbten Schwarz-Weiss-Bild. Ich habe ...
MUSS MAN ALLES WISSEN?
Nicht gerade freudestrahlend sitzt Klein Johann Gottlieb Schneider auf dem Schoss seiner Grossmutter, also meiner Ururgrossmutter väterlicherseits. Diese macht ebenfalls ein sehr ernstes Gesicht auf dem leicht vergilbten Schwarz-Weiss-Bild. Ich habe es ja nicht so mit der weitläufigen Verwandtschaft. Und dennoch habe ich die Zeit über den Jahreswechsel genutzt und endlich die gros se Kartonschachtel mit den Familienfotos digitalisiert. Darin ist auch oben erwähntes Bild aufgetaucht.
In derselben Zeit habe ich auch einen Text gelesen, in dem jemand ausführlich beschreibt, wie eine DNA-Analyse sein Leben verändert hat. Er wusste anschliessend nicht nur, dass er wohl zu über 50 Prozent aus dem nordeuropäischen Raum stammt und zudem einen hohen Anteil aus dem Mittelmeerraum in sich trägt. Das konnte er sogar mit einem Grosselternteil erklären. So richtig spannend wurde es aber, als in der Datenbank des privaten Analyseunternehmens ein Hinweis auf einen möglichen und bisher unbekannten Verwandten auftauchte. Es stellte sich nach einem ersten Mailkontakt heraus, dass dieser ein Adoptivkind war und sie einen gemeinsamen Vater hatten. Auf der anderen Seite des Atlantiks hatte er plötzlich einen Halbbruder!
Die Möglichkeiten dieser DNA-Analysen sind faszinierend – aber lassen einen auch nachdenklich werden. Für wenige hundert Franken liefern die Labors in den USA – wo der Datenschutz kaum existiert – Angaben darüber, welche Lebensmittel für dich besonders geeignet sind, für welche Krankheiten du besonders anfällig bist und eben auch, woher du stammst. Natürlich ist das immer mit einer gewissen Unsicherheit verbunden, je nach Datenlage.
Das Woher und Wohin sind aber durchaus spannende Fragen für uns Menschen. Ich überlege mir seither ernsthaft, eine Basisanalyse machen zu lassen, mehr als ein Wattestäbchen mit Speichel ist dazu nicht nötig. Doch worauf würde ich mich da einlassen? Tauchen da plötzlich Indizien für schreckliche Krankheiten auf oder sogar neue bisher unbekannte Verwandte? Hmmm ... ich überleg mir das mit dem Test vielleicht doch noch mal …
HANS RUDOLF SCHNEIDER
H.SCHNEIDER@FRUTIGLAENDER.CH