KOLUMNE – FRÜSCH VOR LÄBERE WÄG - Wie lange noch will sich das Land von der Stadt überstimmen lassen?
18.02.2020 KolumneWie lange noch will sich das Land von der Stadt überstimmen lassen?
Es freut mich sehr, künftig als Kolumnist zu meist politischen Themen für den «Frutigländer» tätig zu sein. Beruflich amte ich als Gemeindeverwalter der Gemeinde Oberwil im Simmental, nebenbei darf ...
Wie lange noch will sich das Land von der Stadt überstimmen lassen?
Es freut mich sehr, künftig als Kolumnist zu meist politischen Themen für den «Frutigländer» tätig zu sein. Beruflich amte ich als Gemeindeverwalter der Gemeinde Oberwil im Simmental, nebenbei darf ich als Co-Parteipräsident der Jungen SVP Kanton Bern in unserer kantonalen und nationalen Politik mitmischen. Ich bin Frutigländer durch und durch. Von 2002 bis vor wenigen Wochen wohnte ich in Frutigen, absolvierte von 2012 bis 2015 meine KV-Lehre bei der Gemeindeverwaltung Kandersteg und bin oft auf Wanderwegen im Kiental und anderen Berggebieten rund um Niesen, Elsig- und Gehrihorn anzutreffen. In diesem Sinne hoffe ich, Ihre Gedankengänge mit meinen Texten, welche «früsch vor Läbere wäg» kommen, anregen zu können. Rückmeldungen – positiv wie auch negativ – nehme ich jederzeit gerne entgegen.
Neun von zehn Verwaltungskreisen waren ausgezählt. Der Vorsprung relativ knapp, aber deutlich. Mit über 52 Prozent und 7421 Stimmen Vorsprung lehnte eine Mehrheit der Regionen Oberland, Seeland, Emmental, Thun und Oberaargau den Kredit über 3,3 Millionen Franken zur Planung, Projektierung und Realisierung eines Transitplatzes für ausländische Fahrende in Wileroltigen ab. Das Frutigland sagte gar mit über 60 Prozent überdeutlich Nein.
Zugegeben, als Referendumsführer war ich angesichts der hervorragenden Umfragewerte (angeblich hätte es eine Ablehnung in Höhe von 57 Prozent geben sollen) sowie der bisher eingegangenen Resultate zuversichtlich, dass wir die Sensation schaffen würden, als kleine Jungpartei erneut eine Mehrheit des Berner Stimmvolks zu gewinnen. Es ist leichter gesagt als getan, sich von Umfragen nicht zu sehr beeinflussen zu lassen. Und schliesslich kam es so, wie es in unserem Kanton wohl jeweils kommen muss – der «Klassiker» traf ein. Die rot-grüne Stadt Bern stellte der Landbevölkerung in letzter Sekunde ein Bein. Einmal mehr liegt zwar ein direktdemokratisch gefällter, zu akzeptierender Volksentscheid vor, der jedoch Anlass zu grossen Bedenken gibt. Das Land musste sich der Stadt unterwerfen. Wileroltigen, welches vom Projekt am stärksten betroffen ist, lehnte den Kredit bei einer noch nie dagewesenen Stimmbeteiligung in Höhe von über 80 Prozent mit 91,1 Prozent wuchtig ab. Bereits 2015 wollte die Stimmbevölkerung des ländlichen Raumes einen gewissen Herrn Namens Rösti in den Ständerat wählen – doch die Stadt überstimmte das Land. 2019 beim von SVP-Regierungsrat Schnegg lancierten Sozialhilfegesetz: dieselbe Geschichte.
Ich frage mich, ob es nicht an der Zeit wäre, das Abstimmungssystem im Kanton Bern dahingehend zu modernisieren, dass der Stadt-Land-Graben endlich überwunden werden kann. Ein probates Mittel hierfür könnte beispielsweise lauten, eine Art «Ständemehr» auf kantonaler Ebene einzuführen. «Verwaltungskreisemehr», müsste man dies wohl nennen. Eine Initiative oder auch ein neues Gesetz, gegen welches das Referendum zustande gekommen ist, würde nur dann als angenommen gelten, wenn eine Mehrheit sämtlicher zehn Verwaltungskreise zugestimmt hat. Mit dieser Massnahme wäre sichergestellt, dass die Interessen der Randregionen nicht jedes Mal von den Städten Bern und Biel aufgehoben oder überstimmt würden.
Diesen Kolumnentext verfasse ich im Flugzeug zwischen Zürich und Melbourne – Erholungsferien von den Abstimmungen. Nein, ich habe keine Flugscham – dies muss man in der heutigen Zeit ja dringend deklarieren. Aktuell befinde ich mich im Luftraum leicht ausserhalb von Teheran, der Hauptstadt des Iran. Die Leute dort unten haben andere Probleme als wir. Ein Stadt-Land-Graben existiert in diesen Breitengraden wohl nicht, erst müsste eine funktionierende Demokratie gewährleistet sein. Dies stimmt mich nachdenklich. Wir leben in der Schweiz wie auch im Kanton Bern in einem im internationalen Vergleich gesehen einzigartigen, hervorragenden Politsystem. Und trotzdem hat es Fehler. Trotzdem wird es in naher Zukunft unumgänglich sein, jene Fehler zu korrigieren. Für mich persönlich ist klar: Das Land darf sich nicht länger von der Stadt auf der Nase herumtanzen lassen.
NILS FIECHTER
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