Tunnel, Galerien, neue Strassen – die Planung des VBS
28.02.2020 Kandergrund, Blausee, MitholzViele der technischen Details der Räumung müssen noch geklärt werden, deshalb auch die lange Vorlaufzeit. Die grobe Planung ist jedoch bekannt, es gibt auch einen Plan B. Eine Übersicht.
Was im Dezember 1947 genau in der Fluh in Mitholz passiert ist, ist nicht ...
Viele der technischen Details der Räumung müssen noch geklärt werden, deshalb auch die lange Vorlaufzeit. Die grobe Planung ist jedoch bekannt, es gibt auch einen Plan B. Eine Übersicht.
Was im Dezember 1947 genau in der Fluh in Mitholz passiert ist, ist nicht vollständig geklärt. Die damals nicht explodierten Geschosse und die nicht entsorgten Munitionsrückstände erfordern heute einen grossen Aufwand. So stellt sich das VBS deren Räumung vor:
• In Phase 1 werden die bisherigen Planungen insbesondere von Schutzmassnahmen und der Munitionsentsorgung intensiviert. Die Notumfahrung auf der linken Talseite ist bereit zur Umsetzung und die geologisch instabile Felsformation Dreispitz vor der eigentlichen Fluh wird abgetragen. Zeithorizont: 2021 bis 2024, allein das Abtragen der losen Felsen kann bis 2029 dauern. Kurzzeitige, aber planbare Evakuierungen der Bevölkerung sind möglich.
• Parallel dazu wird in Phase 2 ein Zugang im südlichen Teil des Stollens gebaut. Eine Proberäumung im weniger problematischen Nordteil wird weitere Aufschlüsse über die alte Munition geben. Zeitdauer: 2021 bis 2024. Kurzzeitige Evakuierungen sind möglich.
• Phase 3: Die baulichen Schutzmassnahmen (Galerien, Mauern, Dämme, Netze) werden realisiert und die Munitionsentsorgungsanlage wird installiert. Zeitdauer: 2024 bis ca. 2031.
• Die heisse Phase 4 umfasst die Räumung des munitionsverseuchten ehemaligen Bahnverladestollens im Tagbau an verschiedenen Stellen. Ein Teil der Fluh wird dabei abgetragen, um Zugang zu erhalten. Gut 3500 Tonnen Rückstände werden in und vor der Fluh vermutet. Pro Laufmeter Stollen sind es rechnerisch sechs Tonnen. Diese gefährlichste Phase bedingt den Wegzug der Bevölkerung. Zeithorizont 2031 bis 2041.
Mehr Informationen beschaffen
VBS-Projektleiter Hanspeter Aellig stellte fest, dass heute noch zu wenig Informationen über die Situation im Berg vorliegen, weder über die Art und den Zustand der Munitionsrückstände noch über deren genaue Lage im zugeschütteten Stollen. «Der hinterste Teil des Stollens konnte seit der Explosion 1947 noch nie betreten werden.» Deshalb gibt es diverse flexible Teile im Räumungskonzept, die je nach Situation neue Entscheidungen bedingen.
So lautet derzeit zumindest die Planung. In der zweiten Jahreshälfte 2020 wird der Bundesrat im Wissen um die Rückmeldungen aus der Mitwirkung entscheiden, wie es konkret weitergeht. Dabei geht es weniger um technische Fragen. Zentral wird das Bekenntnis des Gesamtbundesrats für die Kompletträumung inklusive aller Konsequenzen sein.
Kandersteg will Anschluss
Vorgestern wurde ebenfalls in Kandersteg öffentlich über das weitere Vorgehen informiert. Die Interessen zuhinterst im Tal unterscheiden sich von denjenigen der Mitholzer. Es geht um die dauernde und sichere Erreichbarkeit mit Bahn und Auto, sei es für Pendler, für die Versorgung oder die Touristen. Das VBS hat deshalb für die Räumungsphase vorgesehen, die BLS-Linie in Mitholz mit einer Galerie zu schützen, diese würde vom ehemaligen Bahnhof entlang der ganzen Kurve quer durchs Tal führen.
Für die Strasse ist einerseits eine massive Schutzgalerie mitten durch das ganze Dorf denkbar. Alternativ wird eine Verlängerung des Lawinenschutztunnels talauswärts vorgeschlagen oder die komplette und dauerhafte Verlegung der Transitstrasse auf die linke Talseite. Die Linienführung würde in etwa der geplanten Notumfahrung folgen, an den lawinengefährdeten Stellen müssten Galerien oder Tunnel erstellt werden. Der Gemeinderat hat sich bereits mit der BLS kurzgeschlossen, um bei einer allfälligen Sperrung der Bahn in Mitholz via Lötschberg-Tunnel ausweichen zu können. Das bedingt entsprechende Reserven an Zugskompositionen. Das gilt vor allem für die Versorgung Kanderstegs.
Die Walliser machen (zu wenig) Druck
Am Kandersteger Informationsanlass waren auch eine Delegation aus dem Lötschental sowie weitere Walliser Vertreter anwesend. Sie werden ebenfalls ihre Anliegen in der Mitwirkung einbringen – und fordern ultimativ offene Verbindungen ins Kandertal. Im Gegenzug forderte der Kandersteger Gemeinderatspräsident Urs Weibel die südlichen Nachbarn auf, sich in Bern für die Anliegen stark zu machen – insbesondere der Kanton müsse endlich aktiv werden.
Mitwirkung bis Ende März
Die Kandergrunder und Kandersteger können bis Ende März ihre Meinung zu diesem Gesamtkonzept gegenüber dem VBS kundtun. Entsprechende Unterlagen erhalten sie per Post und sind im Internet abrufbar. Ebenfalls werden Gesprächstermine angeboten. In der zweiten Jahreshälfte wird der Bundesrat entscheiden, wie das konkrete Projekt aussehen wird. Fundierte Schätzungen gibt es derzeit noch nicht – klar scheint aber bereits, dass die Kosten über eine Milliarde Franken betragen werden.
Der Plan B
Es gibt auch einen Plan B für Mitholz, der allenfalls zum Zuge kommen würde, wenn die Munition nicht entsorgt werden kann. Die ganze Fluh würde mit einer mindestens 50 Meter dicken Lockergesteinsschicht überdeckt werden, verstärkt mit Beton oder Netzen. Der Projektleiter betont, dass dies eine letzte Option sei. Diese Lösung hat ebenfalls eine Realisierungsdauer von zehn Jahren. Und sie hat den Nachteil für die nächsten Generationen, dass Hunderte oder Tausende Tonnen Munition liegen bleiben würden.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
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