Als der Schreiner Skischulleiter wurde
20.03.2020 FrutigenUm die Wintersaison besser auszulasten, setzten zwei umsichtige Einheimische auf Schneesportunterricht – und auf Edwin «Winz» Zürcher. Dieser hatte die Skischule Frutigen vor 50 Jahren nicht nur ins Leben gerufen, sondern auch jahrelang mit viel Engagement geführt. ...
Um die Wintersaison besser auszulasten, setzten zwei umsichtige Einheimische auf Schneesportunterricht – und auf Edwin «Winz» Zürcher. Dieser hatte die Skischule Frutigen vor 50 Jahren nicht nur ins Leben gerufen, sondern auch jahrelang mit viel Engagement geführt.
HANS HEIMANN
Auf Initiative von Robert Haug wurde die 6er-Kabinenbahn Elsigbach–Elsigenalp gebaut und nahm 1967 den Betrieb auf. Als zwei Jahre später auf der Elsigenalp der erste Skilift realisiert wurde, kam Haug mit Hermann Zürcher vom Kurund Verkehrsverein überein: Es musste etwas unternommen werden, um die Anlagen besser auszulasten, der Wintersport sollte mehr gefördert werden. Sie entschlossen sich, dass eine Skischule genau das Richtige wäre. Die beiden Herren verabredeten sich mit Edwin Zürcher, dessen Vater Hans in Frutigen eine Schreinerei führte und nebenbei mit Ski handelte. Beim Gespräch im Hotel Simplon offenbarten sie ihren Plan von einer Skischule. Da Zürcher in der Schule einer der Kleinsten, ein Winziger, gewesen war, wurde er von allen «Winz» genannt.
Skilehrerausbildung in Davos
So machte Winz im Frühjahr 1970 sein Skilehrerpatent mit Hauptteil Skifahren und als Zusatzausbildung Langlauf und Skibob. Im Herbst desselben Jahres wurde die Bewilligung zur Gründung der Schweizer Skischule Frutigen erteilt. Den notwendigen Schulleiterkurs absolvierte der gelernte Schreiner im November 1971 in Davos. Dieser zweiwöchige Kurs bestand aus einer Woche Ausbildung zum Skischulleiter und einer Woche als aktiver Skilehrer für Gäste.
Der Frutiger erhielt als Einziger zwölf Skischüler der Stärkeklasse 6 zugeteilt, darunter der Mövenpick-Gründer Ueli Prager. Dieser erzählte dem Skilehrer eines Abends von seinem Vorhaben, dem Bau des Autobahnbrückenrestaurants Würenlos im Kanton Aargau. Prager fragte Winz, was er denn von dem Projekt halte. «Das ist doch eine gute Idee», antwortete ihm Zürcher. Die im Volksmund als «Fressbalken» bekannte Raststätte wurde ein Jahr später eröffnet.
Die neu gegründete Skischule Frutigen trat umgehend der Schweizer Skischule bei. Der frisch patentierte Skilehrer startete im Dezember mit sechs Skilehrern und zwei Skilehrerinnen in die Wintersaison 1970/71. Für die Ausbildner – einige waren Handwerker oder Bergführer – war dies ein willkommener Nebenverdienst. Montag und Dienstag wurden die ersten Lektionen in der Schwerzi, der Wiege des Frutiger Skisports, gegeben und ab Mittwoch auf Elsigen-Metsch.
Die Skischüler stammten anfangs mehrheitlich aus Deutschland. In den folgenden Jahren kamen zunehmend Holländer in die Skischule, besonders jeweils im Februar. Früher drohten die Eltern den Kindern oft, wenn sie nicht artig seien, würden sie in die Skischule geschickt. Doch dies änderte sich mit den Jahren, und die Skischulen erlebten einen wahren Boom, erinnert sich Winz. In den 1980er-Jahren entstand sogar eine Skischule für Blinde. Zürcher unterstützte diese Sache und sorgte dafür, dass diese ein eigenständiger Zweig der Skischule Frutigen wurde.
Übergabe vom Vater zum Sohn
Während der 26 Jahre als Skischulleiter leistete Winz viele Arbeiten im Frondienst. Er organisierte zusätzlich viele Aktivitäten, zum Beispiel freitagnachmittags ein Skirennen für Gäste und Einheimische, abends dann Fackelabfahrten mit bis zu 70 Teilnehmern. Die Zeit um Ostern wurde mit «Sie + Er»-Rennen und einem Osterhasen-Gedenkspringen unter seiner Leitung belebt.
Sein Sohn Beat Zürcher, der sich ebenfalls zum Skilehrer und in der neuen Sportart «Snowboarding» ausbilden liess, übernahm die Skischulleitung 1996. Diese hiess nun Schweizer Ski- und Snowboardschule. Er hat vieles von seinem Vater weitergeführt, aber auch sanfte Neuerungen in die Skischule einfliessen lassen, und erinnert sich: «Die einschneidendste Veränderung war die Vereinsgründung. Dies ist von den älteren Mitgliedern kritisch betrachtet worden. Aber dadurch wurden die Aufgaben innerhalb des Vorstandes breiter abgestützt.»
Grossens Neuheit für die Kleinen
Nach Beat Zürcher übernahm Adrian Grossen aus Frutigen von 2001 bis 2012 anfänglich die Skischulleitung und in der Folge das Präsidium. Unter seiner Führung etablierte sich der Verein von den früheren, privaten Strukturen zu einem Verein, wobei jeder Skilehrer auch Mitglied war. Für die Skischüler lancierte Grossen das Kinderland, das als Gesamtpaket des Schweizer Skischulverbands ins Leben gerufen wurde.
Heute unterrichtet der Frutiger nicht mehr in der Skischule, aber gibt doch sein Wissen an Jugendliche in der JO Aeschi weiter, deren Leiter er ist. Seit acht Jahren präsidiert Markus Indermühle aus Krattigen den Verein und amtet gleichzeitig als Skischulleiter. Als Platzchef auf Elsigen-Metsch ist Iwan Hachen tätig und hat damit die operative Leitung der Skischule seit sieben Jahren inne. Ihm stehen zwischen 40 und 50 ausgebildete Skilehrer zur Seite. Diese würden mehrheitlich aus Spass und nicht primär des Geldes wegen unterrichten, ist Hachen überzeugt. Er beobachtet, dass Privatstunden zunehmend gefragter sind, besonders auch bei älteren Leuten, die wieder mit Skifahren beginnen und neue Techniken erlernen wollen. Kinder hingegen würden oft Skiund dann auch noch Snowboardunterricht nehmen, und würden dies auch sehr schnell lernen. Indermühle und Hachen, beides patentierte Skilehrer, erinnern sich an einen unterrichtsfreien Tag: «Wir Skilehrer tauschten unsere Ski gegen die Bretter der Snowboardlehrer. Wir beide standen das erste Mal auf einem Snowboard. Oh, haben wir gelitten! Unzählige Male fielen wir in den Schnee und hatten einige Tage lang Muskelkater.»
In ihrem 50. Jahr präsentiert sich die Skischule Frutigen als ein gut geführter Verein, der mit dem SnowKidsPark, dem Kinderparadies Elsi & Vämpi, Hüpfkissen und sogar einem Pistenfahrzeugsimulator ein kindergerechtes Rundumpaket anbietet. Die Jubiläumsfeier wird im kommenden Winter stattfinden.
Ein Foto für Amerika
Edwin Zürchers Erinnerungen an seine Tätigkeit in der Skischule sind reich an Episoden. Eine davon aus den Anfangszeiten liesse heute wohl jeden Marketingfachmann vor Neid erblassen: Zu Werbezwecken für die neu gegründete Skischule stellte man am Marktplatz in Frutigen ein Plakat auf. Dieses war in einem Rahmen auf einem Ständer angebracht und wies auf die Skischule und den Unterricht hin. Doch unglücklicherweise hatte es im Dezember keinen Schnee, und an Skifahren war nicht zu denken. «Ein Bauer band eines Tages drei seiner Kälber an dieser Tafel fest. Er ging wohl irgendwelche Besorgungen erledigen oder in ein Wirtshaus», erzählt Zürcher. Es sei wohl ein Tourist aus den USA gewesen, der dann ein Foto der Kälber und der Tafel machte. «Einige Zeit später erfuhr ich, dass dieses Bild unserer Skischultafel mit den drei Kälbern in einer Zeitung in New York erschienen sei – und zwar mit der Bemerkung: ‹Warten auf den Skilehrer›.»