KOLUMNE – BAUCHGEFÜHLE - Freundschaften
13.03.2020 KolumneFreundschaften
Vor vielen Jahre meinte traurig meine damals 18-jährige Tochter, gerade meinen Fittichen entflogen und soeben aus ihrem ersten Urlaub in Marokko heimgekehrt: «Mami, ich habe so gute und interessante Menschen kennengelernt. Wir haben unsere Adressen ...
Freundschaften
Vor vielen Jahre meinte traurig meine damals 18-jährige Tochter, gerade meinen Fittichen entflogen und soeben aus ihrem ersten Urlaub in Marokko heimgekehrt: «Mami, ich habe so gute und interessante Menschen kennengelernt. Wir haben unsere Adressen ausgetauscht, um uns zu besuchen oder zu schreiben. Ich weiss, es waren Freunde auf Zeit und ich werde ihnen nie wieder begegnen.» Heute ist Mirjam mein Vorbild, da sie schon früh den Wert von intensiven Kontakten erkannte und ihre Freundschaften pflegt, von der Schulfreundin bis zur Busenfreundin.
Letzthin sassen sieben Frauen für einen gemütlichen Abend bei Speis und Trank an meinem Tisch. Rege wurde diskutiert, und lustige Erlebnisse wie auch traurige Momente kamen wieder zum Vorschein, die wir miteinander getragen und ertragen hatten. Im Nachhinein sinnierte ich intensiv über die Beziehungen zu diesen Frauen, deren Anfänge bis zu 40 Jahre zurückliegen.
An eine Freundschaft erinnere ich mich besonders intensiv, da sie mit dem Beginn meiner Familienplanung vor vier Jahrzehnten zusammenfiel. An meinem Wohnort gab es einen «Mütterklub». Männer interessierte das damals noch nicht, oder durften sie es vielleicht auch nicht zeigen? Im Turnus bastelten und spielten wir auch selber mit den Kindern im «Hüetistübli». Ich weiss nicht mehr genau, wie Marianna und ich uns für diese zwei freien Stunden fanden und näherkamen. Jedenfalls sah man uns schon bald gemeinsam auf unseren Waldläufen (heute nennt man es Trailrunning), wobei uns der Gesprächsstoff nie ausging. Unsere Beziehungskisten, Ehemänner und Kinder, wurden intensiv zerpflückt. Nach diesen Läufen fühlten wir uns geläutert, packten den Alltag mit Freude, wirkten doch zusätzlich die Glückshormone, unsere körpereigenen Drogen nach, die wir beim Laufen aktivierten. Einen Psychiater brauchten wir nicht, wir therapierten uns gegenseitig, vielleicht nicht immer fachgerecht, aber wir kamen unbeschadet über die Runden. Gemeinsam mit unseren sechs Kindern machten wir mehrtägige Wanderungen, später nur noch begleitet von unseren Hunden. Wir schleppten uns damals mit riesigen Rucksäcken beinahe zu Tode. Wir wollten unterwegs in Heustadeln übernachten, aber da alle verschlossen waren, landeten wir todmüde in einem luxuriösen Hotel. Damals hat Marianna mir beinahe die Liebe gekündigt, da die Idee vom Schlafen im Heu von mir stammte. Diese Freundschaft verbindet uns heute als Grossmütter. Auf Schneeschuhen haben wir den ganzen Jurabogen überschritten, machen gemeinsame Skitouren im ganzen Alpenbogen. Dabei geht uns der Gesprächsstoff immer noch nicht aus. Letzthin meinte Marianna: «Dank dir habe ich den Schritt zum Ausdauersport gemacht – ohne dich hätte ich die Natur nicht auf verschiedensten Wegen erforscht, hätte nicht den Mut erhalten, eigenständig mit meinem Drahtesel oder zu Fuss die Welt zu erkunden.» Wir hören monatelang nichts voneinander, aber treffen wir uns wieder, ist das Gefühl der Nähe sofort wieder da, und wir diskutieren, scherzen und lachen, als ob das letzte Zusammentreffen erst gestern gewesen wäre. Marianna gab mir immer sicheren Halt auf rutschigem Eis, fing mich auf, und gemeinsam gingen wir weiter unseres Weges. Zeit und Zuneigung sind das kostbare Gut, das Freundschaften wachsen lässt und ihnen Bestand verleiht.
YVONNE SCHMOKER
YSCHMOKER@BLUEWIN.CH