Sie bleibt reiselustig und lesefreudig
24.03.2020 FrutigenPORTRÄT Die gebürtige Frutigerin Frieda Vogel lebte viele Jahre in der Uhrenstadt Grenchen. Sehnsucht nach der Heimat zog sie wieder ins Frutigland, wo sie nun ihren Lebensabend verbringt. Am 27. März feiert sie ihren 100. Geburtstag.
BARBARA STEINER-SUTER
Das helle ...
PORTRÄT Die gebürtige Frutigerin Frieda Vogel lebte viele Jahre in der Uhrenstadt Grenchen. Sehnsucht nach der Heimat zog sie wieder ins Frutigland, wo sie nun ihren Lebensabend verbringt. Am 27. März feiert sie ihren 100. Geburtstag.
BARBARA STEINER-SUTER
Das helle Zimmer in der Wohngruppe «Elsigblick» im Pflegeheim Frutigland ist seit zwei Jahren das Daheim von Frieda Vogel. Ein paar liebgewonnene Erinnerungsstücke an ein 100-jähriges Leben schmücken das in schlichten Weisstönen gehaltene «Stübli», wie die Seniorin ihr Zimmer liebevoll nennt. Andere Andenken leben nur in der Erinnerung der Jubilarin, und um ein paar hüllen sich die Nebel des Vergessens: «Ich weiss manches nicht mehr», trauert sie.
Jugendjahre mit herbem Verlust
Ganz besonders am Herzen liegt der Seniorin ein kleines Tischchen mit anmutig gedrechselten Beinen. «Das hat mein Vater hergestellt. Wäre ihm seine Arbeit immer richtig bezahlt worden, hätte er gut verdient. Doch oft konnten die Leute, die ihm Aufträge gaben, nachher nicht bezahlen», erinnert sie sich an die Zeit ihrer Kindheit in Frutigen. Ein gerahmtes Schwarz-Weiss-Foto an der Wand zeigt ein idyllisches Familienbild: Vater, Mutter, der fünf Jahre ältere Bruder und die kleine, siebenjährige Frieda.
Doch das traute Familienglück neigte sich dem Ende zu – vier Jahre später verstarb Vater Vogel. In den folgenden Jahren brachte Mutter Vogel die Familie mit Wasch- und Putzarbeiten über die Runden. Auch Friedas Bruder musste gleich nach der obligatorischen Schulzeit arbeiten gehen. Eine Berufslehre wäre zu teuer gewesen, da damals noch Lehrgeld bezahlt werden musste.
Leben und Arbeit am Fuss der Jurakette
Einige Jahre später zügelte die kleine Familie nach Grenchen. «Mein Bruder fand Arbeit in der Uhrenindustrie, und wir folgten ihm», blickt Frieda Vogel zurück. Inzwischen eine junge Frau, ging auch sie in die Uhrenfabrik. Viel Freude machte es ihr nie, lieber hätte sie im Spital gearbeitet. Doch die Umstände waren eben anders, und selbstlos fügte sie sich in ihre Rolle als Fabrikarbeiterin – 17 Jahre lang. Frieda Vogel lebte mit ihrer Mutter zusammen und blieb ledig: «Mir war es immer wohl alleine», lächelt sie verschmitzt. Als ihre Mutter starb, kehrte sie zurück nach Frutigen, nach dem sie immer ein wenig Heimweh gehabt hatte. Glücklich war sie, als sie ein paar Jahre später in die Wohnung zügeln durfte, in der früher ihre Grossmutter gewohnt hatte.
Aktiv im Altersheim
100 Lebensjahre sind kein Grund, auf Ausflüge zu verzichten – jedenfalls nicht für Frieda Vogel. Sie liebt die kleinen «Reisli», die das Heim anbietet, sei es an den Thunersee, auf den Ballenberg oder in die Kambly-Fabrik. Vom Reisen habe sie immer schon geträumt, auch davon, einmal in ein Flugzeug zu steigen. Doch leider sei der Traum nie in Erfüllung gegangen, erzählt sie bedauernd.
Jeweils am Donnerstag holt die aktive Seniorin ihre Schürze aus dem Schrank: Es ist Kochgruppen-Tag. Gemeinsam mit anderen Bewohnenden und der Aktivierungsfachfrau wird das Mittagessen vorbereitet, gekocht und natürlich auch gegessen – im kleinen Kreis, wie früher zu Hause. Ein Lieblingsgericht weiss sie keines zu nennen. Sie esse vieles gerne, und die Mahlzeiten seien immer fein gekocht. «Ich bin einfach froh, dass es regelmässig Gemüse gibt. Ich habe früher auch immer viel gekocht, sogar aus dem eigenen Gärtchen», fügt sie mit einer Prise Stolz an.
Von echtem Glauben erfüllt
Geistig aktiv, liest Frieda Vogel viel, besonders christliche Literatur und die Bibel. An den Wänden hängen gerahmte Bibelsprüche. Der Glaube an Gott ist tief in ihr verwurzelt: «Er gibt mir immer wieder die Kraft zum Durchhalten», erzählt sie. Sie freut sich sehr, dass sie regelmässig von Mitgliedern ihrer Gemeinde zum Gottesdienst oder zum Altersnachmittag abgeholt wird. Betrübt war sie, als sie den Predigttext nicht mehr im Gedächtnis behalten konnte. Nun erhält sie ihn jeweils schriftlich. «Dann kann ich ihn immer wieder lesen, dafür bin ich sehr dankbar», freut sie sich.