«Ein Podestplatz spornt an, dranzubleiben»
03.04.2020 Frutigen, SportTURNEN Wegen der Coronapandemie sind weder Sportanlässe noch Gruppentrainings möglich. Die Frutiger Geräteturnerinnen Nina Mosimann und Anna Kaufmann erzählen im Interview, wie sie sich trotzdem fit halten.
KATHARINA WITTWER
Nina Mosimann und Anna Kaufmann sind die ...
TURNEN Wegen der Coronapandemie sind weder Sportanlässe noch Gruppentrainings möglich. Die Frutiger Geräteturnerinnen Nina Mosimann und Anna Kaufmann erzählen im Interview, wie sie sich trotzdem fit halten.
KATHARINA WITTWER
Nina Mosimann und Anna Kaufmann sind die erfolgreichsten Turnerinnen des GETU (Geräteturnen) Frutigen, einer Abteilung des Turnvereins. Die Freundinnen haben viel gemeinsam: Sie sind Nachbarinnen, feierten beide Ende 2019 ihren 18. Geburtstag und treten dieses Jahr neu in der höchsten Kategorie (K7) an. In der letzten Saison stand bei allen Wettkämpfen mindestens eine von ihnen auf dem Podest.
Die beiden Turnerinnen gehen aber auch ihren eigenen Weg. Nina Mosimann ist im dritten KV-Lehrjahr in Thun. Anna Kaufmann studiert im ersten Semester biomedizinische Wissenschaften an der Uni Freiburg. Der «Frutigländer» hat kurz vor Ausbruch der Coronapandemie einen Trainingsabend der gesamten GETU-Riege besucht und den beiden jungen Frauen einige Fragen gestellt.
«Frutigländer»: Anna Kaufmann und Nina Mosimann, eigentlich hätte Mitte März die Saison beginnen sollen. Nun sind Gruppentrainings und Wettkämpfe sistiert. Wie fühlen Sie sich?
Anna Kaufmann: Ich wäre eigentlich bereit und voll motiviert, in der K7 zu starten. Natürlich ist es schade, dass das gemeinsame Training nicht mehr durchgeführt werden darf.
Nina Mosimann: Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns mit der Situation abzufinden. Nun trainieren wir halt weiterhin ohne Gelegenheit, unser Können mit anderen zu messen.
Wie trainieren Sie jetzt mit dem verordneten Sicherheitsabstand (Social Distancing)?
Anna Kaufmann: Zuerst trafen wir uns noch nebenan auf dem Schulhausplatz, wo wir immerhin Reck und Boden gut turnen konnten. Da dieser nun auch gesperrt ist, müssen wir uns wohl mit Krafttraining zu Hause abfinden.
Nina Mosimann: Um zu trainieren, benötigen wir nicht unbedingt eine Turnhalle. Wir haben uns in den letzten Tagen bei schönem Wetter draussen verabredet, um zusammen zu trainieren, damit wir fit bleiben. Ich hoffe jedoch, dass wir bald wieder in die Halle können, da das Training an den Geräten wichtig ist.
Wie trainieren Sie im Normalfall?
Nina Mosimann: Am Freitag sind wir vier Stunden in der Widihalle. Die Jüngsten (ab der 1. Klasse) beginnen um 18 Uhr. Wir Älteren könnten später dazustossen, doch wir wollen die ganze Zeit nutzen und sind ebenfalls um diese Zeit in der Halle. Zusätzlich bin ich Montagund Dienstagabend je eineinhalb Stunden hier. Einmal konzentriere ich mich aufs Krafttraining.
Anna Kaufmann: Während der Vorlesungszeit trainiere ich zusätzlich zwei Mal wöchentlich mit dem FS Fribourg.
Können Sie ein Freitagstraining beschreiben?
Anna Kaufmann: Zuerst wärmen wir uns mit lockerem Joggen auf und mobilisieren die Gelenke. Wie wir dies tun, ist uns überlassen. Hier sind wir in vier Altersgruppen eingeteilt. Anschliessend arbeitet abwechselnd jede Gruppe an den Ringen, am Boden, am Reck und am Sprung. Dabei korrigieren wir uns gegenseitig, geben einander Tipps und lassen uns von den Leiterinnen welche geben.
Sie erwähnten Krafttraining. Gehen Sie dazu nicht in einen Kraftraum?
Nina Mosimann: Als wir mit dem GETU anfingen, gab es noch kein obligatorisches Krafttraining. Nun haben wir einmal wöchentlich ein geführtes Kraft- und Ausdauertraining in der Halle. Dieses besteht aus verschiedenen Posten mit klassischen Kraftübungen mit Eigengewicht, Ausdauer- und Posentraining. Auch für zu Hause haben wir ein Übungsprogramm.
Wie kamen Sie zum Geräteturnen?
Nina Mosimann: Ich war schon immer körperlich sehr aktiv und wollte, gemäss Erzählungen meiner Mutter, stets aus dem Kinderwagen klettern. Möglicherweise habe ich mal beim Fernsehen Kunstturnen geschaut und war total fasziniert davon. Mit sieben Jahren durfte ich einmal in Uetendorf – dem am nächsten gelegenen Kunstturnverein – ein Probetraining besuchen. Dort hiess es, ich hätte drei Jahre früher anfangen sollen. Also blieb mir «nur noch» das Geräteturnen.
Anna Kaufmann: Auch ich war seit frühester Kindheit überaktiv. Man sagt mir nach, ich sei sehr ehrgeizig und äusserst streng mit mir selber. Genau genommen darf man erst in der 1. Klasse mit dem GETU anfangen. Da ich ein Jahr zu früh eingeschult wurde, fiel niemanden auf, dass ich zu jung war. Ich ging einfach zusammen mit meinem älteren Bruder ins GETU. Unsere Mutter (Franziska Kaufmann) ist durch uns Geschwister Trainerin geworden.
Für Zuschauer sehen die Übungen gefährlich und riskant aus. Mussten Sie schon verletzungsbedingt pausieren?
Nina Mosimann: Ich hatte schon dreimal Bänderrisse an den Fussgelenken, einmal davon kombiniert mit einer Knochenabsplitterung. Das hat mich während insgesamt drei Jahren gebremst. Inzwischen ist alles geheilt.
Anna Kaufmann: Zum Glück hatte ich bloss einmal eine leichte Zerrung in einem Fussgelenk. In der Relation zu unserem Sport gibt es wenig Verletzungen. Blutende Blasen und Hornhaut an den Handflächen von Ringen und Reck nimmt man gerne in Kauf. «Zähne zusammenbeissen und durch», heisst die Devise.
«Erfolg motiviert zu Höchstleistungen»: Können Sie diese viel zitierte Aussage unterschreiben?
Anna Kaufmann: Auf jeden Fall! Ein Podestplatz spornt an, dranzubleiben und hart zu trainieren.
Nina Mosimann: Ich liebe meinen Sport und habe Spass daran. Das beflügelt und motiviert mich.
Als Saisonhöhepunkt klassierten Sie sich letztes Jahr gemeinsam mit drei weiteren Bernerinnen an den Team-Schweizermeisterschaften im K6 auf dem 3. Rang. Nun werden Sie in der höchsten Stufe antreten. Was wird anders?
Nina Mosimann: Uns ist bewusst, dass man im ersten Jahr als «Neuling» in der nächsthöheren Kategorie kaum vorne mitmischen kann. Falls doch – umso schöner.
Anna Kaufmann: An Wettkämpfen kann man die Leistungen der Älteren oder Erfahreneren beobachten und profitiert davon.
Geräteturnen (GETU) – Kunstturnen
Das breitensportliche Geräteturnen (GETU) gibt es nur in der Schweiz. Mädchen und Damen turnen am Boden, am Reck, an den Ringen und am Sprung, Jungs zusätzlich am Barren. Abgestuft wird primär nach technischem Können und sekundär nach Alter, wobei Kategorie 1 die tiefste und 7 die höchste ist. Zusätzlich gibt es noch die Kategorien Damen / Herren.
Kunstturnen ist international und eine olympische Sportart. Es beinhaltet weitere Geräte. Das schweizerische Trainingszentrum befindet sich in Magglingen.
WI