Leben nach der Landung
21.04.2020 Coronavirus, SportGLEITSCHIRM Bei bestem Flugwetter zu Hause zu sitzen, ist für Paraglider fast nicht auszuhalten. Was machen Patrick von Känel, Sepp Inniger, Michael Sigel sowie Chrigel und Michael Maurer nun am Boden?
MICHAEL SCHINNERLING
«Ihr wisst, dass das Fliegen meine absolute ...
GLEITSCHIRM Bei bestem Flugwetter zu Hause zu sitzen, ist für Paraglider fast nicht auszuhalten. Was machen Patrick von Känel, Sepp Inniger, Michael Sigel sowie Chrigel und Michael Maurer nun am Boden?
MICHAEL SCHINNERLING
«Ihr wisst, dass das Fliegen meine absolute Leidenschaft ist. Die Empfehlung des Bundesrates und des Schweizerischen Hängegleiter-Verbands ist es jedoch, zurzeit auf jegliches Zusatzrisiko zu verzichten. Ich halte mich an diese Regeln. Zieht bitte mit und lasst das Fliegen, bis wir mehr Infos zum Coronavirus haben!» Mit diesen Worten wendet sich Chrigel Maurer an seine Fliegerkollegen. «Es ist nicht verboten, zu fliegen. Es geht aber darum, das Unfallrisiko zu vermindern und den Spitälern grössere Kapazitäten zu verschaffen», fügt der Paraglider an.
Mittlerweile sind Anlässe wie die Newcomer Challenge, der Paragliding World Cup in Brasilien sowie der Swiss Cup in Grindelwald ausgefallen, und der Schweizer XContest wurde bis auf Weiteres ausgesetzt. «Es ist schon verrückt. Ich hoffe, es geht so nicht weiter», erklärt Chrigel Maurer. Wie geht man als Profipilot mit so einer Situation um? «Alle Anlässe bis Juni kann man auf Eis legen. Positiv dabei ist, dass ich nun mehr Zeit für meine Familie habe. Und wir gehen neue Wege.» Maurer hält seine Vorträge nun per Videochat. So war er etwa bei einem Tageskurs für rund 45 Minuten zugeschaltet und referierte zum Thema Flugsicherheit. Fit hält sich Maurer unter anderem durch Joggen und Krafttraining. «Ich nehme es Tag für Tag und schaue positiv vorwärts», schliesst der erfolgreiche Gleitschirmpilot.
Kandersteg statt Brasilien
Auch Michael Sigel hält sich mehrheitlich an die Empfehlung des Gleitschirmverbands, nicht mehr zu fliegen. Zurzeit weilt er in Kandersteg. «Ich kann hier gut arbeiten und trotzdem noch etwas an die frische Luft gehen.» Eigentlich wäre er in Brasilien am PWC-Finale mit dabei gewesen. «Das ist natürlich sehr schade. Allerdings muss man in dieser aussergewöhnlichen Zeit seine eigenen Interessen zurückstecken und solidarisch sein», so der Kandersteger. Es sei trotzdem hart, weil das Wetter im Moment perfekt zum Streckenfliegen wäre. Und so besteht Sigels Alltag momentan aus Arbeit und Sport rund ums Haus.
Der Testpilot flog noch eine Weile
Da Michael Maurer in Thun als Testpilot für Gleitschirme arbeitet, war es ihm zu Beginn der Corona-Krise noch erlaubt, Testflüge zu absolvieren. «Für meinen Arbeitgeber sind die Flüge existenziell», erklärt er. «Beim Testen hielten wir uns so gut wie möglich an die Anweisungen des BAG und waren in kleinen Zweier- oder Dreierteams unterwegs, damit wir die Abstandregel einhalten konnten.» Mittlerweile hat aber auch Maurer das Fliegen eingestellt. «Bei diesem Flugwetter juckt es mich schon immer wieder, und ich möchte gerne mit meinem Wettkampfschirm einen Streckenflug absolvieren. Aber es geht uns allen gleich, und wie sagt man: ‹Geteiltes Leid ist halbes Leid›.»
Für den Frutiger hätte die Saison im April mit den Swissleague-Cup-Trainings begonnen, und im Mai sollten diverse Starts an Swiss Cups folgen. «Der nächste grössere Anlass ist für mich die EM in Serbien. Wir wissen noch nicht, ob diese stattfindet oder nicht.»
Homeoffice ist angesagt
Bei Sepp Inniger laufen die Vorbereitungen momentan mehr oder weniger wie geplant. «Ich habe im August die Schweizermeisterschaft in Fiesch und einen Weltcup in Disentis auf der Agenda. Wir werden sehen, was die Zeit bringt. Im Moment können wir nicht zu weit planen.» Innigers Tagesablauf hat sich abgesehen von den BAG-Empfehlungen nicht stark verändert. Er macht jedoch auch soweit es geht Homeoffice und geht nur für Sitzungen oder Flugreportagen ins Büro. «Ich halte es wie Michael Maurer, da wir beide in der gleichen Firma arbeiten.»
Patrick von Känel hatte seinen letzten Arbeitstag als Testpilot Ende März. Seit dem 1. April ist er nun als Helikopter-Flughelfer im Einsatz. Der Frutiger begann im Januar seine Ausbildung zum Helikopterpilot. Von Känel hat für 2020 nur wenige Wettkämpfe geplant.
Anlässe wird es wohl länger keine geben
Drei Fragen an den Trainer der Schweizer Gleitschirm-Nationalmannschaft Martin Scheel
«Frutigländer»: Martin Scheel, es sind etliche Anlässe ausgefallen. Wann kann man wieder fliegen?
Man darf fliegen! Allerdings empfehlen der Bundesrat und der Verband, darauf zu verzichten. Dies wird auch sehr gut eingehalten. Aber das Virus ist da und die Bevölkerung noch lange nicht «durchseucht». Ich gehe deswegen davon aus, dass Veranstaltungen ebenfalls noch lange nicht erlaubt werden.
Kann und will man die Anlässe denn nachholen?
Im August reiht sich (wenn erlaubt) ein Anlass an den anderen. Die Newcomer Challenge wird aber wohl ausfallen. Ebenso verhält es sich mit den Swiss Cups. Die Veranstalter sind zwar flexibel, eine Verschiebung wird aber in den meisten Fällen unmöglich sein. Für die Liga planen wir, Ende September vier Tage in Südfrankreich durchzuführen. Dort sind die Bedingungen für einen Wettkampf ausgezeichnet.
Es soll in Europa bis September eine Grenzschliessung geben. Wären dann auch die SM und der WC in Disentis in Frage gestellt?
Richtig, diese Anlässe sind in Gefahr. Eine SM können wir durchführen, wenn die Schweizer Grenze zu ist, einen Weltcup aber nicht.
MS