Mit Überblick im Zielgebiet
03.04.2020 Kandersteg, SportPORTRÄT Seit Mai 2018 ist Doris Kallen bei der FIS im Bereich Langlauf als Medienkoordinatorin tätig. Es ist ein spezieller Beruf für die Kanderstegerin, die dabei ständig zwischen zwei Welten pendelt – ein Einblick in ihren Arbeitsalltag.
MICHAEL SCHINNERLING
PORTRÄT Seit Mai 2018 ist Doris Kallen bei der FIS im Bereich Langlauf als Medienkoordinatorin tätig. Es ist ein spezieller Beruf für die Kanderstegerin, die dabei ständig zwischen zwei Welten pendelt – ein Einblick in ihren Arbeitsalltag.
MICHAEL SCHINNERLING
Die Langläufer am Weltcup in Trondheim (Norwegen) sind gleich im Ziel. Fotografen warten schon, um ihre Bilder zu machen. TV-Stationen aus aller Welt sind mit Kameraleuten und Reportern bereit, um Interviews zu führen. Mittendrin ist Doris Kallen aus Kandersteg. Die Hektik ist kein Problem für die 29-Jährige. «Einzig der Zielraum ist sehr eng. Ich muss immer schauen, dass sich hier keine unbefugten Personen aufhalten», kommt von Kallen.
Sie erinnert sich, wie an der Weltmeisterschaft in Seefeld plötzlich eine Frau vor ihr stand. «Freundlich bat ich die Dame, den Platz zu verlassen. Dann stellte sich heraus, dass es die Premierministerin von Norwegen war.» Kallen rechnet aber sowieso mit solchen Zusammentreffen und bleibt immer möglichst freundlich und geduldig.
Alle auf einmal
Am Weltcup kommen nun die ersten Läufer rein, und Kallen nimmt diese in Empfang. «Ich habe das grosse Glück, die puren Emotionen hautnah und ungefiltert zu erleben. Das ist ein Luxus in meinem Beruf, den ich sehr schätze.» Gleichzeitig muss Kallen für einen koordinierten Ablauf nach dem Rennen sorgen. «Jetzt ist der Moment, wo jeder seine Bilder und Interviews möchte. Zudem sollten die Athleten sich umziehen und die Zeremonien vorbereitet werden. Das TV-Signal ist auf 30 Sekunden genau geplant, da muss man schon versuchen, den Überblick zu behalten», sagt Kallen. Nicht alle Athleten sind allerdings immer sofort bereit, Auskunft zu geben. Zudem haben sie alle eigenen Kanäle und Sponsoringverträge. «Da braucht es manchmal etwas Feingefühl, viel Zeit und Ausdauer, um ihr Vertrauen zu erhalten.»
Neutrale Berichterstattung gefragt
Vor den Anlässen gilt es für Doris Kallen diverse Vorarbeiten zu erledigen. «Ich stehe jeweils ab Sommer mit den Medienchefs vor Ort in Kontakt und unterstütze sie, wo ich kann.» Ihre Aufgabe beinhaltet nebst Medienarbeit noch eine ganze Reihe von organisatorischen Vorbereitungen für Weltcups, Weltmeisterschaften oder die Olympischen Spiele. Vor Ort muss die entsprechende Infrastruktur einen reibungsfreien Ablauf garantieren.
Kallens Aufgabe ist es, alles bereitzustellen, damit die Bereiche Sport, TV, Medien, Zuschauer, Veranstalter und Sponsoren eine entsprechende Plattform haben. Die Presseberichte, Belieferung der Sozialen Medien usw. laufen dann noch nebenbei. «Da ich keine journalistische Arbeit tätige, sondern für den offiziellen Kommunikationskanal des FIS-Langlauf-Weltcups arbeite, bin ich verpflichtet, die Berichterstattung neutral und möglichst objektiv zu halten.»
Und wenn Schweizer aufs Podest kommen? Da lächelt Kallen und erklärt: «Dann freue ich mich natürlich als Schweizerin sehr – besonders dann, wenn man es nicht erwartet. Das sind schöne Momente für mich.»
Über 100 Rennen begleitet
Im Februar 2018 fand sich die künftige Elite im Langlauf, Skispringen und der Nordischen Kombination in Kandersteg zur Nordischen Junioren-WM ein. Kallen war die Medienchefin. So entstand der Kontakt zum FIS-Langlauf-Weltcup-Team, welches die diplomierte Tourismusfachfrau HF auf die frei werdende Stelle aufmerksam machte. Seitdem hat die Kanderstegerin viele bekannte Nordische Veranstaltungsorte wie Val di Fiemme (ITA), Toblach (ITA), Ruka (FIN), Lillehammer (NOR), Planica (SLO) oder Dresden (GER) bereist. «Ich bin nun 3 Jahre bei der FIS, habe 10 Länder bereist, war an 25 Orten und habe 132 WC-Rennen und 14 WM-Rennen begleitet», zählt sie auf.
So einen Anlass könne man nicht üben. Erst bei der Durchführung merke man, wenn etwas nicht läuft, findet Kallen. Es gibt ein Handbuch mit Kriterien, doch das ist eine Vorgabe, welche das Rennen nicht 1:1 abbilden kann. «Jedes Land hat seine Eigenheiten. So durften wir die Langlaufstrecke in Québec als Weltcup-Standort nutzen. In Schweden ging es einmal eine Skipiste rauf.» Da Kallen vor den eigentlichen Wettkämpfen vor Ort ist, kann sie die jeweiligen Strecken mit den Langlauf-Ski abfahren. «Etwas später fahren dann hier die Top-Athleten durch. Ein sehr geschätztes Privileg, das ich habe.» Kommt dazu, dass die Athleten mit Kallen vom November bis März mehr Zeit verbringen als mit ihren Familien. «In Hotels sind wir gemeinsam einquartiert. Der Tross ist wie eine grosse Familie», führt sie aus.
Von Ort zu Ort
Eigentlich könnte Kallen zwischen den Rennveranstaltungen heimfahren. Für diese kurze Zeit rentiere das aber nicht. «Ich könnte nicht richtig runterfahren. Zudem versuchen wir, auf unnötige Reisen zu verzichten.» So reist sie mit dem Zug, Flugzeug oder Shuttle von Ort zu Ort. Kallen lebt den Job als Medienkoordinatorin mit jeder Faser. «Sport gibt den Leuten so viel Wertvolles, Spannung, nationale Zugehörigkeit und das Miteinander. Ich habe das Glück, dies jeweils während eines halben Jahres hautnah zu erleben.»
Wenn Kallen schliesslich nach Hause fährt, ist es wie ein Wechsel in eine andere Welt. «Hier kann ich Kraft tanken und habe alles, was ich brauche, Berge, Ruhe, Familie und eben meine Insel Kandersteg.» Nun sind Bergsteigen, Skitouren oder Langlaufen angesagt. Und sie hat Zeit, mit dem elfjährigen Husky Comet Spaziergänge zu unternehmen.
Abschalten in Kandersteg: Jein
Ganz kann Kallen nicht abschalten, als sie diesmal nach Kandersteg kommt. Es sind zwei Tage Homeoffice für die FIS angesagt. «Ich war auch noch beim Simon Ammann Jump Parcours, Dario Cologna Fun Parcours oder dem Skimara dabei. Ich engagiere mich gerne nebst dem Job, aber kann aus zeitlichen Gründen im Winter nicht überall mit dabei sein.» Wenn es sie braucht, hilft Kallen auch in der Blüemlisalphütte mit. «Kandersteg und die Region bieten jungen Menschen alles, was man braucht. Trotzdem ist es gut, wenn man für einige Zeit die ‹heimischen vier Felswände› verlässt und schaut, wie es andernorts in der Welt läuft», schliesst Kallen. Nach der Zeit bei der FIS ist es ihr Ziel, in Kandersteg zu arbeiten.