GRETA IM HOMEOFFICE
Was macht eigentlich die Klimabewegung? Das Letzte, was man von Greta Thunberg hörte, war, dass sie sich – vielleicht – mit dem Coronavirus infiziert hatte. Und dass sie neuerdings vom heimischen Sofa aus streikt. Zum Beweis bringt die junge ...
GRETA IM HOMEOFFICE
Was macht eigentlich die Klimabewegung? Das Letzte, was man von Greta Thunberg hörte, war, dass sie sich – vielleicht – mit dem Coronavirus infiziert hatte. Und dass sie neuerdings vom heimischen Sofa aus streikt. Zum Beweis bringt die junge Schwedin jeden Freitag ein Bild von sich online. Das letzte zeigt sie mit ihrem obligatorischen Plakat vor einer weissen Wand, neben sich zwei grosse Hunde. Damit ist die Eingangsfrage auch schon beantwortet. Die Klimabewegung ist derzeit ebenso lahmgelegt wie vieles andere. Die Streikenden machen sozusagen Homeoffice.
Gleichzeitig, und das ist die Ironie der Geschichte, ist durch das Coronavirus ganz viel in Bewegung gekommen. Die von den Behörden verordnete Zwangspause hat der Umwelt wohl mehr genützt als alle Demos und Ökokongresse zusammen. Gerade las ich, dass man von Indien aus das rund 200 Kilometer entfernte Himalaya-Gebirge wieder sehen kann – das erste Mal seit Jahrzehnten. Schon träumen Öko-Romantiker davon, der Lockdown könnte zu einem Umdenken führen: zu nachhaltigem Wirtschaften und einem bescheideneren Lebensstil.
Wenn sie sich da mal nicht täuschen. Der Stillstand der Wirtschaft wird weltweit zu geringeren Steuereinnahmen und höherer Arbeitslosigkeit führen. Länder wie die Schweiz können diesen Effekt durch staatliche Massnahmen ab federn. Andere sind dazu nicht in der Lage. Dort wird es zu sozialen Spannungen kommen, Regierungen werden wackeln. Die Bereitschaft, sich in einer solchen Situation ausgerechnet mit Klima fragen zu beschäftigen, dürfte eher gering sein. Ähnlich wie nach der Finanzkrise von 2008 wird man alles daransetzen, die Wirtschaft schnell wieder zum Laufen zu bringen. Und dafür ist das billige Öl genau das richtige Schmiermittel. Schon stehen ganze Branchen in den Startlöchern, um endlich wieder loslegen zu können – business as usual.
Freier Blick zum Himalaya, blauer Himmel über Wuhan, all das ist schön und gut, aber doch nicht mehr als eine Momentaufnahme. Mittelfristig könnte die Corona-Krise dem Klima mehr schaden als nützen. Insofern kommt die Lockerung der Massnahmen genau im richtigen Moment: Es wird Zeit, dass Greta wieder vor die Tür kann.
MARK POLLMEIER
M.POLLMEIER@FRUTIGLAENDER.CH