Der Kampf der schwarzen Ritter
12.05.2020 NaturDie Erhaltung der eigenen Art ist für viele Lebewesen das wichtigste Ziel. Entsprechend gross ist der Aufwand, der dafür betrieben wird. Eine besondere Show veranstalten die Birkhühner: Sie haben für ihre Brautwerbung sogar eine eigene Arena.
MARK POLLMEIER
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Die Erhaltung der eigenen Art ist für viele Lebewesen das wichtigste Ziel. Entsprechend gross ist der Aufwand, der dafür betrieben wird. Eine besondere Show veranstalten die Birkhühner: Sie haben für ihre Brautwerbung sogar eine eigene Arena.
MARK POLLMEIER
Der Reigen der Balzrituale ist bunt und verrückt. «Verliebte» Kater zerkratzen sich Nase und Ohren. Steinböcke schlagen krachend ihre Hörner aufeinander. Und männliche Zweibeiner lassen an der Ampel die Reifen quietschen und hoffen, damit irgendwen zu beindrucken. Wie angenehm sind dagegen die Vögel! Sie singen ein bisschen lauter, stolzieren herum oder zeigen, wie der Pfau, ihre bunten Federn. So ist jedenfalls das Klischee – denn natürlich gibt es auch in der Vogelwelt allerlei merkwürdige Verhaltensweisen.
Ein Beispiel dafür ist das Birkhuhn, das sich seit Anfang April in der Balzzeit befindet. Los geht es damit meist schon am frühen Morgen. Noch vor Sonnenaufgang sind die ersten Balzgesänge der Birkhähne zu hören, ein merkwürdiges Kullern, das zuerst noch an das Gurren einer Taube erinnert, dann aber immer lauter und durchdringender wird. Bis zu zwei Kilometer weit sind diese Schlachtrufe zu hören; sie geben den Startschuss für den eigentlichen Wettkampf.
Die Damen halten sich zurück
Nach und nach versammeln sich mehrere Hähne an einem angestammten Balzplatz. Meist liegt dieser auf einer Art Lichtung, umgeben von niedriger Vegetation. Die Kontrahenten brauchen schliesslich freie Sicht, und sie wollen gesehen werden. Die ältesten und erfahrensten Tiere besetzen das Zentrum der Arena, denn nach den Regeln dieses eigentümlichen Rituals haben nur die Hähne im Zentrum ein Recht auf Fortpflanzung. Bis es soweit ist, wird es allerdings noch dauern – lange Zeit finden die Kämpfe unter Abwesenheit der Damenwelt statt.
Gefiederte Sumo-Ringer
Haben sich die mächtigen Verteidiger positioniert, stossen nach und nach die jüngeren Nebenbuhler hinzu und gruppieren sich am Rande des Balzplatzes, jeder in seinem eigenen Territorium. Nun beginnt das Spektakel. Die schwarzen Vögel plustern sich auf und spreizen ihre weissen Schwanzfedern. Leuchtend rot und angeschwollen sind nun die federlosen Wülste über ihren Augen. Die Hähne ducken sich, kreisen, wackeln aufeinander zu. Eine Zeitlang stehen sie sich lauernd gegenüber wie zwei japanische Sumo-Ringer, nur das Zittern ihres Gefieders verrät die Anspannung. Dann plötzlich springen sie mit ausgefahrenen Klauen vor, spreizen die Schwingen, hacken mit den Schnäbeln nacheinander, das Ganze begleitet vom typischen Kullern und Fauchen. Zu Verletzungen kommt es selten, nach ein paar Sekunden weicht der unterlegene Vogel zurück – Punkt für den Gegner. Meist fliegen bei solchen Attacken nur ein paar Federn.
Schwarze Ritter werden die Birkhähne genannt, und tatsächlich: Wenn sie mit ihren roten «Helmen» aufeinander zu preschen, erinnert das an die Reitturniere mittelalterlicher Edelleute. Dieses Vor und Zurück, Angreifen und Ausweichen kann sich über Wochen hinziehen. Nach und nach wird nun deutlich, wer die Herren in der Arena sind: jene kräftigen Tiere, die jedem Angriff standhalten, die selten zurückweichen und sich nach vielen Tagen der Anstrengung noch immer in der Mitte des Rings halten. Die jüngeren, schwächeren Tiere dagegen resignieren mit der Zeit und geben auf. Unerfahrene Hähne unter drei Jahren haben meist keine Chance, sich bei der Balz durchzusetzen.
Irgendwann schweben dann auch die Birkhennen ein und lassen sich auf den umliegenden Bäumen und Büschen nieder – ein Zeichen, dass die Balz bald zu Ende geht. Die verbliebenen Hähne, von den anwesenden Weibchen zusätzlich angestachelt, geben bei ihren Kämpfen noch einmal alles.
Lange Balz, kurze Paarung
Wenn sich die Hennen dann von ihren Aussichtsplätzen in die Arena begeben, ist die Zeit der Paarung gekommen. Die weiblichen Tiere haben die letzten Runden der Balz genau beobachtet. Den Vorzug geben sie jenen Hähnen, die sich dort besonders gut geschlagen haben.
Die Paarung selbst geht schnell und unspektakulär vonstatten. Während die begattete Henne bald davonfliegt, kehrt der Hahn zurück auf den Kampfplatz – vielleicht kann er ja weitere Weibchen beeindrucken. Um Brutpflege und Aufzucht kümmern sich die polygamen Birkhähne dagegen überhaupt nicht.
Die Hennen legen ihr Nest in einer versteckten Mulde am Boden an. In höheren Lagen schlüpfen die Jungen Ende Mai; bis zu zehn können es pro Nest sein. Zum Überleben brauchen sie in den ersten Tagen warmes, trockenes Wetter.
Die kleinen Birkhühner sind Nestflüchter – schon nach gut zwei bis drei Wochen sind sie flugfähig.
Scheue Alpenbewohner
Birkhühner sind Fasanenvögel und gehören zur Unterfamilie der Raufusshühner. Die Männchen haben inklusive Schwanz eine Körperlänge von bis 60 cm, Weibchen sind etwas kleiner und leichter. Wie bei vielen Fasanenartigen ist das Gefieder der Geschlechter verschieden: Hähne sind von kräftiger blau-schwarzer Farbe, die Schwanzfedern sind weiss. Die Birkhennen haben ein rostbraunes, schwarz gebändertes Gefieder. In der Natur werden Birkhühner bis zu acht Jahre alt. Hierzulande gelten sie als potenziell gefährdet. Wie viele Tiere des Alpenraums reagieren Birkhühner empfindlich auf Störungen. Die Anwesenheit von Menschen verursacht den scheuen Vögeln Stress, im Winter kann der durch eine Flucht verursachte Energieverlust zum Tode führen.
POL