Der Verein hält den Ball noch flach
22.05.2020 Frutigen, SportFUSSBALL Die Verantwortlichen des FC Frutigen mussten in der Corona-Krise bisher einige Entscheide treffen, die sich finanziell negativ auswirken werden. Obschon bislang noch nicht trainiert wird, bleibt man optimistisch – die Planung für die nächste Saison läuft.
TONI ...
FUSSBALL Die Verantwortlichen des FC Frutigen mussten in der Corona-Krise bisher einige Entscheide treffen, die sich finanziell negativ auswirken werden. Obschon bislang noch nicht trainiert wird, bleibt man optimistisch – die Planung für die nächste Saison läuft.
TONI STOLLER
Wer hätte gedacht, dass das Coronavirus unser aller Leben von heute auf morgen vollumfänglich und auf unbestimmte Zeit derart verändern würde? Alle sind in irgendeiner Form davon betroffen. Vom Lockdown wird nebst dem Spitzensport auch der Breitensport stark tangiert. Viele Vereine können durch das Absagen von Vereinsanlässen nicht mehr genügend Einnahmen generieren und müssen auf Reserven zurückgreifen – sofern diese vorhanden sind.
Aber auch der Spielbetrieb leidet. Im Schweizer Fussball sollte um diese Zeit eigentlich Hochbetrieb herrschen. Um die 8000 Partien hätten bis Ende Rückrunde schweizweit gespielt werden sollen. Nun ist es seit März gespenstisch ruhig, nur der Platzwart dreht hin und wieder seine Runden. 300 000 lizenzierte Fussballer-Innen durften weder spielen noch trainieren. Die Sportplätze wurden geschlossen.
Treue, Solidarität und Engagement
Wie alle anderen Vereine ist auch der Fussballclub Frutigen von der Corona-Krise stark betroffen. Umgehend wurden sämtliche Trainings und der Spielbetrieb komplett eingestellt. Auch das im August geplante Juniorentrainingslager in Willisau wurde vorzeitig annuliert. Bereits mussten auch diverse Anlässe abgesagt werden, so unter anderem die Turnierwoche mit Firmen-, Grümpel- und Schülerturnier. Der Sponsorenlauf wurde vorerst in den Herbst verschoben.
Wegen des fehlenden Spiel- und Trainingsbetriebs können keine Einnahmen im FC-Klubhaus generiert werden. Trotzdem werden diese Ausfälle den FC Frutigen nicht in die Knie zwingen, wenn die Fallzahlen des Coronavirus nicht wieder nach oben gehen. Für einen Lichtblick sorgte kürzlich die Absichtserklärung des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), den Vereinen die «J+S»-Gelder trotz fehlender Aktivitäten auszuzahlen und diese so zu unterstützen. Als in der Region stark vernetzter Verein verfügt der FC Frutigen auch über viele Sponsoren, Gönner und solidarische Klubmitglieder. Zudem ist er ehrenamtlich organisiert und zahlt keine Spielerlöhne. Auch geniesst der Verein mit einer der grössten Juniorenbewegung der Region einen ausgezeichneten Ruf. Dies werden nicht zu unterschätzende Faktoren zur Bewältigung der Krise sein.
Lockerung unter Auflagen
Seit dem 11. Mai sind wieder Trainings möglich. Im Amateursport gelten hier folgende Einschränkungen: Die Sportaktivität darf nur in Kleingruppen mit maximal fünf Personen, ohne Körperkontakt und unter Einhaltung der Hygiene- und Distanzregeln erfolgen. Grundsätzlich sind die Lockerungen nur erlaubt, wenn der jeweilige Sportverband ein detailliertes Schutzkonzept vorlegt. Weiterhin nicht erlaubt sind Wettkämpfe.
Beim FC Frutigen wird der Ball über den künftigen Trainingsbetrieb flach gehalten. Das vorliegende Schutzkonzept des Schweizerischen Fussballverbandes gilt als Grundlage für ein detailliertes vereinseigenes Konzept. Gespannt wartet der Verein auf die Sitzung des Bundesrates vom 27. Mai, in der über weitere Lockerungen in diversen Bereichen entschieden werden soll. Dies könnte dazu führen, dass Trainings mit weniger Auflagen abgehalten werden könnten und so eher durchführbar wären. Anfang Juni soll dann an Spielkommissions- und Kinderfussballsitzungen das weitere Vorgehen im Verein festgelegt werden. Der FC Frutigen ist sich bewusst, dass sich alle auf dünnem Eis bewegen. Die Lockerungen könnten eine zweite Welle der Ansteckungen herbeiführen, was alle bisherigen Anstrengungen praktisch zunichtemachen könnte. Deshalb appelliert er an alle Klubmitglieder, sich weiter an die Regelungen des Bundesrates zu halten.
Wie hat die erste Mannschaft den Lockdown erlebt?
Die erste Mannschaft des FC Frutigen (3. Liga) hatte nach Abschluss der Vorrunde das Messer am Hals. Als das am schlechtesten platzierte Team aller Viertletzten befand es sich auf einem Abstiegsplatz. Grund genug, um sich in der Winterpause so richtig ins Zeug zu legen. Das Trainingslager im März konnte noch über die Bühne gebracht werden. Hier zeigte sich, dass die Moral und körperliche Verfassung jedes Einzelnen auch stimmten. Trainer Gerhard Fuchs war zu Recht guten Mutes: «Ich musste vor dem Rückrundenstart keine Angst haben. Der Trainingsbesuch, die Moral und der Einsatz der Jungs stimmten mich sehr zuversichtlich.» Das Trainingslager in der Türkei habe gezeigt, dass das Team in bester Verfassung war. Alle seien motiviert und überzeugt gewesen, die Herausforderung Ligaerhalt zu schaffen.
Nach dem Lockdown fanden keine Trainings mehr statt. «Erst letzte Woche habe ich meine Spieler im Team-Chat motiviert, sich eigenständig wieder in Form zu bringen», sagt Fuchs. Die Aktivitäten finden auf freiwilliger Basis statt und sollen möglichst polysportiv sein. «Im Chat können alle den anderen Spielerkollegen ihre absolvierten Trainingseinheiten mitteilen und per Foto oder Videos dokumentieren.» Fuchs ist überzeugt, so für eine zusätzliche Teammotivation zu sorgen. Er schätzt zudem die vorbildliche Führung des 4.-Liga-Teams durch dessen Trainerin Silvia Stoller. Hier kann er jederzeit auf topvorbereitete Spieler für Einsätze in der 3. Liga zurückgreifen. Auch diese Spieler sind mittels besonderer Methode im Aufbau: Trainerin Stoller habe mit einer Akteurin extra Videos mit Trainingssequenzen gedreht, welche den Spielern zugänglich gemacht wurden.
Zurzeit finden zwecks Kaderbildung für die nächste Saison Spielergespräche statt. Sofern es die gesetzlichen Vorgaben erlauben und der Saisonstart wie gewohnt im August stattfindet, wird das Training offiziell am 11. Juni unter Einhaltung der Schutzbestimmungen aufgenommen. Trainer Fuchs spürt bereits wieder ein Kribbeln im Bauch: «Ich freue mich darauf, meine topmotivierten Spieler auf dem Platz wieder zu sehen. Die persönlichen Kontakte mit ihnen, aber auch mit allen anderen FCF-Leuten auf dem Fussballplatz, fehlen mir.»
Schwierige Situation im Kinderfussball
Am 13. März fand das vorerst letzte Training der Jüngsten statt. Obschon seit dem 11. Mai Mannschaftstrainings unter strengen Auflagen möglich sind, verzichtete der FC Frutigen auch im Kinderfussball darauf. Die Vorgaben wären kaum einhaltbar gewesen: Kleine Gruppen, Distanzregeln, Bälle dürfen nicht in die Hände genommen werden sowie die Desinfektionsvorschriften (sämtliches benutztes Material muss nach jedem Training vom Trainer gereinigt und desinfiziert werden) liessen aus Sicht der Verantwortlichen einen vertretbaren Trainingsbetrieb nicht zu.
«Innerhalb des Trainerstabs sind wir unterschiedlicher Meinung. Eine deutliche Mehrheit ist jedoch mit dem Mittelweg, den die Schweiz bisher gewählt hat, zufrieden», stellt Urs Brügger als Leiter des Kinderfussballs klar. Wichtig sei, dass alle bald wieder einmal Fussball spielen können, ohne hier noch Auflagen einhalten zu müssen. Zurzeit plant er mit 30 Trainern und 250 Kindern bereits die neue Saison. Der Entscheid, wie und wann es weitergeht, wird nach dem 27. Mai getroffen. Eine Vorfreude ist auch bei ihm deutlich zu spüren: «Wenn man die saftig grünen, unberührten Fussballplätze so anschaut, ist man richtig angetan, endlich wieder zum Kicken auf den Platz gehen zu können. Wir werden es mit Geduld und Vernunft dann dementsprechend geniessen.»