als ich mit dem Velo kürzlich an dir vorbeifuhr, da hatte ich ein wenig Mitleid mit dir. Dein Name tönt zwar putzig, doch als Weiler wirklich ernst genommen wirst du damit wohl nicht. Du befindest dich mitten im Nirgendwo, überall versperren dir sanfte Hügelketten die Sicht, den nahe ...
als ich mit dem Velo kürzlich an dir vorbeifuhr, da hatte ich ein wenig Mitleid mit dir. Dein Name tönt zwar putzig, doch als Weiler wirklich ernst genommen wirst du damit wohl nicht. Du befindest dich mitten im Nirgendwo, überall versperren dir sanfte Hügelketten die Sicht, den nahe gelegenen Murtensee kannst du daher nur erahnen.
Sicher blickst du auch mit Wehmut zurück in deine Vergangenheit, als du noch eine eigenständige Gemeinde warst. Doch dann wurdest du erst von deinem grossen Bruder Grossguschelmuth und danach vom noch mächtigeren Gurmels geschluckt. Von dir ist nicht viel mehr übriggeblieben als ein Ortsschild in nostalgischer Kursivschrift.
Zwar habe ich während meines kurzen Besuches an diesem Dienstagnachmittag nicht den Hauch von öffentlichem Leben entdeckt, dafür aber eine stattliche Zahl wehender Schweizerfahnen, welche die Zahl an Gebäuden noch zu übertreffen schien. Doch ist mir bei dir noch etwas ganz anderes aufgefallen.
Ein Banner nämlich, nicht rot mit weis sem Kreuz, sondern in leuchtendem Orange, hing unweit von dir in einem Kornfeld. Ein JA! zur bevorstehenden Konzernverantwortungsinitiative fordert da jemand in deinem Umfeld lautstark. Dieses Rebellentum inmitten des urschweizerischen Stilllebens mutete zunächst etwas seltsam an, schien mir bereits einige Fahrkilometer später aber sehr logisch – schliesslich ist die Initiative eine Kampfansage an die Grossen und Mächtigen. Sie verlangt, dass Konzerne mit Sitz in der Schweiz die international anerkannten Menschenrechte und Umweltstandards sowohl im In- als auch im Ausland respektieren müssen.
Liebes Kleinguschelmuth, ich habe grossen Respekt vor dir. Du bist zwar klein, aber auch mutig. Und du bist eine würdige Fahnenträgerin für ein Anliegen, das etwas mehr Ausgleich und Gerechtigkeit bringen soll. Ob du noch in diesem Jahr zur Tat und an die Urne schreiten darfst, ist zwar noch unklar. Womöglich wirst du dich noch etwas gedulden müssen. Ich bin mir aber sicher, dass du dich auch langfristig nicht klein kriegen lässt!»
JULIAN ZAHND
J.ZAHND@FRUTIGLAENDER.CH