DAS DNA-GESCHÄFT
Sie erinnern sich vielleicht noch an meinen Schlusspunkt über die DNA-Tests. Ich habe ihn tatsächlich gemacht, die Neugier des Journalisten war einfach zu gross. Die Frage, woher ich stamme, musste beantwortet werden. Das Röhrchen mit dem Mundabstrich ...
DAS DNA-GESCHÄFT
Sie erinnern sich vielleicht noch an meinen Schlusspunkt über die DNA-Tests. Ich habe ihn tatsächlich gemacht, die Neugier des Journalisten war einfach zu gross. Die Frage, woher ich stamme, musste beantwortet werden. Das Röhrchen mit dem Mundabstrich ging also nach Deutschland und dann in die USA ins Labor. In der Bestätigungsmail hiess es, etwa sechs Wochen müsste ich auf die Antwort warten. In der Hektik des Alltags und der vermeintlichen Ruhe des Lockdowns ging das Projekt Ahnenforschung allerdings vergessen. Bis das Ergebnis eintraf.
Ich überlegte nochmals, ob ich wirklich wissen will, was aus meinem Speichel herauszulesen ist. Doch jetzt gab es kein Zurück mehr. Das Resultat war dann ernüchternd, weil nicht besonders überraschend. Meine Herkunft wird zu 76 Prozent West- und Mitteleuropa zugeordnet, 18 Prozent Skandinavien und 3 Prozent Südosteuropa – die sind mir allerdings sehr fremd. Die fehlenden Prozente sind nicht zuzuordnen. Wie gesagt, ich flippte nicht gleich aus bei dieser Erkenntnis. Dass meine Vorfahren zu fast gleichen Teilen aus Jägern und Sammlern sowie Ackerbauern bestehen sollen, ist eigentlich nachvollziehbar.
Dann zeigte sich aber, dass meine Befürchtung aus dem erwähnten ersten «Schlusspunkt» wahr wurde: Ich habe noch mindestens 2241 genetische Verwandte bis zum Cousin sechsten Grades, von denen ich bisher nichts wusste! Vereinzelt handelt es sich um Schweizer Namen (oder Herkunftsorte), dann sind da einige Skandinavier, doch der grösste Teil klingt nach Amerika. Meine mir bekannten Verwandten in den Staaten habe ich allerdings in der Liste nicht finden können. Ich denke, das Resultat hat damit zu tun, dass bisher mehr Amis als Europäer den Test gemacht haben und so in dieser Datenbank in der Überzahl sind.
Und was jetzt? Ich habe eine in Plastik gerahmte Urkunde, viele neue unbekannte Verwandte und zusätzliche Fragen zu meiner Herkunft. Diese könnten teilweise mit erweiterten Tests geklärt werden, die vom Labor – natürlich gegen Entgelt – gern gemacht würden. Klar ist im Moment für mich vor allem eines: Auch wenn die DNA-Ahnenforschung einen gewissen Reiz hat, stimmt vor allem das Geschäftsmodell.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
H.SCHNEIDER@FRUTIGLAENDER.CH