Ein Arbeitsplatz in den Wipfeln
03.06.2020 Frutigen, Bildung|SchuleAndy Zurbrügg ist Baumpflegespezialist EFZ. Um diesen Beruf rund ums Jahr auszuüben, sind Freude an komplexen Ökosystemen, Schwindelfreiheit und eine gute Kondition Voraussetzung.
BARBARA STEINER-SUTER
Seit zwei Jahren arbeitet Andy Zurbrügg bei der Henzelmann‘s ...
Andy Zurbrügg ist Baumpflegespezialist EFZ. Um diesen Beruf rund ums Jahr auszuüben, sind Freude an komplexen Ökosystemen, Schwindelfreiheit und eine gute Kondition Voraussetzung.
BARBARA STEINER-SUTER
Seit zwei Jahren arbeitet Andy Zurbrügg bei der Henzelmann‘s Baumpflege AG in Spiez. Der 29-jährige Frutiger und seine Kollegen pflanzen, schneiden und fällen Bäume und Hecken. Sie beraten Kunden und stellen Gutachten aus. Am liebsten klettert Zurbrügg jedoch zur Baumpflege in die Baumkronen.
«Wir sind alle ein Teil der Natur»
Zurbrügg wuchs an Reinisch auf. Nach der Schulzeit absolvierte er Lehren als Landwirt EFZ und Landschaftsgärtner EFZ, danach bildete er sich zum Baumpflegespezialisten EFZ weiter. «Ich war schon immer sehr naturverbunden und konnte mir nie vorstellen, mich mit etwas anderem zu beschäftigen», erzählt er über seine Berufswahl. Eine Zeit lang habe er auf dem Bau gearbeitet, doch er habe schnell gemerkt, dass dies nichts für ihn sei.
Interesse und Neugier sind für ihn die wichtigsten Voraussetzungen für seinen Beruf. «Wir sind alle ein Teil der Natur und wissen noch lange nicht, wie dieses komplexe System funktioniert», erklärt Zurbrügg. Ihm gefällt besonders die Abwechslung, die sein Beruf bietet. Fast täglich befindet er sich an einem anderen Arbeitsort, in einer anderen Situation, denn jeder Baum ist anders und benötigt eine neue Beurteilung. Auch pflegt er gerne persönliche Kontakte: «Unsere Kunden sind meist sehr angenehm, da sie oft auch einen starken Bezug zur Natur haben und ihren Baum gut pflegen möchten. Daraus entstehen interessante Gespräche.»
Wissen und Teamwork
Der Arbeitstag der Baumpflegespezialisten aus Spiez beginnt um 6.50 Uhr. Nach der Auftragsbesprechung im Büro werden Ausrüstung, Werkzeug und Material geladen, dann geht es zum Arbeitsort. Kletterarbeiten dürfen aus Sicherheitsgründen nur in Teams von mindestens zwei Mitarbeitenden ausgeführt werden. Vor Ort wird zuerst die Situation beurteilt und der Arbeitsplatz – oft in luftiger Höhe – gesichert. Dank einer intensiven Ausbildung und dem eingespielten Team kann das Risiko klein gehalten werden. «Selbstüberschätzung ist vermutlich die grösste Gefahr», ist Zurbrügg überzeugt. Kletterarbeiten können das ganze Jahr ausgeführt werden, sofern das Wetter es erlaubt. In der Regel werden jedoch im Frühling und Herbst, während des Blattaustriebs und des Laubfalls, die Bäume nicht geschnitten, damit sie nicht wichtige Reservestoffe verlieren. In dieser Zeit wird gepflanzt und gefällt.
Der Klimawandel setzt den Bäumen zu
In letzter Zeit müssen sich die Baumpflegespezialisten vermehrt mit Bäumen befassen, denen die zunehmend länger anhaltenden Wärme- und Trockenperioden schaden. Vor allem Fichten und Buchen sind gefährdet, da ihnen schon wenige Grad mehr sehr zusetzen. Durch den Stress verlieren sie ihre Widerstandsfähigkeit, was sie anfälliger für allerlei Krankheiten oder Borkenkäferbefall macht. Neue Krankheiten und Schädlinge, oft eingeschleppt, stellen besondere Herausforderungen dar, da ihre Gefährlichkeit zuerst eingeschätzt werden muss, bevor Massnahmen ergriffen werden können. Bäume in städtischen Gebieten haben vom Standort her schwierige Verhältnisse und brauchen besonders gute Pflege. «Ich denke, dass mein Beruf in Zukunft noch wichtiger wird, da das Verlangen nach Bäumen in den Städten immer grösser wird», sinniert Zurbrügg. «Auch aus Sicht der Stadtplanung werden Bäume wichtiger, da sie das Klima regulieren.» Stadtbewohner leiden heute oft unter hohen Temperaturen und Staubbelastung. Schattenspendende Bäume, an deren Blättern Staub gebunden wird, können mithelfen, dieses Problem zu lösen, ist der Spezialist überzeugt: «Doch dies erfordert genügend Wissen, wie man der Natur an so extremen Standorten zu überleben hilft.»
Berufsbild BaumpflegespezialistInnen EFZ
BaumpflegespezialistInnen EFZ betreuen Bäume von der Pflanzung bis zur Fällung. Sie arbeiten in Baumpflegefirmen, bei Gemeinden oder in Gartenbauunternehmen.
Die Ausbildung zum Baumpflegespezialisten oder zur Baumpflegspezialistin mit eidg. Fachausweis ist eine Zusatzausbildung. Der praktische Teil dauert je nach Erstlehre zwei bis vier Jahre. Optimal ist eine Grundausbildung zur ForstwartIn EFZ, LandwirtIn EFZ oder GärtnerIn EFZ. Die theoretischen Kenntnisse werden berufsbegleitend erworben. Die Ausbildung zum Baumpflegespezialisten / zur Baumpflegspezialistin ist aufgrund des erforderlichen breiten und tiefen Fachwissens europaweit einzigartig.
BSS