Heuschnupfen – ist eine defekte Barriere in der Nase schuld?
12.06.2020 GesundheitEgal ob Sträucher, Bäume oder Gräser blühen: Für Allergiker bedeutet Blütezeit Leidenszeit. Über die Nase finden die meisten Pollen ihren Weg in den Körper. Ein Augenschein auf die Nasenschleimhaut als Eintrittspforte.
An und für sich sind vom Winde verwehte Pollen ...
Egal ob Sträucher, Bäume oder Gräser blühen: Für Allergiker bedeutet Blütezeit Leidenszeit. Über die Nase finden die meisten Pollen ihren Weg in den Körper. Ein Augenschein auf die Nasenschleimhaut als Eintrittspforte.
An und für sich sind vom Winde verwehte Pollen ganz harmlos. Bei Allergikern jedoch hält sich die Freude am Erwachen der Natur in bescheidenen Grenzen. Sie leiden, weil ihr Immunsystem gegen eigentlich harmlosen Blütenstaub mit einer überschiessenden Abwehr reagiert.
Die Grundaufgabe der Nasenschleimhaut ist, alles, was in der Luft umherfliegt und eingeatmet wird, einzufangen, zu riechen und zu filtern. Die sensible Grenzfläche als erste Barriere schützt den Körper vor Eindringlingen und schädlichen Umwelteinflüssen und ist am Körper strategisch gut positioniert. Sie ist mit einem ausgeklügelten Abwehrgewebe ausgestattet und ein wichtiger Teil des Immunsystems.
Die allergische Reaktion in der Nase
Der Kontakt mit einem Allergen löst bei Allergikern sehr schnell eine Kette überschiessender Reaktionen aus. Immunzellen werden aktiviert, und der schlagartig ausgeschüttete Mix von Entzündungs- und Botenstoffen (Mediatoren) für andere Immunzellen ist für eine Kaskade weiterer Abwehrreaktionen verantwortlich.
In einer ersten Phase plagen betroffene Allergiker Kribbeln und vermehrtes Niesen. Die zunehmende Durchlässigkeit des Gewebes und die gesteigerte Durchblutung lassen die Nase laufen, später macht die zunehmend angeschwollene Schleimhaut dicht. Parallel dazu röten sich die Augen, und der Juckreiz breitet sich auf Augen, Mund, Rachen und Mittelohr aus. Verantwortlich für viele dieser Symptome ist das Gewebshormon Histamin. Antihistaminika sind die klassischen Allergiemedikamente. Sie setzen sich für Stunden auf die Bindungsstellen des Histamins und blockieren dessen Wirkung. Meist als Tabletten einmal täglich eingenommen, stehen sie auch als Nasenspray oder Augentropfen zur Verfügung.
Sind durchlässige Schleimhäute verantwortlich für Allergien?
Warum jemand auf bestimmte Stoffe (Allergene) eine Allergie entwickelt sowie die genauen Mechanismen zu Auslösung und Verlauf sind nach wie vor nicht in allen Details geklärt. Vererbung mag eine Rolle spielen, übertriebene Hygiene, veränderte Ernährungsgewohnheiten oder Umwelteinflüsse sind weitere Erklärungsansätze. Tatsache ist, dass rund 20 Prozent der Schweizer Bevölkerung an einer Allergie auf Baum- und Gräserpollen leiden, Tendenz zunehmend.
Zwei Voraussetzungen für eine Pollenallergie sind jedoch unabdingbar. Bei einem Erstkontakt wird das Immunsystem auf das auslösende Allergen sensibilisiert (siehe Kasten), und das Allergen muss später die Schleimhaut passieren, um eine Allergie auszulösen. Eine intakte und normal funktionierende Nasenschleimhaut spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Während Jahrzehnten prägte allein das Konzept eines überaktiven Immunsystems die Allergiediskussion. In den vergangenen Jahren rückte nun die grundlegende Schutzfunktion der Nasenschleimhaut ins Rampenlicht. Bei Allergikern ist diese Barriere verändert. Damit wird bei ihnen die Allergenaufnahme nämlich erst ermöglicht bzw. gefördert. Dies könnte ein entscheidender Defekt sein, der bei Gesunden nicht vorhanden ist, bei Allergikern jedoch zu einer Reaktion führt. Bei ihnen wurde eine erhöhte Bindung von Allergenen und ein rascher Transport über alternative Wege durch die Schleimhautzellen hindurch beobachtet. Sind zudem die Verbindungen der Zellen untereinander nicht dicht, gelangen Allergene ungefiltert ins Gewebe.
Neuer Ansatz in der Prophylaxe – Grenzflächen schützen
Wenn die körpereigene Barriere ihre Funktion nicht voll und ganz erfüllen kann, wäre eine Schutzschicht auf der veränderten Schleimhaut ein idealer Ansatz. In der Natur existiert dafür ein Stoff: Ectoin. Mit ihm schützen Mikroorganismen ihr Überleben in extremen Umgebungen wie heissen Geysiren, in Salzwüsten oder in arktischem Eis. Ectoin hat stark wasserbindende Eigenschaften und bildet eine Hülle aus Wassermolekülen (Hydrokomplex), die sich untereinander zu einem stabilen Hydrofilm verbinden. Dieser schützt die Schleimhautzellen, erschwert das Anhaften von Pollen, reguliert die Feuchtigkeit, stabilisiert Zellmembranen und beugt Entzündungen vor.
Die Wirkung von Ectoin ist eine rein physikalische, die Anwendung als Nasenspray oder Augentropfen ist gut verträglich und auch für Kinder geeignet. In einer Vergleichsstudie wurde die Wirksamkeit von Ectoin bei Patienten mit allergischen Nasen- und Augensymptomen untersucht. Nach sieben Tagen waren die Beschwerden deutlich reduziert (Nasenlaufen und verstopfte Nase um etwa -30 Prozent).
Cortison hält Entzündungen in Schach
«Cortison» ist für viele ein belastetes Wort, verbunden mit Bildern schauerlicher Nebenwirkungen: Vollmondgesicht, Stiernacken, Infektanfälligkeit, Entgleisungen des Stoffwechsels. Dabei sind Cortisonverbindungen, medizinisch als «Glucocorticoide» bezeichnet, die stärksten Medikamente gegen Allergien und die effizientesten Entzündungshemmer. Die Ängste stammen aus Zeiten, wo Cortison gegen Rheuma, Asthma und Allergien eingenommen oder gespritzt wurde und bei längerer Anwendung gleich den ganzen Stoffwechsel durcheinanderbrachte. Heute stehen weiterentwickelte, lokal wirkende Verbindungen zur Verfügung, die kaum aufgenommen werden. Ihr komplexer Wirkmechanismus greift grundlegend in den Vorgang einer Entzündung ein und verhindert sie bereits an der Wurzel.
Von ihrer potenten Wirkung profitieren vor allem Asthmatiker und Allergiker, ohne gravierende Auswirkungen auf den ganzen Organismus befürchten zu müssen. Für Pollenallergiker mit starken Nasensymptomen stehen cortisonhaltige Nasensprays heute auch rezeptfrei zur Verfügung. Ihre volle Wirkung entfalten sie bei regelmässiger Einnahme während der individuellen Pollensaison.
Eine natürliche Alternative zu den synthetischen Cortisonpräparaten bietet die Gemmotherapie. Der Mundspray aus Knospen der schwarzen Johannisbeere (Ribes nigrum, Cassis) regt die körpereigene Cortisonproduktion an und wirkt gegen Allergien – garantiert nebenwirkungsfrei.
BEAT INNIGER, OFFIZIN-APOTHEKER FPH, ADELBODEN
Weitere Informationen zum Thema finden Sie in unserer Web-Link-Übersicht unter www.frutiglaender.ch/web-links.html
Wie entsteht eine Allergie?
Beim Erstkontakt mit einem Allergieauslöser (Allergen, Antigen) wird das Immunsystem sensibilisiert. Wird das gleiche Allergen später wieder erkannt, löst dies eine überschiessende Reaktion aus.
Erstkontakt
• weisse Blutkörperchen können 100 Millionen verschiedene Antigene erkennen, etwa Eiweisse von Pollen;
• die fremden Allergene werden dem Immunsystem präsentiert;
• das Immunsystem bildet hochspezifische Antikörper (IGE) – bei Allergikern im Übermass;
• die IGE-Antikörper binden sich auf Mastzellen und warten wie Antennen auf ihr Allergen.
Zweitkontakt
• das Immunsystem erkennt rasch das fremde Pollen-Allergen;
• passende IGE-Antikörper auf den Mastzellen fangen das Allergen ein;
• überbrückt ein Allergen zwei IGE-Antikörper, wird in der Mastzelle ein Signal ausgelöst;
• schlagartig werden Histamin sowie ein Cocktail von Entzündungs- und Botenstoffen freigesetzt;
• Histamin erhöht die Durchlässigkeit von Gefässen, fördert die lokale Durchblutung und führt zu Nervenreizungen;
• die Botenstoffe locken weitere Entzündungszellen an und verstärken die Reaktion.
BI