KOLUMNE – HAUSGEMACHT - Mesött
05.06.2020 KolumneMesött
Heute möchte ich Ihnen ein Mitglied unserer Familie vorstellen: Mesött.
Mesött würde ich als eher scheu beschreiben. Hilfsbereit und tatkräftig ist er nur manchmal, sonst eher launisch und unzuverlässig. Ich muss aber gestehen, dass ich ihn noch nie zu ...
Mesött
Heute möchte ich Ihnen ein Mitglied unserer Familie vorstellen: Mesött.
Mesött würde ich als eher scheu beschreiben. Hilfsbereit und tatkräftig ist er nur manchmal, sonst eher launisch und unzuverlässig. Ich muss aber gestehen, dass ich ihn noch nie zu Gesicht bekommen habe. Dass er tatsächlich in unserer Familie existiert, daran besteht absolut kein Zweifel.
Mesött ist immer um uns herum, dauernd sprechen wir von ihm. «Mesött, Küche aufräumen!» – «Mesött, Rasen mähen!» – «Mesött, Fenster putzen!» – «Mesött, jetzt losfahren!» – «Mesött, Wäsche waschen!» – «Mesött, Karton entsorgen!» So tönt es bei uns. Mesött ist wirklich arm dran. Er wird von uns nur in der Befehlsform angesprochen, nie fragen wir ihn, ob er überhaupt Lust dazu hat, ob er so lieb wäre, es zu tun oder uns die Arbeit abzunehmen, nichts dergleichen. Mesött hat einfach zu erledigen, was wir von ihm verlangen. Armer Mesött!
Dabei ist Mesött gar nicht arm, im Gegenteil: sein Name bedeutet «der Glückliche» und kommt ursprünglich aus dem arabischen Raum; «Mesut» heisst es dort. Ich bin überzeugt, dass Mesött die Arbeit viel leichter von der Hand gehen wird, wenn er weiss, dass er «der Glückliche» ist.
Vielleicht wäre das nicht nur für unseren Mesött hilfreich. Ich habe nämlich festgestellt, dass in fast jedem Haushalt ein Mesött lebt. Es wäre doch schön, wenn all diese Mesötts wüssten, dass sie die Glücklichen sind, die etwas tun und in Bewegung setzen dürfen. Stellen Sie sich vor, wie sich all die Mesötts in unserem Land auf die Arbeit stürzen werden, wenn sie endlich wissen, dass sie die Glücklichen sind!
Die höchste Dichte an Mesötts ist übrigens in Regierungsgebäuden festzustellen. Es ist unglaublich, was die Mesötts dort alles tun müssen. Befehlen die einen dies, hört man von der anderen Seite bereits das Gegenteil. Besonders in Krisen werden die Mesötts stark gefordert und wissen am Schluss gar nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht und was eigentlich verlangt wird. (Am Rande: Dass in den genau diesen Gebäuden neben den Mesötts auch noch die «Hättimenume» und die «Hasjagenggseit» leben, ist eine andere Geschichte, und da ich trotz akribischer Forschung bis Redaktionsschluss leider nicht herausfinden konnte, aus welchem Sprachraum diese beiden Namen stammen und welche Bedeutung ihnen zuteil wird, habe ich diese Geschichte auch nicht weiter verfolgt).
Zurück zu unserem Mesött. Fakt ist, die Mesötts haben es nicht leicht. Deshalb habe ich mir fest vorgenommen Mesött mehr zu unterstützen. Allerdings muss ich dazu präzisieren, dass die Unterstützung nicht per se durch die Übernahme aller Aufträge erfolgt. Unterstützung kann ich auch bieten, indem ich andere dazu motiviere zu helfen. Und ausserdem; jedem Mesött gleich hinten nachzurennen, ohne zu prüfen und zu hinterfragen, würde dem kritischen Geist widersprechen und für die Work-Live-Balance sowieso nicht förderlich sein.
BARBARA JOST
BAEBU.JOST@BLUEWIN.CH