Momentan grad gut
Sie haben Zeit zum Lesen. Hunger? Wohl kaum. Schmerzen vielleicht auch nicht? Nichts brennt, nichts brennt an, nichts überläuft. Niemand schreit herum, keiner hetzt. Sie müssen nichts. Sie lesen jetzt nur und sind grad gut drauf. Schön, was?
Ja ...
Momentan grad gut
Sie haben Zeit zum Lesen. Hunger? Wohl kaum. Schmerzen vielleicht auch nicht? Nichts brennt, nichts brennt an, nichts überläuft. Niemand schreit herum, keiner hetzt. Sie müssen nichts. Sie lesen jetzt nur und sind grad gut drauf. Schön, was?
Ja schon, aber natürlich nur gerade jetzt! Ich muss dann einkaufen und kochen! Ich sollte endlich das da hinten weiterführen, dies organisieren und jenes klären, mich endlich beim Dings anmelden, die Krankheit des Schwiegersohns googeln, das Moos vor dem Haus vergiften, die Abläufe entstopfen und ja, endlich etwas Sport. Eigentlich bin ich im Stress.
Excusez. Ich will natürlich in keiner Weise andeuten, es gehe Ihnen gut. Ich weiss ja, was das Leben einem alles auflädt. Jeder hat auf seinem Gleise… Unter jeder Dachfirst hockt ein Teufel oder zwei, und gesund ist eh nur, wer noch nicht gründlich untersucht ist. Aber jetzt gerade, jetzt sind Sie am Lesen und relativ wohl? Darauf wollte ich Sie aufmerksam machen. Man vergisst es gern.
Dieses Gefühl, jetzt gerade wirklich nichts zu müssen und einfach sein zu können, dieses Gefühl müssen Sie nämlich genies sen! Aha, schon muss man wieder was!? O.K., dann geniessen Sie es halt nicht, aber spüren Sie doch mal: Wie fühlt es sich an, nichts müssen, einfach sein, in Ordnung sein? Das wäre nämlich das Gefühl eines erlösten Menschen. Die christliche Botschaft hat ja eine merkwürdige Mitte: Du bist erlöst, du musst nichts. «Es ist vollbracht», sprach der Erlöser am Kreuz. «Wir haben Frieden mit Gott, wir haben Zugang zur Gnade, wir haben Vergebung der Schuld, Hoffnung auf ewige Herrlichkeit. Gottes Liebe ist ausgegossen in unsere Herzen und der Heilige Geist ist uns gegeben.» Ich zitiere aus dem Römerbrief (z.B. 5,1– 6). Es gibt Dutzende so verblüffende Worte, die alle sagen: Die Welt sieht zwar gar nicht danach aus, aber das Wesentliche ist jetzt gut, und es kommt auch gut, mit uns und Gott. Im Gleichnis vom verlorenen Sohn ist alles verkachelt, aber der Verlorene muss es nur zugeben und wird daheim mit Pauken und Trompeten willkommen geheissen. Ich muss nichts, es ist vollbracht.
Können wir das wahr sein lassen, akzeptieren? Wer es kann, dem hilft offenbar der Heilige Geist (Pfingsten); sonst könnte ers nicht. Und wenn es akzeptiert wird im Herzen, durchzieht den Alltag wie eine Melodie eben das Gefühl: Ich muss eigentlich nichts, wir sind erlöst. Natürlich gibt es noch viel zu tun. Und der Geist von Pfingsten sagt: Tuts doch einfach, aber Christus hat dich schon erlöst.
RUEDI HEINZER
RUEDI.HEINZER@GMX.CH