POLITISCHES PARKETT - Bilanz zur Sommersession
19.06.2020 KolumneBilanz zur Sommersession
Eine reich befrachtete Traktandenliste erwartete das Parlament für die Sommersession. Wie bereits in der Sondersession traf sich das Parlament in den Messehallen der Bernexpo.
Die in der abgebrochenen Frühlingssession nicht zu Ende beratene ...
Bilanz zur Sommersession
Eine reich befrachtete Traktandenliste erwartete das Parlament für die Sommersession. Wie bereits in der Sondersession traf sich das Parlament in den Messehallen der Bernexpo.
Die in der abgebrochenen Frühlingssession nicht zu Ende beratene Vorlage der Überbrückungsleistung für ältere Arbeitslose sollte fertig beraten werden. Ein neues Sozialwerk wurde in kurzer Zeit geboren. Trotz der riesigen finanziellen Verpflichtungen der ganzen Corona-Folgen war die Mehrheit des Parlaments nicht gewillt, von dieser Absicht abzuweichen. Ich finde, es wäre wirksamer gewesen, die Lohnnebenkosten der 60plus-Arbeitnehmer zu senken und so zu erreichen, dass die erfahrenen älteren und bewährten Arbeitskräfte für die Betriebe attraktiver werden als junge Arbeitnehmer aus dem EU-Raum.
Ein weiterer finanzieller Brocken war der Nachtrag zum Voranschlag. Die riesigen Folgekosten der Corona-Massnahmen werden uns noch auf Jahre hinaus beschäftigen und natürlich stark belasten. Erneut wurden fast 15 Milliarden Franken beschlossen, die zu einem grossen Teil in die ALV fliessen, zur Finanzierung der Kurzarbeit. Kürzungsanträge der SVP-Fraktion waren, wie auch Aufstockungsanträge von links, nicht mehrheitsfähig.
Das gleiche Bild zeichnete sich auch bei der Beratung der Beiträge in der Entwicklungshilfe ab. Wichtig wäre hier, die Effizienz zu steigern und besser zu überprüfen, wohin genau die vielen Gelder fliessen. Schweizer Hilfswerke sind erwiesenermassen seriöser als die global tätigen Hilfswerke. Diesem Umstand ist Rechnung zu tragen. Die humanitäre Tradition der Schweiz wird bei diesem Vorgehen in keiner Art und Weise in Frage gestellt.
Als ein Meilenstein in der Geschichte des Fortschrittes und der Gleichstellung wurde die parlamentarische Initiative «Ehe für alle» von deren Initianten hoch gelobt. Es sei an der Zeit, die nicht mehr zeitgemässe Gesetzgebung anzupassen. Die veränderten Mehrheitsverhältnisse im Parlament trugen Früchte, denn der Minderheitsantrag aus der Kommission, die Samenspende ebenfalls in die Vorlage aufzunehmen, wurde im Nationalrat mit grossem Mehr beschlossen. Es ist absehbar, dass auch die Leihmutterschaft in naher Zukunft eingefordert werden wird, da ja sonst die gleichgeschlechtlichen Männer benachteiligt wären betreffend Kinderwunsch. Wo würden wir da wohl als Gesellschaft landen? Die Bilder von nicht abgeholten Babys aus Leihmutterschaft in der Ukraine sind Zeugen des bereits in einigen Ländern geltenden Rechts und dessen Folgen. Zu dieser Thematik habe ich dem Bundesrat in der Fragestunde eine entsprechende Frage gestellt. Frauen aus armen Verhältnissen und in grosser Not werden schamlos ausgenutzt, um den gutbetuchten Gutmenschen ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Das ist für mich Menschenhandel der perfiden Art. Wollen wir diese Entwicklung wirklich weitertreiben unter dem Deckmantel der hochgelobten Toleranz?
Auch wenn der Nationalrat der Gesetzesvorlage mit grossem Mehr zugestimmt hat, bin ich überzeugt, dass die Ehe weiterhin die rechtliche Verbindung zwischen Mann und Frau sein sollte und alle anderen bestehenden Lebensformen ausserhalb des Eherechts geregelt werden sollten. Die Vorlage geht nun in der Herbstsession in den Ständerat.
Nach der Abfuhr des CO2-Gesetzes im Jahr 2018 hat der Ständerat nun eine Variante ausgearbeitet, die noch weiter geht als die damalige Version. Die nun vom Nationalrat verabschiedete Variante des CO2-Gesetzes verursacht meiner Ansicht nach einen riesengrossen Umverteilungsmechanismus und einen Verteilkampf um die erhobenen CO2-Gebühren. Dass der Luftverkehr mit einer Flugticketabgabe belegt wird, ist aus meiner Sicht noch verständlich, denn Fliegen ist unanständig billig geworden und die internationalen Fluggesellschaften werden auch von ihren Heimatstaaten mitsubventioniert. Wie gross der Nutzen für die Umwelt sein wird, dürfte wohl umstritten bleiben. Was jedoch gerade für unsere Randregion massive Mehrkosten verursachen wird, ist die Erhöhung des Benzinpreises um bis zu 10 Rappen und ab 2025 sogar um 12 Rappen. Verschärft werden sollen auch die Vorgaben für die Neuwagenflotte. Weiter sollen auch die CO2-Abgaben auf fossilen Brennstoffen massiv erhöht werden. Der Vorschlag des Kollegen Erich von Siebenthal, die aktive Waldnutzung auch als Senkungsleistung des CO2 anzuerkennen, wurde mit grossem Mehr in die Vorlage integriert. Nun ist wieder der Ständerat am Zug, die bestehenden Differenzen auszumerzen. Voraussichtlich wird hier das Volk an der Urne entscheiden können.
Weiter hat der Bundesrat dem Parlament vorgeschlagen, Industriezölle in der Höhe von etwa einer halben Milliarde Franken unilateral abzubauen mit dem Ziel, die Wirtschaft zu entlasten und der Hochpreisinsel Schweiz entgegenzuwirken. Die Argumente, dass den Konsumenten am Schluss wenig bleiben werde, die Zölle nicht ohne Gegenleistung preisgegeben werden sollten, die wegfallenden Einnahmen gerade jetzt unverzichtbar seien und der Druck bei den nächsten Freihandelsabkommen nur noch auf den landwirtschaftlichen Zöllen läge, überzeugten eine Mehrheit des Nationalrats.
Eine spannende, abwechslungsreiche und vielbefrachtete Session geht zu Ende. Die monotone Expo-Hallen-Stimmung werde ich nicht vermissen und freue mich auf die Herbstsession, dann wieder im Bundeshaus.
ANDREAS GAFNER, NATIONALRAT EDU