In zwölf Zügen pro Schicht
16.06.2020 FrutigenDie Desinfektionsteams der BLS putzen, was jeder anfasst – und das im kurzen Zeitfenster zwischen Ankunft und Abfahrt. Auch Rebekka Studer ist zeitweise in den Abteilen im Einsatz. Für sie ist es eine anstrengende Abwechslung zur Arbeit im Reisezentrum.
BENJAMIN ...
Die Desinfektionsteams der BLS putzen, was jeder anfasst – und das im kurzen Zeitfenster zwischen Ankunft und Abfahrt. Auch Rebekka Studer ist zeitweise in den Abteilen im Einsatz. Für sie ist es eine anstrengende Abwechslung zur Arbeit im Reisezentrum.
BENJAMIN HALTMEIER
Kaum kommt die S-Bahn vom Typ «Mutz» an diesem Samstag im Bahnhof Thun zum Stillstand, steigen die Zweierteams ein. Ausgerüstet mit Putztüchern, Sprühflaschen, Masken, Handschuhen und Warnwesten reinigen sie die Abteile so schnell und gründlich wie möglich. Türknöpfe, Haltestangen, Abfallkübel, Abteiltische, Armlehnen, Kopfstützen – wer hier putzt, merkt: In Zügen gibt es extrem viele Berührungspunkte, die es zu desinfizieren gilt. Und ist man mit dem einen Zug fertig, kommt bereits der nächste an.
Während ihrer Nachmittagsschichten reinigt Rebekka Studer um die vier Züge pro Stunde, insgesamt sind es bis zu zwölf am Tag. «Das spürt man in den Armen. Sonst sitze ich auf dem bequemen Bürostuhl», berichtet die Frutigerin.
Schulungen per Selbststudium
Das Reisezentrum Kandersteg war während des Lockdowns zwar immer offen. Die Öffnungszeiten und damit auch die Präsenzzeiten der Angestellten wurden allerdings reduziert. «Ab der letzten Aprilwoche war nichts mehr los – man spürte eben stark, dass die Touristen und Ausflügler in Kandersteg ausblieben», so Studer. Teilweise kamen nur noch fünf Personen am Tag zu den Schaltern. Deshalb erhielten die Mitarbeitenden die Möglichkeit, während der Corona-Krise statt Kurzarbeit tageweise Ausseneinsätze in den Desinfektionsteams zu leisten. Per E-Mail wurden dafür Schulungsmaterialien fürs Selbststudium verschickt. Während der Einsätze selbst gibt es ausserdem die Möglichkeit, telefonischen Support zu bekommen.
In Thun sind derzeit insgesamt sechs Mitarbeitende in drei Teams beschäftigt, andere Gruppen arbeiten in Bern, Biel oder Luzern. Neben den Desinfektionsgruppen sind dabei noch die «normalen» Reinigungsteams am Werk. Insbesondere die Züge aus dem italienischen Domodossola werden seit Längerem zusätzlich gesäubert. «Ich habe grosse Achtung vor den Mitarbeitenden der Reinigung», erklärt Rebekka Studer. Angst vor einer Ansteckung in den aus dem Ausland kommenden Abteilen hatte sie während ihrer Einsätze nie. «Ich nutze den Zug sowieso viel privat. Ausserdem kam der Schweizer Lockdown so schnell, dass ich die Nähe zu Italien nicht mehr so extrem empfunden habe.» Gemäss der BLS-Mitarbeiterin kommt die Desinfektionsaktion bei den Passagieren gut an. Viele Reisende würden sich bei ihr bedanken oder kurz aufstehen, um Platz zu machen. «Es wird geschätzt, wenn der Zug sauber und sicher ist», bestätigt Studer. Sie hat allerdings den Eindruck, dass die Gäste die Züge seit dem Lockdown sowieso weniger verschmutzen würden: Kein Gipfeli liege mehr «blutt» auf dem Tisch, man drücke Knöpfe eher mal mit dem Ellbogen und fasse sich nicht ans Gesicht.
Auch im Unternehmen selbst sei die Wertschätzung für Reinigungsaufgaben mittlerweile grösser. «Es ist eine schöne Botschaft: Man hilft einander über verschiedene Bereiche hinweg», sagt Studer. Die Leute seien zwar vergesslich, «aber wenn die Corona-Massnahmen noch länger Thema sind, bleibt die Anerkennung für die Fahrzeugreiniger vielleicht bestehen».
Inzwischen hat der Kundenzulauf im Reisezentrum Kandersteg ordentlich zugelegt. «Die Leute trauen sich wieder raus», schliesst Studer. Sie selbst bleibt dadurch aber wahrscheinlich vermehrt drinnen – zurück im Büro.